Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Faber, Mag. Pertmayr, Dr. Weber und Mag. Nigl LL.M. als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* S*, geboren am * 1969, *, vertreten durch Mag. Martin Divitschek, Mag. Wolfgang Sieder und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei Dr. D* P*, geboren am *, vertreten durch Niederbichler Sixt Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen zuletzt 325.000 EUR, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. Juni 2025, GZ 3 R 92/25m-38, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 10. April 2025, GZ 10 Cg 57/23b 32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung, einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile, insgesamt zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 175.000 EUR samt 4 % Zinsen aus 250.000 EUR von 2. 12. 2021 bis 6. 11. 2023 und 4 % Zinsen aus 175.000 EUR seit 7. 11. 2023 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 150.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 2. 12. 2021 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 23.968,44 EUR (darin enthalten 2.266,24 EUR an Umsatzsteuer und 10.371 EUR an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.574,98 EUR (darin enthalten 466,23 EUR an Umsatzsteuer und 4.777,59 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die 1969 geborene Klägerin unterzog sich am 11. 3. 2020 beim Beklagten, einem niedergelassenen Facharzt für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie einer Mini Abdomen Plastik (Bauchdeckenstraffung) sowie einer Liposuction am Abdomen und an der Flanke (Fettabsaugung). Dieser operative Eingriff wurde vom Beklagten mangelhaft ausgeführt und es kam zu gravierenden gesundheitlichen Problemen der Klägerin. Sie musste sich deshalb insgesamt 39 Operationen (auch mehreren Notoperationen) unterziehen.
[2] Im Vorprozess des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, AZ 14 Cg 60/20v, wurde der Beklagte unter anderem zur Zahlung eines Teilschmerzengeldes an die Klägerin von 70.000 EUR für den Zeitraum bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 2. 12. 2021 rechtskräftig verurteilt, das mittlerweile bezahlt wurde. Diesem Zuspruch lagen die ersten 16 Folge o perationen der Klägerin zugrunde, nach denen bei der Klägerin nahezu die gesamte Bauchdecke fehlte und die Gedärme mit körpereigener Spalthaut bedeckt wurden. Dies führte zu umfangreichen Einschränkungen im Alltag sowie bis zum Schluss der Verhandlung des Vorprozesses zu 551 Tagen an leichten Schmerzen (ohne Komprimierung auf den 24 Stunden Tag). Zudem wurde die Haftung des Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden der Klägerin aus der Behandlung vom 11. 3. 2020 rechtskräftig festgestellt.
[3] Nach Einbringung der gegenständlichen Klage leistete die Haftpflichtversicherung des Beklagten am 6. 11. 2023 einen weiteren als Schmerzengeld gewidmeten Betrag von 75.000 EUR an die Klägerin.
[4] Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren der Klägerin auf ergänzendes Schmerzengeld. Ihr Behandlungsverlauf nach dem 2. 12. 2021 gestaltete sich wie folgt:
[5] Im Rahmen eines von 1. 3. 2022 bis 14. 5. 2022 dauernden stationären Aufenthalts im Universitätsklinikum Graz erfolgten insgesamt 20 Operationen mit dem Ziel der Rekonstruktion der vorderen Bauchwand der Klägerin (durch Transferierung einer Muskelhaut Kombinationslappenplastik vom rechten Oberschenkel nach Entfernung der Spalthauttransplantate vom Gekröse und unter Einbringung eines Kunstnetzes zur Unter-/Abstützung des Gewichts des Gekröses). Da es zum teilweisen Absterben der Lappenplastik kam, mussten auf das Gekröse erneut Spalthauttransplantate direkt auf das Kunstnetz und die übriggebliebenen Lappenanteile gelegt werden.
[6] Aufgrund der medizinisch unbefriedigenden Lokalsituation der vorderen Bauchwand mit freiliegenden Netzanteilen, Fisteln und Wundheilungsstörungen wurde eine erneute operative Revision notwendig. I m Rahmen eines stationären Aufenthalts im Universitätsklinikum Graz von 28. 2. 2023 bis 17. 3. 2023 wurden zwei Operationen durchgeführt. Dabei erfolgte eine Bauchwandrekonstruktion mit Resektion der oberflächigen Netzanteile, Abtragung von Spalthautarealen sowie die Anlage eines VAC R Systems sowie einer Transplantation des linken Musculus latissimus dorsi mit querer Hautmonitorinsel und die Bedeckung der Muskellappenplastik mittels Spalthaut.
[7] Im Rahmen eines dritten stationären Aufenthalts im Universitätsklinikum Graz von 16. 11. 2023 bis 22. 11. 2023 erfolgte eine Operation, bei der die Hautmonitorinsel der freien Lappenplastik entfernt und mit Spalthaut bedeckt wurde. Die Spalthaut wurde vom linken Oberschenkel entnommen; sie diente zur Bedeckung des Defekts nach Resektion der Hautmonitorinsel.
[8] Insgesamt musste sich die Klägerin seit 3. 12. 2021 im Rahmen der drei stationären Aufenthalte 23 Folgeoperationen in Vollnarkose unterziehen, bei denen versucht wurde , die vordere Bauchdecke wiederherzustellen.
Zum nunmehrigen Zustand der Klägerin:
[9] Vom Rippenboden bis in beide Leistenregionen zeichnet sich ihre vordere Bauchwand durch Anteile einer freien Musculus latissimus dorsi-Lappenplastik, Anteilen einer gestielten kombinierten ALT /TFL-Vastus lateralis Lappenplastik und Anteilen von Spalthauttransplantaten aus. Der Nabel der Klägerin fehlt gänzlich. Sie hat eine S förmige geschwungene, stark hypertrophe Narbe, die bis in die Region des Processus xiphoideus des Sternums reicht. Teilweise können bei der Klägerin aufgrund der Darmperistaltik und begünstigt durch die Dünne ihrer Bauchdecke im Stehen Gekrösebewegungen sichtbar gemacht werden. Am Rücken fällt eine L förmige Narbe links nach Entnahme einer Musculus latissimus dorsi-Lappenplastik mit einer Gesamtlänge von 33 cm auf. Die Narbe ist leicht hypertroph und verbreitert. Demzufolge ist der Muskelbesatz am Rücken nicht symmetrisch. Bei der Retroversion der linken oberen Extremität leidet die Klägerin bedingt durch die Entnahme des Musculus latissimus dorsi links zur Verwendung als freies Muskeltransplantat an einem deutlichen Kraftdefizit gegenüber rechts. Am rechten Oberschenkel streckseitig zeigt sich eine, sich über nahezu die gesamte Länge des Oberschenkels erstreckende, 36 cm lange, leicht hypertroph verheilte Narbe nach Entnahme einer kombinierten ALT /TFL Vastus lateralis Lappenplastik. Das restliche Integument des Oberschenkels rechts als auch links ist gekennzeichnet von diversen Spalthautentnahmestellen. Der Muskelbesatz ist am rechten Oberschenkel schwächer als am linken ausgebildet. Die Klägerin leidet – bedingt durch das Streckdefizit der rechten unteren Extremität – an einem leicht eingeschränkten Gangbild. Beim Sitzen hat die Klägerin ein Streckdefizit von 50° am rechten Kniegelenk. Die Beweglichkeit in beiden Hüftgelenken ist in allen Bewegungsachsen schmerzbedingt reduziert.
[10] Der Allgemeinzustand der Klägerin ist aufgrund des nahezu vollständigen Fehlens ihrer vorderen Bauchwand deutlich reduziert. Das Ziel der Stabilisierung und funktionellen Rekonstruktion der Bauchdecke konnte – trotz der insgesamt 39 Operationen – nicht erreicht werden. Die vordere Bauchwand verbleibt in ihrer Funktion nach wie vor beinahe vollständig eingeschränkt, was für die Klägerin mit einer Beeinträchtigung in nahezu all ihren Alltagstätigkeiten verbunden ist. Im Stehen vermag die Bauchdeckenrekonstruktion die Last des Gekröses ohne Bauchbinde nicht zu halten, ohne Bauchbinde käme es aufgrund der Insuffizienz der rekonstruierten vorderen Bauchwand zu einem vollständigen Prolaps des Gekröses. Aus diesem Grund muss die Klägerin ein Bauchmieder dauerhaft über 24 Stunden, 7 Tage die Woche tragen, dies auch künftig bis an ihr Lebensende. Sie leidet unter ständigen Druckschmerzen im Bauchraum, die sowohl durch das eingesetzte Netz von innen als auch von außen durch das Mieder, das sie rund um die Uhr tragen muss, hervorgerufen werden. Gegen diese tiefen, viszeralen Schmerzen zeigen Schmerzmittel in ihrem Zustand keine Wirkung. Beim Entfernen des Bauchmieders ist die Klägerin gezwungen, sich den Inhalt des Bauchraums mit beiden Händen zu halten, weil die durch multiple Operationen rekonstruierte vordere Bauchdecke den Inhalt des Bauchraums nicht mehr suffizient zu stützen vermag. Das Fehlen einer funktionstüchtigen Bauchdecke beeinträchtigt sie nicht nur im Stehen, sondern infolge schmerzhaften Lagewechsels auch beim Liegen und beim Sitzen. Die Klägerin ist nicht imstande, sich durch Aktivieren der Bauchpresse aufzusetzen. Da sie die Bauchpresse auch im Sitzen nicht aktivieren kann, kommt es zu Problemen und Beeinträchtigungen bei alltäglichen Tätigkeiten, unter anderem auch beim Stuhlgang. Die Vielzahl der Operationen in Vollnarkose belastete ihren Gesamtorganismus in psychischer (depressive Verstimmung, Antriebslosigkeit und rasche Erschöpfbarkeit) und physischer Hinsicht deutlich und führte zu einer Reduktion ihrer kognitiven Fähigkeiten. Die Klägerin befindet sich seit dem Eingriff durch den Beklagten regelmäßig in psychologischer Therapie und nimmt täglich Psychopharmaka ein.
[11] Die Beschwerden und sämtliche Ursachen für das Bestehenbleiben der Beschwerden der Klägerin sind auf den Eingriff des Beklagten und das dadurch bedingte nahezu vollständige Fehlen einer funktionstüchtigen vorderen Bauchwand zurückzuführen. Es liegt ein Dauerzustand vor; mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird sich kein weiterer Heilverlauf ohne erneute operative Interventionen einstellen. Aufgrund der bereits erfolgten zahlreichen rekonstruktiven Eingriffe sind die noch zur Verfügung stehenden medizinisch/technischen Möglichkeiten deutlich beschränkt. Die verbleibende Möglichkeit der Rekonstruktion mit einem Rückenmuskel im Sinne einer freien funktionellen Transplantation ist mit einem sehr hohen Risiko (Lebensgefahr) verbunden. Es ist nicht feststellbar, dass weitere rekonstruktive Eingriffe durchgeführt werden. Insgesamt wird sich daher bei der Klägerin kein weiterer Heilverlauf im Sinne einer Verbesserung einstellen.
[12] Die Klägerin erlitt von 3. 12. 2022 (richtig: 3. 12. 202 1 ) bis zum Schluss der Verhandlung am 30. 1. 2025 komprimiert auf einen 24 Stunden Tag 1.055 Tage mittelstarke und 95 Tage starke Schmerzen. Sie wird – beim günstigsten normalen Heilungsverlauf – auch künftig bis an ihr Lebensende an mindestens 18 Stunden mittelstarken Schmerzen pro Tag leiden. Die Schmerzen sind für sie im Liegen am besten zu ertragen, beim Aufstehen oder Sitzen werden sie verstärkt. Da die Klägerin auch in der Nacht (insbesondere beim Lagewechsel) Schmerzen verspürt, leidet sie an Ein- und Durchschlafstörungen. Sie wacht mehrmals pro Nacht auf und kann anschließend längere Zeit nicht mehr einschlafen.
[13] Vor dem Eingriff des Beklagten arbeitete die damals schon geschiedene Klägerin in einer Bank , welcher Tätigkeit sie nicht mehr nachgehen kann. Sie befindet sich seit 1. 2. 2024 in Berufsunfähigkeitspension. Die Klägerin, die seit ihrer Kindheit immer gerne geritten ist, ritt vor dem Eingriff des Beklagten im Durchschnitt einmal pro Woche. Zudem übte sie sporadisch andere sportliche Aktivitäten, wie etwa Schifahren im Winter und Laufen, aus. Im Sommer fuhr sie viele Strecken mit ihrem Fahrrad. Sportliche Aktivitäten kann sie aufgrund der Folgen des Eingriffs des Beklagten nicht mehr ausüben. Der Klägerin war ihr äußeres Erscheinungsbild immer sehr wichtig. Aufgrund ihres jetzigen Erscheinungsbilds fällt es ihr schwer, jemanden kennenzulernen. Sie verbringt ihren Alltag hauptsächlich zuhause.
[14] Die Klägerin begehrte ein ergänzendes Schmerzengeld von zuletzt 325.000 EUR sA im Sinne einer Globalbemessung. Im Vorprozess sei ihr Gesundheitszustand und der Heilungsverlauf nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung am 2. 12. 2021 nicht vorhersehbar gewesen. Sie sei nunmehr „austherapiert“. Insgesamt sei ein Schmerzengeld vom 470.000 EUR angemessen, abzüglich der bisherigen Zahlungen von 145.000 EUR sohin noch restliche 325.000 EUR. Seit ihrer Entlassung aus dem letzten stationären Aufenthalt am 17. 3. 2023 sei sie massiv eingeschränkt, weil das eingesetzte „fixe Netz“ gegen ihre inneren Organe drücke und sie täglich Schmerzen habe. Sie sei den Rest ihres Lebens von Dritthilfe abhängig. Selbst einfache Lebenssituationen, wie zB der Stuhlgang, bereiteten ihr Probleme. Sie sei gesundheitlich eingeschränkt und massiv psychisch belastet, weil sie ihr früheres selbstbestimmtes, aktives und erfolgreiches Leben nicht mehr führen und ihren Beruf sowie ihre Hobbys nie mehr ausüben könne. Sie sei in psychotherapeutischer Behandlung, die aufgrund einer Depression notwendig sei.
[15] Der Beklagte wendete ein , der Klägerin stehe im Hinblick auf die in ähnlichen Fällen zugesprochenen Beträge ein weiteres (über 145.000 EUR hinausgehendes) Schmerzengeld nicht zu. Die Schmerzperioden seien lediglich Orientierungshilfe für die Bemessung. Die Höhe des Schmerzengeldes habe sich primär an objektiv feststellbaren Kriterien, wie Verletzungsschwere und art, zu orientieren.
[16] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 125.000 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Der weitere Schmerzverlauf und Leidenszustand der Klägerin sei nunmehr zufolge der Erfolglosigkeit der funktionellen Rekonstruktion der Bauchdecke im Sinne eines Dauerzustands und mangels einer zu erwartenden Verbesserung ihres Zustands nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge prognostizierbar, weshalb eine Globalbemessung des Schmerzengeldes möglich sei. Unter Berücksichtigung der von ihm näher dargestellten Vergleichsjudikatur erachtete das Erstgericht, ausgehend von den festgestellten Beschwerden, Beeinträchtigungen, Schmerzperioden und Dauerfolgen unter Einrechnung einer psychischen Alteration der Klägerin, ein Schmerzengeld im Sinne einer abschließenden Globalbemessung von insgesamt 270.000 EUR für angemessen. Nach Abzug der bisherigen Zahlungen an die Klägerin von insgesamt 145.000 EUR stehe ihr daher noch ein restliches Schmerzengeld von 125.000 EUR zu.
[17] Das von der Klägerin gegen den klagsabweisenden Teil und vom Beklagten gegen den 55.000 EUR sA übersteigenden Zuspruch angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Bemessung des Schmerzengeldes habe nicht nach starren Regeln, etwa nach Tagessätzen oder Schmerzperioden, zu erfolgen. Es sei unter Bedachtnahme auf Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands zu bemessen. Das Erstgericht habe diese Kriterien bei der Bemessung des Schmerzengeldes mit insgesamt 270.000 EUR beachtet. Es habe bei der Bemessung des Schmerzengeldes mitberücksichtigt, dass die Klägerin auch zukünftig an massiven Schmerzen leiden werde und aufgrund des gravierenden Einschnitts in ihr Leben psychisch alteriert sei. Im Vergleich mit den bislang von der Rechtsprechung zuerkannten Schmerzengeldbeträgen und unter Bedachtnahme auf die Gesamtauswirkung der Gesundheitsschädigung auf das Leben der Klägerin habe das Erstgericht das Schmerzengeld angemessen ausgemittelt.
[18] Die lediglich gegen die Abweisung eines Schmerzengeldbetrags von 70.000 EUR gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig , weil die Beurteilung des Berufungsgerichts einer Korrektur bedarf; sie ist auch teilweise berechtigt .
[19] 1. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist das Schmerzengeld unter Bedachtnahme auf Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands zu bemessen (vgl RS0031040). Es soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für alles Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat, und den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen und sonstigen Beeinträchtigungen, auch so weit dies für die Zukunft beurteilt werden kann, erfassen (RS0031307). Unter diesem Gesichtspunkt sind etwa auch Sorgen des Verletzten um spätere Komplikationen oder das Bewusstsein eines die gewohnte Lebensgestaltung nachhaltig beeinflussenden Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung zu berücksichtigen (vgl 1 Ob 31/20w ErwGr II.1.; RS0031307 [T18]) sowie alle Beeinträchtigungen, die nach Art der Dauerfolgen den Geschädigten an der Teilnahme an jenen Lebensfreuden hindern, die er vor dem Unfall genießen konnte und genossen hat (2 Ob 117/22b ErwGr 3.; RS0031054). Wenngleich bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen ist, ist doch zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit ein objektiver Maßstab anzulegen, in dem der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt wird (RS0031075). Tendenziell ist es geboten, das Schmerzengeld nicht zu knapp zu bemessen (2 Ob 117/22b ErwGr 2.; RS0031075 [T4, T10]; RS0031040 [T5]), wobei allein aufgrund der inflationsbedingten Geldentwertung die Zuerkennung von im Vergleich zu früheren Schmerzengeldzusprüchen höheren Beträgen gerechtfertigt ist (vgl RS0031075 [T10]).
[20] 2. Die Klägerin zeigt in ihrer Revision zutreffend auf, dass das von den Vorinstanzen mit 270.000 EUR bemessene globale Schmerzengeld unter Berücksichtigung sämtlicher physischer und psychischer Folgen im Hinblick auf die dargestellten allgemeinen Bemessungskriterien zu niedrig ausgemittelt wurde.
[21] 2.1. Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst darauf hingewiesen, dass der der Entscheidung 5 Ob 202/20x zugrunde liegende Sachverhalt, in der ein Schmerzengeldbetrag von 320.000 EUR (valorisiert auf den Schluss der Verhandlung im vorliegenden Verfahren rund 400.000 EUR) gebilligt wurde, mit dem vorliegenden nicht vergleichbar ist. Denn der dortige (vorher sehr sportliche und aktive) querschnittsgelähmte bis an sein Lebensende nur mit einem Rollstuhl fortbewegungsfähige Kläger litt zusätzlich zur totalen Funktionslosigkeit in den subläsionalen Körperbereichen und Bewegungsunfähigkeit aller vier Extremitäten an einer Blasen- und Mastdarmfunktionsstörung mit Katheterisierung, weitgehender Lähmung der Atemmuskulatur mit deutlich erschwerter Atmung sowie leicht- bis mittelgradigen depressiven Episoden sowie immer wieder Schmerzen im Nackenbereich und Spasmen.
[22] 2.2. Das Berufungsgericht hat der Klägerin ohnehin ein höheres Schmerzengeld als der Verletzten in der Entscheidung 1 Ob 31/20w (180.000 EUR [valorisiert per Jänner 2025: rund 230.000 EUR]), zugebilligt. Jene betroffene Frau litt an einer gravierenden Mobilitätsbeeinträchtigung (multifaktorielles Immobilitätssyndrom mit beinahe völliger Immobilität), die ihre absolute Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit in allen Verrichtungen des täglichen Lebens zur Folge hatte. Sie hatte aufgrund des schädigenden Ereignisses massive, nicht beherrschbare Schmerzen (auch aufgrund diverser erforderlicher Operationen und Komplikationen) zu erleiden und auch in Zukunft – bis an ihr Lebensende – Schmerzen zu ertragen. Zudem wurde sie auch psychisch stark beeinträchtigt.
[23] Zwar lag eine völlige Immobilität der Frau und damit eine absolute Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit in allen Verrichtungen des täglichen Lebens vor. Dies ist hier bei der Klägerin nicht der Fall, auch wenn sie aufgrund ihrer insuffizienten, kaum vorhandenen Bauchdecke bei nahezu allen Alltagstätigkeiten erheblich beeinträchtigt ist. Allerdings bestanden im Verfahren 1 Ob 31/20w erhebliche, die Mobilität der dortigen Verletzten einschränkende Vorerkrankungen, sodass sie bereits vor dem schädigenden Ereignis auf den dauernden Gebrauch eines Rollstuhls angewiesen war und an einer Depression litt. Auch ihre aus dem Vorfall resultieren (komprimiert) rund 45 Tage starken, 593 Tage mittleren und 480 Tage leichten Schmerzen, die auch die künftig zu erwartenden Schmerzen abdeckten, waren mit jenen der Klägerin im vorliegenden Fall bei weitem nicht vergleichbar.
[24] 2.3. In der Entscheidung 7 Ob 281/02b wurde dem dortigen – hinsichtlich der Kopf- und Rumpfbeweglichkeit bereits zuvor deutlich eingeschränkten – 65 jährigen Verletzten ein Schmerzengeld von 150.000 EUR (valorisiert per Jänner 2025: rund 260.000 EUR) zugesprochen, der eine Querschnittslähmung mit völliger Lähmung der Beine und weitgehender Lähmung der oberen Gliedmaßen erlitt und dadurch rund um die Uhr der Pflege und Aufsicht bedurfte. Er litt an starken, sehr schmerzhaften Muskelkrämpfen, die auch spontan auftraten.
[25] Wie bereits dargelegt (Punkt 2.2.), liegt hier zwar eine vergleichbare Mobilitätsbeeinträchtigung der Klägerin nicht vor. Allerdings hatte die um 14 Jahre jüngere Klägerin auch im Vergleich mit diesem Verletzten deutlich massivere Schmerzen (auch aufgrund zahlreicher erforderlicher Operationen und Komplikationen) zu erleiden und wird solche auch in Zukunft dauerhaft zu ertragen haben. Es kam zu einer erheblichen Verunstaltung der Klägerin, die auch psychisch und in ihrer bisherigen Lebensführung stark beeinträchtigt wurde. Bereits allein aufgrund der im vorliegenden Fall seit dem Schluss der Verhandlung des Vorprozesses bis zu Schluss der Verhandlung erster Instanz im gegenständlichen Prozess festgestellten Schmerzperioden (95 Tage starke, 1.055 Tage mittelstarke Schmerzen) könnte sich ein Schmerzengeld im Bereich des vom Berufungsgericht zugesprochenen Gesamtbetrags ergeben. Dazu kommen noch die bis zum Schluss der Verhandlung des Vorprozesses erlittenen Schmerzen und die festgestellten zumindest 18 Stunden mittelstarke Schmerzen pro Tag, die die Klägerin künftig bis an ihr Lebensende zu erleiden haben wird und gegen die Schmerzmittel keine Wirkung zeigen. Wenngleich sich das Schmerzengeld nicht nach starren Regeln aus Schmerzperioden errechnen lässt (vgl RS0125618 [T4]), können Schmerzperioden doch zumindest zur Orientierung als Bemessungshilfe herangezogen werden (2 Ob 83/24f ErwGr 4.1.; 1 Ob 31/20w ErwGr 4.; RS0125618 [T2]).
[26] 2.4. Unter Berücksichtigung sämtlicher festgestellter Auswirkungen ist daher insgesamt ein Schmerzengeld von 320.000 EUR angemessen. Zieht man davon die bereits geleisteten Zahlungen von 145.000 EUR sowie den im ersten Rechtsgang erfolgten Zuspruch von 125.000 EUR ab, ergibt sich ein weiteres zustehendes Schmerzengeld von 50.000 EUR.
[27] 3. Die Revision hat daher teilweise Erfolg. Die Urteile der Vorinstanzen sind spruchgemäß abzuändern, ohne dass auf das weder in erster Instanz noch im Rechtsmittelverfahren substanziert bestrittene Zinsenbegehren einzugehen war.
[28] 4. Aufgrund der abändernden Entscheidung war auch die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens neu zu treffen, die auf § 43 Abs 2 ZPO beruht. Unter Berücksichtigung des Verhältnisses des Gesamtschmerzengeldbegehrens der Klägerin (einschließlich Vorprozess und Teilzahlung) von 470.000 EUR zum als angemessen erachteten Betrag von 320.000 EUR liegt eine Überklagung nicht vor (vgl 2 Ob 242/09s; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.161 ff). Sowohl Pauschalgebühr als auch die Kosten der anwaltlichen Vertretung waren auf Basis des jeweils ersiegten Betrags zu honorieren (vgl 2 Ob 242/09s; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.159).
[29] Im Rechtsmittelverfahren hat die Klägerin mit ihrer Berufung zu 25 % obsiegt. Sie hat daher gemäß §§ 43 Abs 1, 50 ZPO Anspruch auf Ersatz von 25 % der Pauschalgebühr, hat aber dem Beklagten 50 % der Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen. Der Beklagte ist mit seiner Berufung zur Gänze unterlegen und hat daher der Klägerin die Kosten ihrer Berufungsbeantwortung zu ersetzen (§§ 41 Abs 1, 50 ZPO). Im Revisionsverfahren beträgt die Obsiegensquote der Klägerin 71 % (§§ 43 Abs 1, 50 ZPO). Der Honoraransatz nach TP 3C RATG beträgt bei einer Bemessungsgrundlage von 70.000 EUR lediglich 1.515,10 EUR. Nach Saldierung verbleibt der der Klägerin zugesprochene Betrag.
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