Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon. Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Angela Taschek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** P*****, vertreten durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, Graz, gegen die beklagte Partei Verein *****, vertreten durch Weinrauch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.431,63 EUR brutto sA (Revisionsinteresse), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. März 2021, GZ 6 Ra 77/20w 23, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, arbeitsmarktfernen Personen den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Sie wird vom AMS im Rahmen von dessen Förderschiene „gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt“ finanziert. Die Klägerin war bei der Beklagten vom 15. 1. 2018 bis 31. 12. 2018 als Transitarbeitskraft im Ausmaß von 40 Wochenstunden beschäftigt und wurde als solche an den Magistrat ***** zur Arbeitsleistung überlassen. Das Vertragsverhältnis wurde in der Folge bis 30. 6. 2019 verlängert.
[2] Nach Pkt 2. des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen, als solchen bezeichneten Angestellten-Dienstvertrags galt als ausdrücklich vereinbart, dass das Dienstverhältnis auch während der Befristung von jedem Teil „unter vorheriger Einhaltung der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Die Kündigung kann zum 15. oder zum letzten Tag des Monats eingebracht werden.“ Nach Pkt 15. des Vertrags ist der anzuwendende Kollektivvertrag „der Überlassungsvereinbarung (integrierender Vertragsbestandteil) zu entnehmen“. Pkt 5. der Überlassungsvereinbarung nennt den für die Dauer der Überlassung gebührenden Bruttomonatslohn/Gehalt und hält fest: „Angewandter Kollektivvertrag: fürs Grazer Vertragsbediensteten Gesetz Einstufung Klasse C“.
[3] Die Beklagte kündigte das Dienstverhältnis mit Schreiben vom 26. 4. 2019 zum 31. 5. 2019 auf.
[4] Soweit noch revisionsgegenständlich, begehrte die Klägerin wegen fristwidriger Beendigung des Dienstverhältnisses unter Berufung auf eine sechswöchige Kündigungsfrist 1.783,43 EUR brutto sA an Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung bis 15. 6. 2019. Anders als das Erstgericht gab das Berufungsgericht dem Klagebegehren statt.
[5] In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision richtet sich die Beklagte gegen die vom Berufungsgericht bejahte Anwendung des AngG, weil die Tätigkeit der Klägerin primär in ihrem Eigeninteresse erfolgt sei und der nicht ökonomische (austauschfremde) Zweck dominiere, womit ein Kriterium für das Vorliegen eines Arbeitsvertrags fehle. Damit zeigt sie keine ihrem Standpunkt günstige Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[6] Ein befristet abgeschlossenes Vertragsverhältnis endet grundsätzlich durch Fristablauf. Die Streitteile vereinbarten die Möglichkeit einer Kündigung, wobei die Kündigung zum 15. oder zum Letzten eines Monats „eingebracht“ werden konnte. Für die Kündigungsfrist wurde auf die Einhaltung „der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Kündigungsfrist“ verwiesen.
[7] Dass die in § 39 Abs 2 SWÖ KV vorgesehene vierwöchige Kündigungsfrist nach Maßgabe des § 2 Abs 3 lit c oder § 2 Abs 4 lit b SWÖ KV hier nicht anwendbar ist, bestreitet die Beklagte nicht (s auch 9 ObA 101/20y, Pkt 4.). Eine andere kollektivvertragliche Kündigungsfrist führt sie nicht ins Treffen.
[8] Dass § 34 des Grazer GemeindevertragsbedienstetenG (Kündigungsfristen) unmittelbar auf die Klägerin anwendbar wäre, behauptet die Beklagte nicht. Gegen die Auslegung des Berufungsgerichts, dass Pkt 5. der Überlassungsmitteilung nur hinsichtlich der gehaltsrechtlichen Einstufung der Klägerin, nicht aber hinsichtlich der Kündigungsfrist auf das Grazer GemeindevertragsbedienstetenG verwies, richtet sich die Beklagte nicht. Sie kann sich damit auch nicht darauf berufen, dass die Geltung der in diesem Gesetz normierten Kündigungsfrist mit der Klägerin vereinbart worden wäre. Auch dass die Kündigungsfrist des AÜG nicht anwendbar ist (§ 1 Abs 4 Z 1 iVm § 10 Abs 5 AÜG), bezweifelt die Beklagte nicht.
[9] Folgt man nun der Beklagten darin, dass das Dienstverhältnis der Klägerin auch nicht dem AngG unterliegt, wäre für sie nichts gewonnen, weil sie auch keine andere Norm darlegt, die die von ihr herangezogene Kündigungsfrist von vier Wochen rechtfertigen würde. Ihre Schlussfolgerung, dass das Vertragsverhältnis dann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist entweder zum 15. oder Letzten eines Monats gekündigt werden konnte, würde bedeuten, dass die Vertragsbeendigung zwei Mal monatlich sogar fristlos erfolgen könnte. Ein solches Verständnis der Vereinbarung ist den Streitteilen nicht zu unterstellen, gingen sie doch von der Einhaltung einer Kündigungsfrist aus.
[10] Angesichts dessen, dass die Streitteile ihr Vertragsverhältnis als „Angestellten
[11] Damit hat sich die Klägerin aber zutreffend auf die Fristwidrigkeit der Kündigung berufen, ohne dass es auf die Frage, ob das Vertragsverhältnis der Klägerin per se als Angestellten Dienstverhältnis iSd AngG anzusehen ist, ankäme.
[12] Entgegen dem Revisionsvorbringen ergibt sich aus den Feststellungen auch nicht, dass das Dienstverhältnis mündlich bereits zum 18. 4. 2019 einvernehmlich aufgelöst worden wäre. Dass die Klägerin sagte, am nächsten Tag zur Beklagten zu kommen, um die einvernehmliche Auflösung zu unterschreiben (was sie nicht tat), zwingt in der vorliegenden Konstellation nicht zur Annahme eines entsprechenden Bindungswillens der Klägerin.
[13] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.
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