Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eißler als Schriftführerin in der Strafsache gegen * A* wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 11. September 2024, GZ 11 Hv 16/24b 49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen – auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden – Urteil wurde * A* des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 11. April 2023 in W* mit der am * 2013 geborenen, somit unmündigen F* E* den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung zu unternehmen versucht, indem er seinen Penis vor ihr entblößte, damit herumspielte und sie aufforderte, mit ihm Sex zu haben.
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Der in der Hauptverhandlung am 11. September 2024 gestellte (RIS Justiz RS0118060 [T8]), ersichtlich auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Opfers F* E* zielende Antrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte am 11. April 2023 nicht „einen Versuch unternahm, mit […] F* E* den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorzunehmen“ (ON 48 S 4 iVm ON 47 S 4 f), konnte – der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider – ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden (ON 48 S 5).
[5] Denn eine Hilfestellung durch einen Sachverständigen zur Beurteilung der Aussagefähigkeit und Glaubwürdigkeit einer Zeugin ist nur ausnahmsweise bei konkreten Bedenken gegen deren allgemeine Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit oder ihre vom Einzelfall unabhängige Aussageehrlichkeit sowie bei Anhaltspunkten für eine psychische Erkrankung, Entwicklungsstörung oder einen sonstigen erheblichen Defekt der Zeugin erforderlich (RIS Justiz RS0097576, RS0120634). Anhaltspunkte für eine derartige Ausnahmekonstellation wurden mit der bloßen – nicht durch Beweisergebnisse indizierten – Behauptung einer psychischen Auffälligkeit und Entwicklungsverzögerung der F* E* (aufgrund einer „schwer durchblickbaren Familienkonstellation“ und eines „Schullaufbahnverlusts von einem Jahr“) sowie der Spekulation über eine Beeinflussung der Zeugin durch ihre ältere Freundin * T* (vgl ON 48 S 4 iVm ON 47 S 5 f) nicht aufgezeigt.
[6] In der Beschwerde nachgetragene Argumente zur Antragsfundierung sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).
[7] Der Kritik der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Aussage der Zeugin A* E* zu ihren Wahrnehmungen betreffend das Verhalten des Angeklagten eingehend erörtert (US 5 iVm ON 4.7 S 4 und ON 35 S 4). Indem die Rüge aus einer Passage der polizeilichen Vernehmung dieser Zeugin für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse zieht, argumentiert sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) B erufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[8] Mit der Beschreibung des Täters und dem Versuch dessen Identifizierung durch das Opfer F* E* hat sich das Schöffengericht – entgegen dem Beschwerdeeinwand (Z 5 zweiter Fall) – ausdrücklich auseinandergesetzt (vgl US 5f).
[9] Auch die der Identifizierung des Angeklagten dienenden Angaben der Zeugin A* E* ließen die Tatrichter nicht unerörtert (vgl US 5 f iVm ON 35 S 4 [iVm ON 12.3 S 2]). Zur ausdrücklichen Erwähnung des Umstands, dass bei einer (Ende Oktober 2023 durchgeführten) Wahllichtbildvorlage bei der Polizei A* E* – ebenso wie ihre Schwester F* E* (vgl US 5 iVm ON 4.2 S 3 iVm ON 4.8 S 6 und ON 4.1 1 ) – den Angeklagten nicht habe wiedererkennen können (vgl ON 4.2 S 3 iVm ON 4.7. S 5 und ON 4.10), waren die Tatrichter unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht verhalten (RIS Justiz RS0099599, RS0106642).
[10] Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit der Behauptung, es widerspreche „jeglicher Lebenserfahrung“ bzw „jeglichen Erfahrungssätzen“, dass die beiden Augenzeuginnen F* E* und A* E* den Angeklagten bei ein er Wahllichtbildvorlage vor der Polizei nicht als Täter haben identifizieren können, und mit ihrer Kritik an der vom Schöffengericht angeführten Wiederkennung des Angeklagten durch die Zeugen D* N* und M* N* (US 6 f) keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der konstatierten Täterschaft des Angeklagten zu wecken (vgl auch US 5 ff ).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde w a r daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentliche n Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (angemeldete [ON 51 S 2]) Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft folgt (§ 285i StPO).
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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