Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen * P* wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 30. September 2021, GZ 49 Hv 16/21d 49, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* – teils abweichend von der auf das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB gerichteten Anklage (ON 29) – der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB (I. und II.) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III.) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 28. Februar 2021 in B* * S*
I. (am Vormittag) mit dem Tod gefährlich bedroht, indem er ihm ein Messer an den Hals hielt und ankündigte, er werde ihn, seine Mutter und Schwester, sohin ihm nahestehende Personen, abstechen;
II. (am Abend) mit dem Tod gefährlich bedroht, indem er ein Messer gegen ihn richtete und vor ihm mit diesem herumfuchtelte und schnellen Schrittes mit dem Messer in der Hand auf ihn zuschritt;
III. am Körper verletzt, indem er ihm im Zuge einer Rangelei Kratzwunden im Bereich des Halses und des Schlüsselbeins zufügte.
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Soweit der Rechtsmittelantrag auf gänzliche Urteilsaufhebung abzielt, der Schuldspruchpunkt III. inhaltlich jedoch nicht angefochten wurde, blieb die Nichtigkeitsbeschwerde mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO).
[5] Der Mängelrüge (Z 5) ist vorauszuschicken, dass die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist (was hier nicht behauptet wird) – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entrückt ist (RIS Justiz RS0106588 [T13]). Sie kann zwar unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubhaftigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat.
[6] Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubhaftigkeit oder Unglaubhaftigkeit (die ihrerseits eine erhebliche Tatsache [zum Begriff Ratz , WK StPO § 281 Rz 409] darstellt), sondern ausschließlich in den Feststellungen über entscheidende Tatsachen (RIS Justiz RS0119422 [T2, T4]). Erheblich, somit nach Maßgabe ihres Vorkommens in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO) erörterungsbedürftig, sind insoweit Tatumstände, welche die – von den Tatrichtern als notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache bejahte (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 410) – Überzeugungskraft der Aussage (eines Zeugen oder Angeklagten) in Bezug auf diese entscheidende Tatsache ernsthaft in Frage stellen (vgl RIS Justiz RS0120109 [T3]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 29).
[7] Die Tatrichter gründeten die Feststellungen zu den Schuldspruchpunkten I. und II. auf Angaben des Angeklagten, wonach ein verbaler Streit am Vormittag ein „bisschen“ eskaliert sei und er das Opfer am Abend vielleicht gefährlich bedroht (US 7) und ein Messer in der Hand gehalten habe (US 7), sowie auf die belastenden Angaben des * S* anlässlich dessen Vernehmung vor der Polizei am Tag der Vorfälle (ON 2 S 5 ff). Dabei zogen sie eingehend in Betracht, dass sich S* an den Vorfall am Vormittag weder bei der Tatrekonstruktion noch in der Hauptverhandlung erinnern konnte (US 5 ff).
[8] Indem die Rüge zum Schuldspruchpunkt I. die Angaben des Zeugen einer eigenständigen Bewertung unterzieht (dieser habe Vergesslichkeit vorgegeben, die Polizei nicht verständigt, die Wohnung nicht fluchtartig verlassen, ein Motiv für eine Falschanschuldigung, zunächst nur von einem spitzen Gegenstand gesprochen und eine behauptete Rangelei sei nicht bestätigt worden) und auf den Schuldspruchpunkt II. bezogene Aussagedetails thematisiert, um daraus für ihren Standpunkt günstigere Schlussfolgerungen einzufordern, entfernt sie sich gänzlich von den dargestellten Anfechtungserfordernissen. Sie erschöpft sich vielmehr in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[9] Gleiches gilt, soweit die Rüge auf Basis von aus dem Zusammenhang gerissenen Sätzen zum Schuldspruchpunkt II. Widersprüche in den Angaben des Zeugen vor der Polizei und in der Hauptverhandlung behauptet (siehe nämlich ON 35 S 39 bis 42), die Beweiswürdigung des Erstgerichts zum Einsatz des Messers als nicht nachvollziehbar kritisiert und eine milieubedingte Unmutsäußerung des Angeklagten behauptet.
[10] Bei Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes ist am gesamten entscheidenden Urteilssachverhalt festzuhalten, dieser mit dem darauf anzuwendenden Gesetz zu vergleichen und auf dieser Basis der Einwand zu entwickeln, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei (RIS Justiz RS0116565 [T2]).
[11] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruchpunkt I. die Äußerung des Angeklagten und das Anhalten des Messers an den Hals isoliert betrachtet, unter Hinweis auf Verfahrensergebnisse Feststellungen zum Milieu, zum Sprachgebrauch und zum Umgang des Angeklagten und des Opfers fordert und behauptet, es handle sich um eine milieubedingte Unmutsäußerung, erfüllt sie diese Anforderungen nicht.
[12] Weiters leitet sie nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116569), weshalb dem Ansetzen eines Messers an den Hals eines Menschen unter gleichzeitiger Ankündigung, das Opfer und dessen Angehörige abstechen zu wollen (US 1, 3, 8 f) bei Anlegung eines objektiv individuellen Maßstabs nicht die Eignung zukommen sollte, begründete Besorgnisse vor einem Anschlag auf das eigene sowie das Leben von Angehörigen (RIS Justiz RS0120471; Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 27) einzuflößen ( Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 33 f; RIS Justiz RS0093159, RS0092160).
[13] Mit ihrer gegen den Schuldspruchpunkt II. gerichteten Argumentation, das Herumfuchteln mit einem Messer sei „nur ein Akt übertriebener bzw dramatisierender Gestik“ missachtet die Rüge erneut die Gesamtheit der tatrichterlichen Konstatierungen, wonach der Angeklagte zudem mit dem Messer in der Hand schnell auf sein Opfer zuschritt (US 1, 4) und legt wiederum nicht dar, weshalb davon ausgehend der „objektive Tatbestand der gefährlichen Drohung“ nicht erfüllt sein sollte (vgl RIS Justiz RS0092343).
[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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