Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 9. Oktober 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Malesich als weitere Richterin sowie die Rechtsanwälte Dr. Danler und Dr. Karisch als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen Disziplinarvergehen nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt über die Beschwerde des Kammeranwalts gegen den Beschluss des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer vom 3. Februar 2025, GZ D 53/24 13, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Beschluss stellte der Disziplinarrat der * Rechtsanwaltskammer fest, dass kein Anlass zur weiteren Disziplinarbehandlung von Rechtsanwalt * wegen des Vorwurfs bestehe, er habe als Vertreter des * U* für ein Aufforderungsschreiben samt Unterlassungserklärung im Zusammenhang mit einer Besitzstörung „krass“ überhöhte Kosten verzeichnet, insbesondere indem er für das Aufforderungsschreiben einen falschen Tarifansatz nach TP 3A heranzog.
[2] Inhaltlich der Einstellungsentscheidung übermittelte der Disziplinarbeschuldigte in Vertretung seines Mandanten * U* in einer Besitzstörungsangelegenheit ein an den späteren Anzeiger gerichtetes Aufforderungsschreiben samt angeschlossener Unterlassungserklärung. Dabei veranschlagte er an Kosten für die Konferenz mit seinem Mandanten 63 Euro, für den Antrag auf Halterauskunft 28,42 Euro, für das Aufforderungsschreiben 124,08 Euro und für die Unterlassungserklärung 83,76 Euro sowie weiters Barauslagen für die Auskunft aus der Zulassungskartei von 15,30 Euro und für Porto bzw Einschreibegebühr 4,70 Euro, insgesamt daher 319,26 Euro.
[3] Bei Würdigung dieses Sachverhalts gelangte der Disziplinarrat zur Überzeugung, dass für die Konferenz mit dem Mandanten 63 Euro, für den Antrag auf Halterauskunft 17,76 Euro, für das (klagsähnlich aufgebaute und daher nach TP 3A abrechenbare) Aufforderungsschreiben 166,92 Euro (wobei diesfalls aber für die Unterlassungserklärung kein Ersatz gebührt) sowie weiters Barauslagen, und zwar für die Auskunft aus der Zulassungskartei in Höhe von 15,30 Euro sowie für Porto bzw Einschreibegebühr in Höhe von 4,70 Euro und daher insgesamt 267,68 Euro als angemessen anzusehen gewesen wären.
[4] Die hier aktuelle – vorrangig in einer zusätzlichen Verrechnung der Unterlassungserklärung neben dem (aktuell nach „MAKKL3“) verzeichneten Aufforderungsschreiben gelegene – Kostenüberschreitung sei mit rund 19 % des zustehenden Kostenanspruchs weder „krass überhöht“ noch schuldhaft geschehen (BS 5), weil sich der Beschuldigte bei Auswahl des herangezogenen Kostenansatzes für das Aufforderungsschreiben an einem Schriftsatzmuster der WEKA-Mustersammlung sowie am Advokat-Programm orientiert und dann den gegenüber TP 3A geringeren Ansatz nach „MAKKL3“ gewählt habe (BS 3; vgl RIS Justiz RS0055146).
[5] Die dagegen gerichtete, die Fassung eines Einleitungsbeschlusses anstrebende Beschwerde des Kammeranwalts schlägt fehl:
[6] Ein Beschluss des Inhalts, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung vorliegt (Einstellungsbeschluss), darf vom Disziplinarrat gefasst werden, wenn kein Verdacht eines ein Disziplinarvergehen begründenden Verhaltens des angezeigten Rechtsanwalts vorliegt (RIS-Justiz RS0056969, RS0057005; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/ Rohregger/Vitek , RAO 11 § 28 DSt Rz 9).
[7] Vom – eine Verfahrenseinstellung rechtfertigenden – Fehlen eines solchen Verdachts ist (im Lichte des § 212 Z 2 StPO [§ 77 Abs 3 DSt]) auszugehen, wenn das Tatsachensubstrat Grund zur Annahme bietet, dass seine Dringlichkeit und sein Gewicht nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Beschuldigten auch nur für möglich zu halten, und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist.
[8] Diese Beurteilung ist Sache der Beweiswürdigung des Senats gemäß § 28 DSt, während dem erkennenden Senat (§ 30 DSt) die (in mündlicher Verhandlung erfolgende) Prüfung vorbehalten bleibt, ob sich der Verdacht zum Schuldbeweis verdichtet hat (RIS Justiz RS0056973 [T5]).
[9] Soweit die Beschwerde des Kammeranwalts einwendet, das vom Beschuldigten übermittelte Aufforderungsschreiben sei weder nach „TP 3A“ noch nach „MAKKL3“, sondern (bloß) nach TP 6 (mit 18,40 Euro netto) zu vergüten, woraus sich eine Kostenüberschreitung um das 2,5 Fache gegenüber einer angemessenen Verrechnung ableiten lasse, übergeht sie jene Erwägung des Disziplinarrats, wonach – soweit für das Aufforderungsschreiben lediglich der Ansatz nach TP 6 gewählt würde – zusätzliche Kosten für die Unterlassungserklärung in Ansatz gebracht werden könnten (BS 5).
[10] Damit misslingt die gebotene Darlegung, weshalb die vorliegende Honorarforderung in einem Maße ( Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 11 § 1 DSt Rz 22 f mwN; RIS Justiz RS0055114, RS0055112) überhöht sein sollte, um – zumindest fahrlässiges Verhalten vorausgesetzt (RIS Justiz RS0055146) – ein disziplinäres Fehlverhalten begründen zu können.
[11] Einwände der Art, der laufende Einsatz „standardisierter Abmahnbriefe“ gegenüber einer „hohen Anzahl an Prozessgegnern“ erfordere die Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung, sowie der Hinweis auf diverse (der Beschwerdeschrift angeschlossene) Medienberichte (über seitens der Betroffenen als unberechtigt empfundene Aufforderungsschreiben) sind für sich nicht geeignet, die Verdachtslage in Richtung eines beträchtlich (
[12] Wäre im Übrigen anstelle der außergerichtlichen Abmahnung Besitzstörungsklage (Honorierung nach RATG TP 3A zzgl 60 % ES und Barauslagenersatz für die Halterauskunft) eingebracht und vom Bezirksgericht eine Streitverhandlung (Honorierung nach RATG TP 2 zzgl 60 % ES bei einem Versäumungsendbeschluss oder Anerkenntnis) anberaumt worden, wären – die Stattgebung des Klagebegehrens vorausgesetzt – Anwaltskosten mit Halterauskunft in Höhe von 416,39 Euro (darin nicht enthalten Pauschalgebühr und ERV-Beitrag) anerlaufen, die somit deutlich über den vom Beschuldigten außergerichtlich verzeichneten Kosten gelegen wären.
[13] Der Beschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Folge zu geben.
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