Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Strafsache gegen * W* wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung des Privatbeteiligten * H* gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 23. Oktober 2024, GZ 48 Hv 14/24g 93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * W* des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB (I) sowie der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 (Abs 5 Z 3 und 4) iVm § 161 Abs 1 StGB (II/A) und nach § 159 Abs 2 (Abs 5 Z 3 und 4), Abs 4 Z 2 iVm § 161 Abs 1 StGB (II/B) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in B* als im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführer der C* GmbH, somit als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB)
I/ Bestandteile des Vermögens der C* GmbH beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubiger dieser Gesellschaft oder wenigstens eines von ihnen, nämlich unter anderem der Ö*, der K* GmbH und des Finanzamts B* vereitelt oder geschmälert, indem er
A/ 2018 und 2019 zuvor vom Bankkonto der Gesellschaft behobene 38.441,35 Euro ohne betriebliche Veranlassung an sich nahm, für sich behielt und sich solcherart persönlich zueignete;
B/ 2017 und 2018 insgesamt 134.276,49 Euro ohne betriebliche Verwendung dem Gesellschaftsvermögen entnahm;
C/ 2018 und 2019 insgesamt 33.483,31 Euro ohne betriebliche Verwendung dem Gesellschaftsvermögen entnahm und Dr. * S* auszahlte oder es unterließ, Beträge von diesem zurückzufordern;
II/ dadurch, dass er entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens (zusätzlich zu den zu Punkt I/ genannten Handlungen) übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen oder der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der C* GmbH, die seit ihrer Gründung durchgehend negative Jahresergebnisse erzielte, in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb, indem er generell die getätigten Aufwendungen (etwa für Mieten) nicht den Erträgen der Gesellschaft anpasste und Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen so führte oder führen ließ, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage dieser Gesellschaft erheblich erschwert wurde und sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die ihm einen solchen Überblick hätten verschaffen können, unterließ, indem er die laufenden Geschäftsfälle und Transaktionen der Gesellschaft nicht erfasste und nicht in den Geschäftsbüchern abbildete, mithin kridaträchtig handelte, grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB)
A/ vom 30. September bis zum 31. Dezember 2018 die Zahlungsunfähigkeit der C* GmbH herbeigeführt;
B/ vom 1. Jänner 2019 bis zum 14. September 2020 zumindest in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der C* GmbH die Befriedigung wenigstens eines ihrer Gläubiger, nämlich unter anderem der Ö*, der K* GmbH und des Finanzamts B* vereitelt oder geschmälert, wobei er durch die Tat einen 1.000.000 Euro übersteigenden zusätzlichen Befriedigungsausfall seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen bewirkte.
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
[4] Nominell im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) moniert der Beschwerdeführer, die Tatrichter hätten dessen „Ausführungen“ zu den Ursachen der schlechten wirtschaftlichen Lage der C* GmbH nicht „ins Kalkül gezogen“ (der Sache nach Z 5 zweiter Fall). Da das Erstgericht jedoch die Verantwortung des Beschwerdeführers mängelfrei als nicht glaubhaft verwarf (US 13), war es nicht verhalten, sich im Detail mit seiner Aussage auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0098642 T1).
[5] Verfahrensergebnisse, welche die Tatrichter im Übrigen „außer Acht“ gelassen hätten, werden nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (vgl aber RIS Justiz RS0118316 T5).
[6] Weshalb sich das Erstgericht „mit der Frage auseinandersetzen“ hätte müssen, „ob sich der Vorsatz bzw. der bedingte Vorsatz des Angeklagten“ auf Tatbildelemente des Betrugs bezog, macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit Blick auf die nach dem Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) begründeten strafbaren Handlungen nicht klar.
[7] Die weitere Kritik der Rechtsrüge (Z 9 lit a), der Schuldspruch zu Punkt I/ finde keine ausreichende Feststellungsgrundlage, lässt die gebotene Bezugnahme auf den Urteilssachverhalt (US 7 f) vermissen (RIS Justiz RS0099810).
[8] Stattdessen bekämpft der Großteil des zu diesem Nichtigkeitsgrund erstatteten Vorbringens – etwa auch mit dem Verweis auf den strafprozessualen Zweifelsgrundsatz (vgl § 14 StPO; RIS Justiz RS0099756) – die tatrichterlichen Urteilsannahmen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
[9] Die nicht näher konkretisierte Behauptung, die Konstatierungen seien „unvollständig und jedenfalls mangelhaft“, entspricht den Anforderungen gesetzmäßiger Ausführung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes ebenso wenig (RIS Justiz RS0099620). Weshalb der Verbleib der nach dem Urteilssachverhalt unmissverständlich für betriebsfremde Zwecke entnommenen und dem Haftungsfonds der Gläubiger entzogenen Vermögensbestandteile (US 7) für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung sei, legt die weitere Rüge nicht dar. Die diesbezüglich getroffene Negativfeststellung (US 7 und 17) steht demnach keineswegs im Widerspruch (der Sache nach Z 5 dritter Fall) zum entscheidungswesentlichen Urteilssachverhalt.
[10]
[11] Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde den Privatbeteiligtenzuspruch (nominell teils aus Z 9 lit a, teils aus Z 11) bekämpft, verfehlt sie von vornherein den (in Schuld- und Strafausspruch gelegenen) gesetzlichen Bezugspunkt (vgl § 283 Abs 1 StPO).
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – insoweit in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[13] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
[14] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
[15] Zu einer amtswegigen Maßnahme (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) in Bezug auf die Punkte II/A/ und B/ des Schuldspruchs sah sich der Oberste Gerichtshof – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – aus folgenden Gründen nicht veranlasst:
[16] Das mit Hilfe der verba legalia konstatierte Treiben übermäßigen, mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der C* GmbH in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwands (§ 159 Abs 5 Z 3 StGB) konkretisierte das Erstgericht durch Feststellungen zur (negativen) wirtschaftlichen Situation dieser Gesellschaft in den Jahren 2017 bis 2019, die Aussage, der Angeklagte habe „die getätigten Aufwendungen den erzielten Erträgen der Gesellschaft nicht“ angepasst, sowie durch beispielsweise Anführung von (beträchtlichen) Mietaufwendungen, die sich bis zum Ende der Geschäftstätigkeit dieser Gesellschaft bei fortschreitend negativer Entwicklung der Ertragslage „fast verdoppelt“ hätten (US 8 f). Kausalität auch dieser Verhaltensweise (vgl RIS Justiz RS0118309 [wonach Mitursächlichkeit genügt]) für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und den danach bewirkten weiteren Befriedigungsausfall der Gläubiger haben die Tatrichter ausdrücklich bejaht (US 12 zweiter Satz). Schon dadurch wurde ein ausreichender Sachverhaltsbezug (vgl RIS Justiz RS0119090) für die Annahme solcherart kridaträchtigen Handelns hergestellt. Nähere Ausführungen zu den „Hintergründen“ dieser Mietaufwendungen sind dafür nicht erforderlich.
[17] Von der Generalprokuratur vermisste Feststellungen dazu, dass das ebenfalls konstatierte kridaträchtige Handeln im Sinn des § 159 Abs 5 Z 4 StGB zu einer Vermögensdisposition geführt habe, die ihrerseits kausal für den tatbildlichen Erfolg gewesen sei (vgl 13 Os 61/23d; Flora in Leukauf/Steininger, StGB 5 § 159 Rz 22), finden sich in den (oben zitierten) Ausführungen zu den Aufwendungen der Gesellschaft, die bei gebotener vernetzter Betrachtungsweise (vgl RIS Justiz RS0099810) gerade dadurch ermöglicht wurden, dass der Angeklagte „geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen“ unterlassen habe, infolge Unzulänglichkeit der Geschäftsbücher und geschäftlichen Aufzeichnungen die Tätigkeit des mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Dr. S* mangels Erfassung der „laufenden Geschäftsfälle und Transaktionen“ nicht habe überwachen können (US 10) und über die Höhe der Barbehebungen „vom Konto der Gesellschaft“ nicht einmal annähernd Bescheid gewusst habe (US 21).
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