Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch die Schmid Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei A* GmbH, *, vertreten durch Mag. Klaus Mayer, Rechtsanwalt in Premstetten, und die Nebenintervenientin S* GmbH, *, vertreten durch die Greiml Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft OG in Graz, wegen 113.130,25 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. Juni 2025, GZ 2 R 63/25i 41, den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrte von der Beklagten – in dritter Instanz nur noch aus dem Titel des Schadenersatzes – nach Rücktritt vom Kaufvertrag über eine Liegenschaft den Ersatz der von ihr im Vertrauen auf das Zustandekommen des Geschäfts vorgenommenen, nunmehr frustrierten Aufwendungen, weil die Beklagte (durch die Nebenintervenientin, eine Immobilienmaklerin, als ihre Erfüllungsgehilfin) ihr vor Abschluss des Kaufvertrags die unrichtige Information erteilt habe, der mit einer Mobilfunkbetreiberin bestehende Nutzungsvertrag über eine auf dem Dach des Hauses errichtete Mobilfunkantenne sei unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist kündbar, obwohl die Rechtsvorgänger der Beklagten im Eigentum der Liegenschaft im Jahr 2014 den bereits 1999 für 20 Jahre erklärten Kündigungsverzicht um weitere zehn Jahre verlängert hätten.
[2] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
[3] In ihrer außerordentlichen Revision gelingt es der Klägerin nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
[4] 1. Außerhalb des Anwendungsbereichs des MRG tritt der Erwerber einer Liegenschaft nach § 1120 ABGB in den mit dem Voreigentümer geschlossenen Mietvertrag ein, wobei das (wie hier) nicht verbücherte Bestandverhältnis ohne Rücksicht auf andere Vertragsbestimmungen in ein solches von unbestimmter Dauer mit gesetzlicher Kündigungsfrist umgewandelt wird (RS0021133). Der Einzelrechtsnachfolger ist an einen Kündigungsverzicht, den sein Vorgänger gegenüber dem Bestandnehmer abgegeben hat, daher nicht gebunden (RS0014444 [T1]; RS0021133 [T10]). In einem solchen Fall kann die Aufkündigung demnach ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer, einen allgemeinen oder besonderen Kündigungsverzicht oder die vereinbarte (längere) Kündigungsfrist oder den vereinbarten Termin zu den gesetzlichen Terminen unter Einhaltung der gesetzlichen Frist wirksam erfolgen (RS0038520). Anderes gilt nur dann, wenn im Kaufvertrag der Eintritt des Erwerbers in sämtliche Rechte und Pflichten des Veräußerers aus dem bestehenden Bestandvertrag vereinbart wurde; dabei handelt es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter und der Bestandnehmer erlangt aus dieser ihn begünstigenden Vertragsbestimmung ein unmittelbares Recht (RS0017051).
[5] 2. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht mit seiner Beurteilung, die Klägerin wäre an den Kündigungsverzicht der Rechtsvorgänger der Beklagten ohnehin nicht gebunden gewesen, sodass das Exposé der Nebenintervenientin nicht unrichtig gewesen sei, nicht abgewichen.
[6] 2.1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die bloße Anführung auch des Nutzungsvertrags über die Mobilfunkanlage in der dem Kaufanbot angeschlossenen Mietzinsliste sei nicht als Vereinbarung über den Eintritt der Klägerin auch in sämtliche Rechte und Pflichten der Beklagten aus diesem Bestandvertrag zu werten, begründet schon angesichts der Feststellung, wonach die Übernahme des Vertrags über die Mobilfunkanlage unter Ausschluss einer Kündigungsmöglichkeit zwischen den Streitteilen nicht vorgesehen war, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.
[7] 2.2. Der Erwerber einer Liegenschaft ist nach § 1120 ABGB nur an die Vereinbarung längerer als der gesetzlichen Kündigungsfristen (und an einen späteren als den gesetzlichen Kündigungstermin) nicht gebunden; auf kürzere vertragliche Fristen (hier: vertragliche Kündigungsfrist von einem statt drei Monaten) kann er sich hingegen gegenüber dem Bestandnehmer berufen (3 Ob 551/87 mwN). Das Argument der Klägerin, dass die in dem von der Nebenintervenientin erstellten Exposé angeführte einmonatige Kündigungsfrist schon deshalb unrichtig gewesen sei, weil die gesetzliche Kündigungsfrist drei Monate betrage, ist daher nicht stichhaltig.
[8] 2.3. Es trifft zwar zu, dass § 879 Abs 1 ABGB nach ständiger Rechtsprechung nicht nur für Verträge, sondern auch für einseitige Rechtsgeschäfte wie eine Kündigung gilt (RS0016534), weshalb eine vom Rechtsnachfolger iSd § 1120 ABGB trotz Kündigungsverzichts des Rechtsvorgängers ausgesprochene Aufkündigung des Bestandvertrags in Einzelfällen sittenwidrig sein kann. Dies wurde etwa in der Entscheidung zu 1 Ob 501/83 in einem Fall bejaht, in dem der voll informierte Käufer eines Grundstücks unter Berufung auf § 1120 ABGB den von seinem Rechtsvorgänger auf 99 Jahre unter Vorauszahlung des Bestandzinses abgeschlossenen Mietvertrag über das seinerzeit unbebaute Grundstück, auf dem der Bestandnehmer mit Zustimmung des seinerzeitigen Bestandgebers auf eigene Kosten ein Wohnhaus errichtet hatte, aufgekündigt hat (in diesem Sinn auch 7 Ob 31/22t). Gleiches gilt nach der Entscheidung zu 3 Ob 539/89, wenn der Sohn des Liegenschaftseigentümers, der einen nur noch vom Rechtsträger des künftigen Mieters zu genehmigenden Bestandvertrag bereits bindend unterschrieben hat, die Übergabe der Liegenschaft und Einverleibung seines Eigentums in der Absicht betreibt, die Zuhaltung des ihm nicht genehmen Bestandvertrags zu vereiteln.
[9] Ob im vorliegenden Fall irgendwelche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Mobilfunkbetreiberin im Fall einer Aufkündigung des Bestandvertrags durch die Klägerin Sittenwidrigkeit erfolgversprechend hätte einwenden können, ist hier allerdings nicht relevant, weil sich die Klägerin, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, in erster Instanz auf eine solche Sittenwidrigkeit nicht gestützt hat. Auch aus dem in der außerordentlichen Revision zitierten Vorbringen der Klägerin in der Tagsatzung vom 24. Oktober 2024 ist ein derartiger Einwand nicht ableitbar.
[10] 3. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden