Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N* Ltd., *, Malta, vertreten durch die Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 41.726 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Juli 2025, GZ 4 R 97/25a 23, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
I. Der Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu C-9/25 und C-440/23 wird abgewiesen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die beklagte Kapitalgesellschaft hat ihren Sitz in Malta. Sie verfügt über keine nationale Glücksspiellizenz in Österreich, bietet aber hier auf einer von ihr betriebenen Website Online-Glücksspiele an. Die Klägerin beteiligte sich an diesen und erlitt im Zeitraum vom 30. 11. 2023 bis 2. 5. 2024 Verluste in Höhe des Klagebetrags.
[2] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte zur Rückzahlung dieses Verlusts.
[3] I. Einer Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorabentscheidungsersuchen zu C-9/25 und C-440/23 bedarf es nicht, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen – soweit sie nicht ohnehin die spezifisch deutsche Situation betreffen – bereits geklärt sind (vgl zuletzt etwa 7 Ob 112/25h [Rz 3 mwN zur Rechtsprechung des EuGH]).
[4] II. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Darlegung einer Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig :
[5] 1. Die behaupteten Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie der Aktenwidrigkeit wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[6] 2. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RS0037874 [T39]). Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend begründet, warum die vorliegende Zahlungsklage einer Spielerin gegen die ohne österreichische Konzession tätige maltesische Online-Glücksspielanbieterin, mit der sie den Ersatz ihrer Spielverluste anstrebt, nicht am Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO scheitert. Dabei vertrat es die Ansicht, im Hinblick auf die Vielzahl der Transaktionen der Klägerin überspannte es das Gebot der Präzisierung des Vorbringens, forderte man für jeden einzelnen der zahlreichen Glücksspielverträge ein gesondertes, detailliertes Vorbringen. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (etwa 7 Ob 112/25h [Rz 7 mwN]).
[7] 3. Soweit die Beklagte meint, die Verweigerung des Rückforderungsanspruchs werde dem Spielerschutz besser gerecht, weil sonst die Möglichkeit eines „risikolosen Spiels“ bestehe, lässt sie die mit dem Glücksspielgesetz verfolgten ordnungspolitischen und fiskalischen Zwecke außer Acht, die eine absolute Nichtigkeit und beiderseitige Rückforderbarkeit erfordern (1 Ob 60/25t [Rz 10 mwN]). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, dass Spieler ihre verlorenen Einsätze aus verbotenen Glücksspielen zurückverlangen können (RS0134152). Dies gilt im Hinblick auf die Zielsetzung des GSpG nach gefestigter Rechtsprechung auch, wenn der Leistende in Kenntnis der Nichtschuld ist und ihm die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt war, sodass das Argument der Revision, die Rückforderung erfolge wider Treu und Glauben, keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO begründet (7 Ob 112/25h [Rz 8 mwN]).
[8] 4. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (wieder 7 Ob 112/25h [Rz 9 mwN]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.
[9] 5. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor. Entgegen der Darstellung der Revision ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH zu C-920/19 kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Der von der Beklagten behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, ist damit nicht zu erkennen. Es besteht somit auch kein Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (wieder 7 Ob 112/25h [Rz 10 mwN]).
Rückverweise
Keine Verweise gefunden