Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely-Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. T*, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Dr. Sabine Danler Brunner, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Juli 2025, GZ 5 R 14/25g-22, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] 1. Aus § 55 Abs 3 EheG ergibt sich, dass selbst die größte Härte für einen Ehegatten nicht zur dauernden Verweigerung der Scheidung führen kann. Somit können auch nach § 55 Abs 2 EheG nur besonders schwerwiegende und über die typischen Scheidungsfolgen hinausgehende Umstände eine Verweigerung des Scheidungsbegehrens rechtfertigen (RS0056971; RS0057346 [T1, T3]). Diese Bestimmung kommt daher nur äußerst selten zum Tragen (RS0056971 [T2]), um in Ausnahmefällen eine Anpassungsfrist zu gewähren, damit der schuldlose Ehegatte nicht plötzlich mit der vollen Härte der Scheidung konfrontiert wird (RS0057375). Den für ihre Anwendung maßgebenden Umständen kommt umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Dauer der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft der Sechsjahresfrist des § 55 Abs 3 EheG nähert (RS0056946 [T1]). Ob ein die Anwendung des § 55 Abs 2 EheG rechtfertigender, besonderer Härtefall vorliegt, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen (RS0056971 [T3]) und begründet daher typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage.
[2] 2. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht den ihm bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall zukommenden Beurteilungsspielraum überschritten hätte:
[3] 2.1. Zu möglichen pensionsrechtlichen Nachteilen wies es darauf hin, dass diese für sich allein keinen Einwand nach § 55 Abs 2 EheG rechtfertigen können, weil es sich dabei um typische Scheidungsfolgen handle (vgl RS0056998). Eine Verschlechterung bei der Anwartschaft auf die Witwenpension könne zwar dann einen besonderen Härtefall begründen, wenn der der Scheidung widersprechende Ehegatte durch die einvernehmliche eheliche Lebensgestaltung gehindert gewesen wäre, eine entsprechende Altersvorsorge zu treffen (RS0057346 [T4]). Warum dies hier der Fall gewesen sein soll, legt die Beklagte, die einer regelmäßigen Beschäftigung nachgeht, aber nicht nachvollziehbar dar.
[4] 2.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auch der drohende Verlust des Unterhaltsanspruchs keine Annahme einer besonderen Härte im Sinn des § 55 Abs 2 EheG rechtfertige, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung, wonach die Frage der Deckung des gesetzlichen Unterhalts nicht in die Interessenabwägung nach dieser Bestimmung einzubeziehen ist, weil der beklagte Ehegatte seinen Unterhaltsanspruch gemäß § 69 Abs 2 EheG im Fall eines – hier erfolgten – Verschuldensausspruchs nach § 61 Abs 3 EheG auch nach der Scheidung auf § 94 ABGB stützen kann (RS0056982). Im vorliegenden Fall schlossen die Parteien zwar einen Ehepakt, in dem sich der Kläger nach der Scheidung nur für ein Jahr zu Unterhaltszahlungen an die Beklagte verpflichtet. Da sie aber die Unwirksamkeit dieses Ehepakts behauptet, wäre aber auch nach ihrem Standpunkt § 69 Abs 2 EheG anzuwenden, sodass ihr nach der Scheidung ein Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB zukäme.
[5] 2.3. Die Beklagte setzt sich nicht mit dem (zutreffenden: RS0056946) Argument auseinander, dass den für die Anwendung des § 55 Abs 2 EheG ins Treffen geführten Umständen hier deshalb kein besonderes Gewicht zukommen könne, weil die häusliche Gemeinschaft seit Dezember 2020 aufgehoben ist und sich die Dauer deren Auflösung mittlerweile der Sechsjahresfrist des § 55 Abs 3 EheG annähere, nach der jede Scheidungsfolge hinzunehmen sei.
[6] 2.4. Mit ihrer Bezugnahme auf ihre „gesundheitliche Situation“ zeigt die Beklagte schon mangels näherer Konkretisierung keine besonders schwerwiegenden Scheidungsfolgen auf. Soweit sie für die Anwendung des § 55 Abs 2 EheG neuerlich das Verschulden des Klägers an der Ehezerrüttung ins Treffen führt, wurde sie bereits vom Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es darauf im Regelfall nicht ankommt (RS0056927).
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