Der Oberste Gerichtshof hat am 10. September 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Rechtspraktikantin Schurich LL.M., LL.M. in der Strafsache gegen A* J* und eine andere Angeklagte wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten A* J* und B* J* gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 7. April 2025, GZ 50 Hv 86/24k 22.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des A* J* wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I./3./ und demgemäß auch im den Genannten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts Wiener Neustadt verwiesen.
Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird A* J* auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des A* J* im Übrigen sowie jene der B* J* werden ebenso zurückgewiesen wie die Berufungen beider Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Die Entscheidung über die Berufung der B* J* gegen den Ausspruch über die Strafe kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier relevant – A* J* der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 und 3 WaffG (I./1./ und I./2./) und des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB (I./3./) sowie B* J* des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 5 WaffG (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat am 25. August 2024 in W*
I./ A* J* dadurch, dass er trotz des gegen ihn seit 30. Dezember 2014 bestehenden Waffenverbots die auf seine Ehegattin B* J* aufrecht registrierte Pistole der Marke Glock, Modell 19 Gen 5, mit der Waffennummer * aus dem Fußraum ihres PKWs an sich nahm, die Pistole im Innenraum des Fahrzeugs repetierte, aus dem Fahrzeug stieg, die Pistole mit beiden Armen in die Luft streckte und zumindest zwei Schüsse abgab,
1./ wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Schusswaffe der Kategorie B geführt,
2./ wenn auch nur fahrlässig, eine Waffe besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war,
3./ grob fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit anderer, nämlich der in unmittelbarer Nähe der Örtlichkeit aufhältigen Personen, herbeigeführt;
II./ B* J*, wenn auch nur fahrlässig, eine Schusswaffe der Kategorie B, nämlich die auf sie aufrecht registrierte Pistole der Marke Glock, Modell 19 Gen 5, mit der Waffennummer *, einem anderen Menschen überlassen, der zu deren Besitz nicht befugt war, nämlich ihrem Ehegatten A* J*, gegen den seit 30. Dezember 2014 ein aufrechtes Waffenverbot bestand, indem sie die Pistole frei zugänglich im Fußraum ihres PKWs verwahrte.
[3] Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des A* J*, der teilweise Berechtigung zukommt, und die Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 5a StPO geltend machende, nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde der B* J*.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A* J*:
[4] Die Rüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach [zufolge Idealkonkurrenz] Z 10) zeigt in Bezug auf den Schuldspruch wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB (I./3./) zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen auf.
[5] § 89 StGB ist eine Strafbestimmung, die als konkretes Gefährdungsdelikt konzipiert ist (Leukauf/Steininger/ Nimmervoll , StGB 4 § 89 Rz 1). Dabei setzt die geforderte Gefährdung eine durch das Täterverhalten geschaffene Situation voraus, die nicht bloß allgemein, sondern auch und gerade im besonderen Fall die Möglichkeit eines schädigenden Ereignisses für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer vom Täter verschiedenen Person besorgen lässt, die somit typischerweise dem Eintritt (zumindest) einer Körperverletzung vorangeht, wobei es nur von unberechenbaren und unvorhersehbaren Umständen, demnach vom Zufall, abhängt, ob eine solche Verletzung auch wirklich eintritt. Für das Gefahrenurteil, auf dem der Gefährdungsbegriff aufbaut, kommt es auf denjenigen Zeitpunkt an, in dem sich die betroffene Person im Wirkungsbereich des vorausgesetzten gefährlichen Verhaltens befindet. Eine konkrete Gefährdung ist grundsätzlich anzunehmen, wenn ein sachkundiger Beobachter, der zur Zeit des Ablaufs des zu beurteilenden Geschehens am Standort des Betroffenen postiert zu denken ist, eine Beeinträchtigung eben dieses Betroffenen an Leib oder Leben ernstlich für möglich hält. Ein außergewöhnlich hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für den Eintritt des Gefährdungserfolgs ist dabei nicht erforderlich, sondern es genügt die ernst zu nehmende Möglichkeit der Beeinträchtigung (RIS Justiz RS0119773, RS0092786, RS0092809; Burgstaller/Schütz in WK 2 StGB § 89 Rz 15, 21, 23; Michel Kwapinski/Oshidari , StGB 15 § 89 Rz 2; Leukauf/Steininger/ Nimmervoll , StGB 4 § 89 Rz 7).
[6] Ausgehend davon fehlen Urteilsfeststellungen, welche die rechtliche Beurteilung ermöglichen, dass eine vom Angeklagten verschiedene Person (beispielsweise durch ein drohendes Knalltrauma [vgl 15 Os 129/04], einen „Querschläger“ oder in der Folge wieder herabgefallene Projektile) iSd § 89 StGB konkret an „Leib und Leben“ gefährdet war. Den Entscheidungsgründen ist nämlich nur zu entnehmen, dass der Angeklagte die Waffe „mit beiden Armen in die Luft“
[7] In diesem Umfang war die Sache (zufolge der nach dem zweiten Strafsatz des § 50 Abs 1 WaffG zur Anwendung gelangenden Strafdrohung) an den Einzelrichter des Landesgerichts Wiener Neustadt (§ 31 Abs 4 Z 1 StPO; vgl RIS Justiz RS0100271 [insb T8, T9]) zu verweisen.
[8] Im Übrigen kommt dem Rechtsmittel jedoch keine Berechtigung zu:
[9] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) die Erwägungen des Erstgerichts zur Glaubwürdigkeit des Zeugen * A* (US 6) kritisiert, verfehlt sie den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0099649). Selbiges gilt auch für den Hinweis auf das Fehlen „sonstiger [die vorliegenden Schuldsprüche stützender] Beweisanbote“ (RIS Justiz RS0117446 [T14]). Auch mit seinen eigenständigen Beweiswerterwägungen, wonach die am Tatort gefundene Patronenhülse nicht zwingend der Waffe seiner Ehegattin zuzuordnen sei, weil „beinahe täglich auf dem Gelände dort geschossen“ werde, vermag der Beschwerdeführer keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aufzuzeigen.
[10] In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten B* J*:
[11] Die Tatsachenrüge (Z 5a) wird mit ihrem Vorbringen auf die Beantwortung der inhaltsgleichen Kritik des A* J* verwiesen.
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde der B* J* war – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[13] Die in der Strafprozessordnung gegen Urteile von Kollegialgerichten nicht vorgesehenen, von den beiden Angeklagten ausgeführten Berufungen wegen des Ausspruchs über die Schuld waren ebenfalls zurückzuweisen (RIS Justiz RS0098904). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die verbleibende Berufung der B* J* gegen den Ausspruch über die Strafe (§ 285i StPO).
[14] Dieses wird – worauf die Generalprokuratur zutreffend hinweist – zu beachten haben, dass das angefochtene Urteil an (nicht geltend gemachter) Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall leidet (RIS Justiz RS0122140). Zwar brachte das Erstgericht (auf Basis des vorliegenden Schuldspruchs richtigerweise) zum Ausdruck, den Strafrahmen (auch) für B* J* nach dem zweiten Strafsatz des § 50 Abs 1 WaffG zu bilden (US 2). Dabei ging es jedoch explizit (vgl 11 Os 43/23t [Rz 7]) – zu deren Nachteil (vgl RIS Justiz RS0088989 [T2]) – von einem falschen Strafrahmen aus, weil es die (auch) im zweiten Strafsatz des § 50 Abs 1 WaffG alternativ angedrohte Geldstrafe außer Acht ließ (siehe US 10 sowie die Ausführungen zur Nichtanwendung des – bei wahlweiser Androhung von Geld und Freiheitsstrafe gar nicht in Betracht kommenden [ Flora in WK² StGB § 37 Rz 30] – § 37 StGB auf US 11).
[15] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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