Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Sekljic in der Strafsache gegen * P* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 7. Juni 2023, GZ 27 Hv 21/23z-113, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A I), nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A II) und nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG (A III) sowie jeweils mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A IV) und nach § 4 Abs 1 zweiter, dritter und vierter Fall NPSG (C) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in L* und andernorts
(A) vorschriftswidrig Suchtgift
I) vom Jahr 2020 bis zum Ende des Jahres 2022 in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge als Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB) aus dem Ausland ausgeführt und nach Österreich eingeführt, indem er bei Vendoren aus Deutschland und den Niederlanden insgesamt zumindest 3.087 Gramm Cannabiskraut (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von 16,25 % THCA und 1,24 % Delta-9-THC), 461 Gramm Kokain (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von 86,1 %), 413 LSD-Trips, etwa 150 Stück Ecstasy-Tabletten (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad an MDMA von etwa 34,2 %), zumindest 20 Stück 2C-B Tabletten „Oreo“ (beinhaltend Meskalinderivat und 4-bromo-2,5-dimethoxyphenethylamine) sowie eine unbekannte Menge „psilocybinhältige Pilze“ bestellte und sich das Suchtgift an seine Wohnadresse nach L* liefern ließ,
II) in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er vom Jahr 2016 bis zum Ende des Jahres 2022 (unter anderem) einen Teil des unter A I angeführten und nach Österreich geschmuggelten Suchtgifts an im Urteil genannte Abnehmer verkaufte und verschenkte,
III) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar ein Kilogramm MDMA, im Sommer 2022 einem im Urteil Genannten zum Preis von 7.000 Euro angeboten und
IV) (mit den zu A I beschriebenen Wirkstoffen, US 11) ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar vom Oktober 2013 bis zum 23. Jänner 2023 Cannabiskraut, vom Jahr 2007 bis zum 23. Jänner 2023 Kokain sowie vom Jahr 2007 bis zum 20. Oktober 2022 LSD, MDMA und „psilocybinhältige Pilze“, weiters
C) mit dem Vorsatz, daraus einen Vorteil zu ziehen, eine mit Verordnung gemäß § 3 NPSG bezeichnete oder von einer gemäß § 3 NPSG definierten chemischen Substanzklasse umfasste Neue Psychoaktive Substanz mit dem Vorsatz eingeführt, ausgeführt und einem anderen überlassen, dass sie von dem anderen oder einem Dritten zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet wird, indem er zumindest 34 Gramm Ketamin bei ausländischen Vendoren in Deutschland und den Niederlanden im Darknet bestellte, sich an seine Wohnadresse nach L* liefern ließ, davon zumindest 32 Gramm an andere verkaufte und zwei Gramm einem anderen im Tausch gegen alkoholische Getränke überließ.
[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Dieser kommt keine Berechtigung zu.
[4] Der Mängelrüge zuwider musste sich das Erstgericht mit Prozessvorbringen des Verteidigers zur Vermeidung von Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht auseinandersetzen (RIS-Justiz RS0118316 [T12 und T19]). Der von der Beschwerde insoweit relevierte Umstand, dass der Angeklagte das Suchtgift auch für andere Personen geordert hatte, wurde im Übrigen ohnehin festgestellt (US 7).
[5] Der Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) verkennt, dass diese nur dann vorliegt, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431).
[6] Mit dem Vorbringen, eine Feststellung des Erstgerichts widerspreche „dem durchgeführten Beweisverfahren sowie der Aktenlage“, wird ein solches Fehlzitat nicht behauptet.
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei festgehalten:
[8] 1. In Bezug auf psilocybinhältige Pilze ist nur das Anbieten, Überlassen oder Verschaffen sowie der Anbau zum Zweck des Suchtgiftmissbrauchs vom strafrechtlichen Suchtmittelregime umfasst (vgl RIS-Justiz RS0125174). Tatobjekt des § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG sowie des § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG können psilocybinhältige Pilze somit nicht sein.
[9] Dieser Rechtsfehler kann aber – wie auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführt – dahinstehen, weil es sich nach den Feststellungen des Erstgerichts bei den vom Schuldspruch A I umfassten Verhaltensweisen (US 10 f) um eine tatbestandliche Handlungseinheit und bei den vom Schuldspruch A IV umfassten (US 5 f) um eine pauschal individualisierte gleichartige Verbrechensmenge handelt. Daraus folgt, dass durch diese Rechtsfehler weder ein Schuldspruch noch die Subsumtion einer davon umfassten Tat infrage gestellt wird (dazu RIS-Justiz RS0127374, RS0116736 [insbesondere T7] und RS0117436).
[10] 2. Durch einen Verweis auf die jeweiligen Standblätter zog das Erstgericht nach „§ 26 StGB, § 34 SMG“ auch hinreichend determinierte „Suchtgiftutensilien“ ein (US 4).
[11]
[12] § 26 Abs 1 StGB kommt nur in Betracht, wenn diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an. Feststellungen dazu oder zu einer fehlenden Möglichkeit der Beseitigung enthält das Urteil nicht (Z 11 erster Fall). Mit Blick auf die eine Vernichtung betreffende Einverständniserklärung des Angeklagten (ON 86 S 10 ff) liegt aber ein Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO nicht vor (RIS-Justiz RS0088201 [T11 und T14]).
[13] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[14] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Rückverweise
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