Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 17. Oktober 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann und die Rechtsanwälte Dr. Rothner und Dr. Wippel als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 20. Juli 2022, AZ D 4/20, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der Pauschalkostenbeitrag mit 700 Euro festgesetzt.
Gründe:
[1] Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 19. April 2021, GZ D 4/20, Dv 2/20-11, wurde * der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 3.000 Euro verurteilt. Danach hat er trotz des Auftrags, einen Unterhaltsherabsetzungsantrag zu stellen, diesen nicht ordnungsgemäß verfasst und einen diesbezüglichen vom Gericht erteilten Verbesserungsauftrag unbeantwortet gelassen, wodurch der unsachgemäße Unterhaltsherabsetzungsantrag mit rechtskräftig gewordenem Beschluss abgewiesen wurde.
[2] Der dagegen erhobenen Berufung gab der Oberste Gerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Juni 2022, GZ 28 Ds 11/21p-12, teilweise Folge und verhängte über den Beschuldigten unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 16. Dezember 2019, AZ D 17/19, eine Zusatzgeldbuße von 1.500 Euro. Gleichzeitig wurde der Beschuldigte zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens verpflichtet.
[3] Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte der Vorsitzende des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich die vom Beschuldigten zu ersetzenden Pauschalkosten (§ 41 Abs 2 DSt) mit 880 Euro. Er schlüsselte die Kosten dahin auf, dass auf das Vorverfahren 300 Euro, auf die beiden Verhandlungen in erster Instanz 200 Euro und 320 Euro und auf das Berufungsverfahren 500 Euro entfallen würden. Den sich aus der Addition dieser Beträge ergebenden Betrag von 1.320 Euro kürzte er mit der Begründung, dass es zu mehreren Freisprüchen der übrigen Beschuldigten gekommen sei und auch die Strafe des Beschuldigten im Berufungsverfahren herabgesetzt worden sei, um rund ein Drittel, sodass sich letztlich 880 Euro ergaben.
[4] Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten, mit dem er in erster Linie die Aufhebung des Beschlusses wegen Unzuständigkeit des Disziplinarrats für die Fassung der Kostenentscheidung geltend macht, hilfsweise begehrt er die Herabsetzung auf 200 Euro. Für Letzteres macht er geltend, dass der wesentliche Verfahrensaufwand in der Führung des Verfahrens gegen vorerst sieben Beschuldigte bestanden habe, von denen aber letztlich sechs freigesprochen worden seien.
[5] Die Beschwerde ist teilweise berechtigt.
[6] Trotz der optisch etwas verwirrenden Gestaltung der Kostenentscheidung ist klar zu erkennen, dass nicht ein Kollegialorgan, sondern der Vorsitzende des Disziplinarrats die Entscheidung getroffen hat, sodass der Einwand des Beschuldigten in dieser Richtung ins Leere geht.
[7] Gemäß § 41 Abs 2 DSt sind die Pauschalkosten nach Maßgabe des Umfangs und des Ausgangs des Verfahrens unter Vermeidung unbilliger Härten zu bemessen. Sie dürfen 5 % des in § 16 Abs 1 Z 2 DSt genannten Betrags, das sind derzeit 2.250 Euro, nicht übersteigen. Die Pauschalkosten sind in einem einzigen Betrag festzusetzen, wobei zur Vermeidung unbilliger Härten auch die Leistungsfähigkeit des Beschuldigten zu berücksichtigen ist ( Lehner in Engelhart et al RAO 10 § 41 DSt Rz 2 ff; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 41 DSt 948 f; RIS-Justiz RS0078291 [T5 und T6]).
[8] Der angefochtene Beschluss berücksichtigt den Umfang des Verfahrens, nämlich ein (einfaches) Vorverfahren, die Dauer der Verhandlung erster Instanz (etwas mehr als zwei Stunden) sowie die Dauer der Verhandlung im Rechtsmittelverfahren (acht Minuten), dies zutreffend jeweils ohne Berücksichtigung der für die Beratung aufgewendeten Zeit (RIS Justiz RS0055680).
[9] Entgegen der Beschwerde nahm die Entscheidung (kostenmindernd) auch darauf Bedacht, dass das Verfahren eine Mehrzahl von Beschuldigten betraf, die letztlich freigesprochen wurden. Ebenfalls mindernd berücksichtigt die angefochtene Entscheidung die Tatsache des teilweisen Erfolgs der (Straf )Berufung des Beschuldigten.
[10] Da weder eine rein mathematische Zerteilung des für die Erarbeitung der der Beweiswürdigung dienenden Verfahrensergebnisse nötigen Aufwands möglich noch auf Freisprüche durch eine anteilige Ausscheidung von bestimmten Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen ist (28 Ds 13/21g Rz 10; 22 Ds 3/21t Rz 4), war der besonderen Fallkonstellation insgesamt mit der spruchgemäßen Reduktion des Pauschalkostenbeitrags Rechnung zu tragen.
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