Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon. Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Prof. Dr. Klaus Mayr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * C*, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte OG in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei A* GmbH, *, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 5.086,67 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Mai 2021, GZ 12 Ra 35/21k 15, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Jänner 2021, GZ 19 Cga 85/20f 9, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin war von 1. 5. 2019 bis 30. 11. 2020 als Produktionsmitarbeiterin bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.180 EUR bei einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende und verarbeitende Industrie. Am 23. 9. 2020 sprach der Geschäftsführer der Beklagten mit Wirksamkeit zum 30. 11. 2020 die Kündigung der Klägerin aus.
[2] Im Betrieb der Beklagten war am 3. 9. 2020 eine „Corona Kurzarbeit Sozialpartnervereinbarung Betriebsvereinbarung“ in der Formularversion 7.0 (im Folgenden: Sozialpartnervereinbarung) abgeschlossen worden. Der zeitliche Geltungsbereich ist darin mit 3. bis 30. 9. 2020 fixiert. Aus dem mit Kurzarbeit übertitelten Punkt IV. ergibt sich eine Reduktion der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit um 90 % auf 3 Stunden 51 Minuten.
Der vereinbarte Unterpunkt 2. lautet auszugsweise:
2. Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes:
a) Während der Kurzarbeit (Behaltepflicht):
Der/Die ArbeitgeberIn ist verpflichtet, jenen Beschäftigtenstand im Betrieb aufrecht zu erhalten, der unmittelbar vor Beginn des Kurzarbeitszeitraumes (Abschnitt I Punkt 3) bestanden hat, sofern nicht bereits vorher festgelegte Änderungen, welche gemäß lit c) zulässig sind, berücksichtigt werden (Behaltepflicht).
[…]
b) Nach der Kurzarbeit (Behaltefrist):
Die Dauer der Behaltefrist nach Ende der Kurzarbeit beträgt einen Monat.
[ … ]
c) Gemeinsame Bestimmungen:
Arbeitgeberkündigungen dürfen frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden. Da von ausgenommen sind jedoch Kündigungen in den unten angeführten Fällen.
Folgende Beendigungen während der Kurzarbeit bzw. innerhalb der Behaltefrist lösen keine Auffüllverpflichtung aus:
• […]
Folgende Beendigungen während der Kurzarbeit bzw. innerhalb der Behaltefrist führen zu einer Auffüllverpflichtung:
• Kündigung durch den/die ArbeitgeberIn aus personenbezogenen Gründen, wenn die Kündigung während der Kurzarbeit oder vor Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen wird,
• [...]
[3] Auch die Klägerin war von dieser Betriebsvereinbarung umfasst.
[4] Die Klägerin begehrt eine Kündigungsentschädigung in unstrittiger Höhe von 5.086,67 EUR. Sie habe sich im Kündigungszeitpunkt in Kurzarbeit befunden. Durch die Zustimmung der Beklagten zur Kurzarbeit habe diese auf ihr Kündigungsrecht verzichtet, sodass die Kündigung rechtsunwirksam sei. Die Klägerin lasse diese Kündigung jedoch gegen sich gelten und mache anstelle des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses Schadenersatz in Form der Kündigungsentschädigung für die Dauer der nach Ablauf der Behaltefrist am 31. 10. 2020 einzuhaltenden Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Letzten eines Kalendermonats geltend. Die Kündigung hätte frühestens am 1. 11. zum 31. 12. 2020 ausgesprochen werden können. In der Person der Klägerin gelegene Kündigungsgründe gebe es nicht.
[5] Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte ein, mit der Sozialpartnervereinbarung gehe kein genereller Kündigungsschutz einzelner Mitarbeiter einher. Abgesehen davon lägen personenbedingte Kündigungsgründe vor. Die Beklagte habe auch ihrer Auffüllverpflichtung entsprochen und am 1. 10. 2020 einen neuen Mitarbeiter eingestellt. Die mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgte Kündigung sei rechtswirksam.
[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Durch die Kurzarbeit sei kein individueller Kündigungsschutz begründet worden. Daher könne dahingestellt bleiben, ob personenbedingte Kündigungsgründe vorgelegen seien. Die am 23. 9. zum 30. 11. 2020 ausgesprochene Kündigung sei fristgerecht erfolgt.
[7] Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und gab der dagegen gerichteten Berufung der Klägerin keine Folge. Selbst wenn man einen individuellen Kündigungsschutz bejahte, stünde der Klägerin die begehrte Kündigungsentschädigung nicht zu. Der Schutzzweck der Kündigungsbeschränkung spreche gegen einen finanziellen Ausgleich bei Verzicht auf den Arbeitsplatz. Es ließ aber die Revision zur Frage zu, ob einzelne Arbeitnehmer aus einer „Corona Kurzarbeit Sozialpartnervereinbarung“ ein subjektives Recht ableiten können, während der Kurzarbeit oder innerhalb der Behaltefrist nicht gekündigt zu werden, bzw im Falle des Akzeptierens der Kündigung Anspruch auf Kündigungsentschädigung zu haben.
[8] In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[9] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.
[10] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig , weil zur maßgeblichen Rechtsfrage bereits Judikatur vorliegt.
[11] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112921, RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn diese durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RS0112921 [T5]). Dies ist hier der Fall.
[12] 2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung vom 22. 10. 2021, 8 ObA 48/21y, zu der vom Berufungsgericht für erheblich erachteten Frage mit eingehender Begründung Stellung genommen. Zusammenfassend wurde die Frage, ob die Kündigungsbeschränkungen in einer vergleichbaren Kurzarbeitsvereinbarung bloß den Beschäftigtenstand in dem Unternehmen schützen sollen oder auch dem Arbeitnehmer einen individuellen Kündigungsschutz gewähren soll, dahin gelöst, dass sich aus den Bestimmungen des § 37b AMSG in Verbindung mit den maßgeblichen Regelungen der Kurzarbeitsvereinbarungen keine Unwirksamkeit einer während der Kurzarbeit oder der anschließenden Behaltefrist ausgesprochenen Kündigung ergibt, sondern die Förderung im Rahmen einer allfälligen Kündigungsanfechtung bei der Beurteilung des Vorliegens „betrieblicher Erfordernisse“ für die Kündigung (§ 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG) zu berücksichtigen ist. Ebenso wenig resultiert daraus eine Änderung der Kündigungsfristen und termine.
[13] 3. In der Entscheidung vom 29. 11. 2021, 8 ObA 50/21t, hat der Oberste Gerichtshof an die Ausführungen in der Entscheidung 8 ObA 48/21y anknüpfend weiters zu der Frage Stellung genommen, ob es einen Unterschied mache, wenn der (die) Arbeitnehmer/in (Kläger/in) die Sozialpartnervereinbarung zur Kurzarbeit mitunterfertigt hat und ist zu dem Ergebnis gelangt, aus der Formulierung, dass Arbeitgeberkündigungen frühestens nach Ablauf der Behaltefrist ausgesprochen werden dürfen, sei auch kein vereinbarter individueller Kündigungsschutz abzuleiten. Auf die Begründung dieser Entscheidung kann ebenfalls verwiesen werden.
[14] 4. Im vorliegenden Fall erfolgte die Umsetzung der Sozialpartnervereinbarung nicht durch Abschluss einer Einzelvereinbarung, sondern mittels Betriebsvereinbarung. Deren Text ist jener, der in der Formularversion der Sozialpartnervereinbarung vorgesehen ist (und dort „gleichzeitig“ als eine „Betriebsvereinbarung/Vereinbarung über Begleitmaßnahmen während der Kurzarbeit insbesondere gemäß § 97 Abs 1 Z 13 ArbVG [Betriebsvereinbarung über vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit und eine damit verbundene Nettogarantie] ...“ bezeichnet wird).
[15] Haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Abschluss der Betriebsvereinbarung der Sozialpartnervereinbarung unterworfen, ist die Auslegung der Sozialpartnervereinbarung auch für die Auslegung der Betriebsvereinbarung maßgeblich. Lässt sich aus der Sozialpartnervereinbarung im Wege objektiver Auslegung kein individueller Kündigungsschutz ableiten, trifft dies auch auf die Betriebsvereinbarung zu. Die – in der Literatur nicht einheitliche beantwortete – Frage, ob ein individueller Kündigungsschutz in einer Betriebsvereinbarung nur mittels einer unechten Betriebsvereinbarung erreichbar wäre oder doch auf der Grundlage des § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG geregelt werden könnte, kann daher dahingestellt bleiben (bejahend Pfeil , Corona Kurzarbeit und Bestandsschutz, DRdA 2021, 179 [187]; aA Marhold ASoK 2021, 238 [24]).
[16] 5. Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht damit höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Die Revision der Klägerin war mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
[17] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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