Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen J*, geboren am * 2017, Vater C*, vertreten durch die Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in Amstetten, Mutter L*, vertreten durch Dr. Martin Brandstetter, Rechtsanwalt in Amstetten, wegen Obsorge und Kontaktrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 21. Mai 2025, GZ 23 R 159/25t 105, den
Beschluss
gefasst:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen entzogen der Mutter die Obsorge für den Minderjährigen, sodass diese nunmehr dem Vater allein zukommt, und setzten das (zuletzt begleitete) Kontaktrecht der Mutter zum Minderjährigen aus.
[2] In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs gelingt es der Mutter nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
[3] 1.1. Gemäß § 181 Abs 1 ABGB hat das Gericht die zur Sicherung des Wohles eines Kindes nötigen Verfügungen zu treffen, wenn die Eltern oder ein Elternteil durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes gefährden. Insbesondere darf das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise entziehen, wobei die Obsorge nur so weit beschränkt werden darf, als dies zur Sicherung des Wohles des Kindes notwendig ist (§ 182 ABGB).
[4] 1.2. Unter dem Begriff der Gefährdung des Kindeswohles ist nicht geradezu ein Missbrauch der elterlichen Befugnisse zu verstehen, vielmehr genügt es, dass die elterlichen Pflichten objektiv nicht erfüllt wurden oder die Eltern durch ihr Gesamtverhalten das Wohl des Kindes gefährden (RS0048633 [T6, T7, T17, T22]). Ob ein Sachverhalt die Entziehung der Obsorge ganz oder teilweise rechtfertigt, hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0048633 [T24]; RS0048699 [T20, T23]).
[5] 1.3. Eine Änderung in der Obsorge der Eltern darf vom Pflegschaftsgericht nur dann angeordnet werden, wenn diese im Interesse des Kindes dringend geboten ist, wobei bei Beurteilung dieser Frage grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen ist (RS0048699).
[6] 1.4. Eine Verfügung, mit der die Obsorge entzogen wird, kommt nur als ultima ratio in Betracht. Zuvor hat das Gericht alle anderen Möglichkeiten zu prüfen, die dem Kindeswohl gerecht werden können und eine Belassung des Kindes in der Familie ermöglichen (RS0132193). Dies folgt daraus, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur dann gewahrt wird, wenn bei einer im Interesse des Kindes gebotenen Beschränkung der Obsorge die jeweils gelindesten Mittel angewandt werden (4 Ob 215/22d). Ob gelindere Mittel ausreichen, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalls (RS0132193 [T2]).
[7] 2. Nach den bindenden Feststellungen zeigt die Mutter gegenüber dem Minderjährigen ein stark grenzüberschreitendes Verhalten und behandelt diesen wie ein Kleinkind. Sie zeigt ein hochgradig auffälliges Verhalten und ist nicht in der Lage, eigene Verhaltensweisen problembewusst zu reflektieren. Sie priorisiert eigene Wünsche und Vorstellungen, ist emotional instabil, aufbrausend, zeigt eine eingeschränkte Impulskontrolle, aggressives Verhalten und eine Neigung zu erhöhter Reizbarkeit. Insgesamt weist sie derzeit keine ausreichende Erziehungsfähigkeit auf. Wegen der ablehnenden bis feindseligen Haltung der Mutter gegenüber dem Vater besteht zwischen den Eltern auch keine ausreichende Kommunikationsbasis. Die Mutter kann derzeit auch keinen dem Kindeswohl dienlichen Kontaktrahmen gestalten und vorgegebene Grenzen nicht einhalten, weshalb die Gefahr besteht, dass Kontaktsituationen in Anwesenheit des Kindes weiter eskalieren.
[8] Ausgehend davon liegt in der Übertragung der Obsorge auf den Vater allein und die Aussetzung des Kontaktrechts der Mutter durch die Vorinstanzen keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.
[9] 3. Der Vater hat für seine (nicht vom Obersten Gerichtshof freigestellte) Revisionsrekursbeantwortung zutreffend keine Kosten verzeichnet.
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