Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 17. September 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Dr. Wurdinger als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Bucher LL.M. und Dr. Wachter als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathmayr als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, über die Berufung des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 4. Oktober 2023, GZ D 201/21 27, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Kranz, des Kammeranwalts Mag. Jakauby und des Beschuldigten zu Recht erkannt:
Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.
In Stattgebung der Berufung wegen Strafe wird über den Beschuldigten eine Geldbuße in der Höhe von 2.000 Euro verhängt.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *, Rechtsanwalt in *, der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hiefür zu einer – gemäß § 16 Abs 2 DSt unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehenen – Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt.
[2] Danach hat er
„1./ in Vertretung der 'D*' * GmbH als klagende Partei wider Mag. * H*, als beklagte Partei am 30. Juli 2021 eine Klage zu AZ 53 Cg 28/21w beim H andelsgericht Wien eingebracht, obwohl diese mutwillig und von vornherein aussichtslos war;
2./ in dieser Klage begehrt, dass der Beklagte nur dann als Politiker auftreten darf, sofern er bei jeder seiner Aussagen klar und deutlich beifügt, dass es sich dabei um Satire handelt und damit beantragt, das Gericht möge den Beklagten in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht der Meinungsfreiheit und in seinen Persönlichkeitsrechten einschränken.“
[3] Hingegen wurde der Beschuldigte – soweit für die Erledigung der Berufung von Relevanz – von dem weiters gegen ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen,
4./ er habe „sich in der zur AZ 53 Cg 28/21w des Handelsgerichts Wien eingebrachten Klage vom 30. Juli 2021 einer gegen das Sachlichkeitsgebot nach § 9 Abs 1 RAO verstoßenden Schreibweise bedient, indem er darin unter anderem äußerte, dass anzunehmen sei, 'dass vielen anderen Menschen der satirische Charakter der Veröffentlichung des Mag. H* entgeht und sie Herrn Mag. H* ernst nehmen', was 'seine publizistische Reichweite signifikant' erhöht, weil 'die Unsicherheit über den Wahrheitsgehalt eines publizistischen Inhalts […] dessen Unterhaltungswert in der medialen Öffentlichkeit' erhöht sowie 'Der Beklagte geriert sich als Politiker und nützt diese seine Stellung aus, um in Wahrheit Satire zu betreiben und zu verbreiten. Damit täuscht er seinerseits das Publikum und gräbt, bildlich gesprochen, anderseits der klagenden Partei das Wasser ab. […] Ob aber ein Satiriker sich offen und ehrlich als solcher bezeichnet (wie dies die klagende Partei tut) oder aber seine Botschaft gewissermaßen unter falscher Flagge ans Publikum bringt, ist eine Frage der Irreführung über positive Leistungsmerkmale, in dem Fall sogar über Merkmale von zentraler Bedeutung. […]'“.
[4] Nur gegen diesen Freispruch richtet sich die – Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO relevierende (RIS Justiz RS0128656 [T1]) – Berufung wegen Schuld des Kammeranwalts, der auch den Strafausspruch zum Nachteil des Beschuldigten bekämpft.
[5] Gegenstand der Behandlung im Disziplinarverfahren (wie auch im strafrechtlichen Hauptverfahren aufgrund einer entsprechenden Anklage) ist stets eine Tat im Sinn eines historischen Sachverhalts, nicht aber eine konkrete rechtliche Kategorie (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 523). Mehrere unter § 1 Abs 1 (erster und/oder zweiter Fall) DSt subsumierbare Äußerungen innerhalb eines Schriftsatzes stellen eine einzige (im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit begangene) Tat dar (vgl Ratz in WK² StGB Vor §§ 28–31 Rz 89; RIS Justiz RS0127374 [T6]). Einzelne Ausführungshandlungen eines im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit begangenen Tatgeschehens können daher – soweit dadurch die rechtliche Beurteilung nicht tangiert wird – die Schuld- oder Subsumtionsfrage nicht beeinflussen, weshalb Einzelakte einer solchen Einheit auch nicht gesondert bekämpft werden können (RIS Justiz RS0127374, RS0122006 [T6]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 521).
[6] Solcherart betrifft der bekämpfte Freispruch mit Blick auf den gleichzeitig erfolgten Schuldspruch zu 2./ keine selbstständige Tat und ist demnach prozessual zwar verfehlt, jedoch ähnlich einem bedeutungslosen Subsumtions- oder Qualifikationsfreispruch (vgl RIS Justiz RS0115553 [T5], RS0117261; Lendl , WK StPO § 259 Rz 1 ff; Ratz , WK StPO § 281 Rz 516 ff) unbeachtlich.
[7] Folglich war der Berufung des Kammeranwalts – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht Folge zu geben.
[8] Im Recht allerdings ist seine Berufung wegen Strafe.
[9] Bei der Strafbemessung waren erschwerend das Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen und die jeweils doppelte Qualifikation der Taten zu werten, mildernd die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit des Beschuldigten. Dem Tatsachengeständnis hingegen kommt bei der gegebenen Sach- und Beweislage kein schuldminderndes Gewicht zu.
[10] Bei Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erweist sich die vom Disziplinarrat gefundene, gleichsam symbolhafte Sanktion, dem nicht unerheblichen Handlungsunwert und der hohen, auch vom Beschuldigten willentlich (mit-)geschaffenen Publizität nicht angemessen, weshalb sie moderat zu erhöhen war.
[11] Schließlich sah sich der Oberste Gerichtshof zu einer von der Generalprokuratur angeregten amtswegigen Maßnahme (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) in Bezug auf den Schuldspruch 2./ nicht veranlasst.
[12] Denn aus den Feststellungen zum Inhalt der vom Disziplinarbeschuldigten eingebrachten Klage (ES 6) im Zusammenhalt mit dem Referat der entscheidenden Tatsachen (ES 2; § 260 Abs 1 Z 1 StPO) lässt sich für den erkennenden Senat noch hinreichend deutlich der Wille des Disziplinarrats erkennen, den Bedeutungs ge halt der inkriminierten Passage im Sinn einer – die rechtliche Bewertung (ES 9) tragenden – Einschränkung der Möglichkeiten zur Äußerung des Mag. H* bei dessen „öffentlich vorgebrachten Aussagen als Politiker“ durch diesen treffende, in der Klage präzisierte Auflagen (Beifügen eines Beisatzes, Tragen eines Ansteckers) festzustellen (RIS-Justiz RS0117228; Ratz , WK StPO § 281 Rz 19).
Rückverweise
Keine Verweise gefunden