Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* W*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2025, GZ 1 R 52/25f 14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 14. Jänner 2025, GZ 22 C 415/24a 8, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 751,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zwischen der Klägerin als Versicherungsnehmerin und der Beklagten liegen deren Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz Versicherung R911 (ARB 2009) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
„ Artikel 8
Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruches zu beachten? (Obliegenheiten)
1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,
[...]
1.5 bei der Geltendmachung oder Abwehr von zivilrechtlichen Ansprüchen außerdem
[...]
1.5.3 soweit seine Interessen nicht unbillig, insbesondere durch drohende Verjährung beeinträchtigt werden, vor der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen die Rechtskraft eines Strafverfahrens oder eines anderen Verfahrens abzuwarten, das tatsächliche oder rechtliche Bedeutung für den beabsichtigten Rechtsstreit haben kann, oder vorerst nur einen Teil des Anspruchs geltend zu machen und die Geltendmachung der verbleibenden Ansprüche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Teilanspruch zurückzustellen.
[...]
Artikel 9
Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen? [...]
[...]
2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhaltes unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis,
[...]
2.2 dass diese Aussicht auf Erfolg nicht hinreichend, d. h. ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, ist er berechtigt, die Übernahme der an die Gegenseite zu zahlenden Kosten abzulehnen;
2.3 dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.
[...] “
[2] Da die Beklagte in ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[3] 1.1. Die Warteverpflichtung im Sinn des Art 8.1.5.3 ARB 2009 ist eine nach dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheit im Sinn des § 6 Abs 3 VersVG. Sie kann, ebenso wie andere Obliegenheiten, die Fälligkeit der Leistung erst dann berühren, wenn die Ansprüche, für die Rechtsschutzdeckung begehrt wird, mit Klage gerichtlich geltend gemacht werden. Geht es um die Deckung der Kosten erst künftig zu führender gerichtlicher Verfahren, ist daher auf eine Warteobliegenheit nicht schon im Rahmen des Deckungsprozesses, sondern erst dann Bedacht zu nehmen, wenn der Versicherungsnehmer tatsächlich Klage erhebt und dafür Kostendeckung vom Versicherer verlangt ( RS0127365 ; 7 Ob 41/24s).
[4] 1.2. Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin Deckung zur Führung eines Verfahrens gegen den Fahrzeughersteller. Dass das Verfahren gegen den Fahrzeughersteller bereits anhängig wäre, behauptet die Beklagte nicht. Mit ihrer Argumentation, dass die Judikatur, wonach im Deckungsprozess noch nicht auf die Warteobliegenheit Bedacht zu nehmen sei, hier nicht einschlägig sei, weil über den Deckungsanspruch der Klägerin schon rechtskräftig entschieden worden sei, zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der Klägerin wurde nämlich im Vorprozess (lediglich) Deckung für das Verfahren gegen den Motorenhersteller gewährt, nicht jedoch gegen den Fahrzeughersteller. Warum die dargestellte Judikatur in der „vorliegenden Konstellation“, in der der Versicherer „keine Deckungseinwände erhebe, sondern nur den Einwand der Warteobliegenheit gemäß Art 8.1.5.3 ARB 2009 erhebe“ nicht anzuwenden sei, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Beklagte weitere Deckungseinwände erhoben hat und auch noch in ihrer Revision aufrecht erhält (siehe Punkt 2. der Entscheidung). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass im vorliegenden Deckungsprozess auf die Warteobliegenheit nicht Bedacht zu nehmen sei, bedarf somit keiner Korrektur.
[5] 2.1. In der Rechtsschutzversicherung ist bei Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen (RS0081929). Eine klare Gesetzeslage oder bereits gelöste Rechtsfragen können aber die Annahme rechtfertigen, dass keine oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht ( 7 Ob 112/23f ; 7 Ob 41/24s ).
[7] 3. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
[8] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
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