Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Christof Joham und Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwälte in Eugendorf, gegen die beklagte Partei Mag. G*****, vertreten durch die Müller Schubert Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 70.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. November 2020, GZ 6 R 74/20z 35, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 30. April 2020, GZ 57 Cg 3/19y 29, nicht Folge gegeben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.288,70 EUR (darin 381,45 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] 1995 schlossen unter anderem der Beklagte und die Klägerin ein Erbübereinkommen mit folgendem Inhalt ab: „Der erblasserische Sohn (der Beklagte) räumt seiner Schwester (der Klägerin) hinsichtlich des in sein Eigentum übernommenen Grundstückes Nr ***** (Seegrundstück) in EZ *****, das Benutzungsrecht an diesem Grundstück ein und zwar gilt dieses Recht persönlich und auf Lebenszeit für die erblasserische Tochter, für ihren Ehegatten und für ihre Kinder samt allfälliger Besucher.“
[2] Aufgrund des Bescheids der Bezirkshauptmannschaft vom 3. 5. 2016 ist der jeweilige Eigentümer der Liegenschaft berechtigt und verpflichtet, zwischen dem 1. Mai und 30. September eines jeden Jahres (Badesaison) am bergseitigen Plateau des Grundstücks mit drei Pkw zu parken; während der Badesaison eine Gerätekiste aufzustellen; eine Sichtschutzhecke vor dem Pkw-Abstellplatz zu bepflanzen; Holzstufen im Bereich der Böschung mit maximal 1 m Breite und maximal 25 cm Höhe zu errichten; während der Badesaison Liegestühle, Sessel, Bänke, Schirme, mobiler Griller aufzustellen.
[3] Der Beklagte verkaufte im August 2016 die Liegenschaft an einen Dritten. Im Kaufvertrag übernahm er die Haftung dafür, dass das Vertragsobjekt lastenfrei, bestandfrei und frei von bücherlichen und allfälligen Bestandrechten oder sonstigen Rechten Dritter in den freien Besitz und das Eigentum des Käufers übergeht.
[4] Der Wert des eingeräumten (Mit )Benützungsrechts der Klägerin auf ihre Lebzeit zum 4. 8. 2016 beträgt 85.000 EUR. Der Beklagte zahlte der Klägerin während des Verfahrens 15.000 EUR.
[5] Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung weiterer 70.000 EUR. Der Beklagte habe die Liegenschaft ohne Berücksichtigung des Benutzungsrechts der Klägerin verkauft. Dieses Recht habe zum Zeitpunkt des Verkaufs einen Wert von zumindest 85.000 EUR gehabt.
[6] Der Beklagte bestritt und wandte im Wesentlichen ein, bei der Liegenschaft handle es sich um ein Waldgrundstück. Der dem Grundstück vorgelagerte Uferstreifen befinde sich im Eigentum des Landes. Es handle sich um ein Landschaftsschutzgebiet. Weder der Eigentümer noch ein Nutzungsberechtigter seien befugt, Dritten den Aufenthalt im Wald oder am Seeufer zu untersagen. Vergleichbare Badeplätze würden für einen Jahresbetrag von sogar unter Einräumung eines Alleinbenützungsrechts wesentlich günstiger vermietet.
[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Aufgrund der dinglichen Wirkung des naturschutzbehördlichen Bewilligungsbescheids seien die sich daraus ergebenden Rechte entgegen der Ansicht des Beklagten auch bei Bewertung des Nutzungsrechts der Klägerin zu berücksichtigen.
[8] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, da keine oberstgerichtliche Judikatur zu den Wirkungen eines dinglichen Naturschutzbescheids auf ein früher begründetes obligatorisches Benutzungsrecht aufgefunden werden konnte.
[9] Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen de r Vorinstanzen aufzuheben.
[10] Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
[11] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[12] 1. Der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage, inwieweit ein Naturschutzbescheid Auswirkungen auf ein zuvor für die betroffene Liegenschaft vereinbartes Benutzungsrecht hat, kommt schon deshalb keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, da ihre Beantwortung im Wesentlichen von der Auslegung der zwischen den Parteien hinsichtlich des Nutzungsrechts getroffenen Vereinbarung abhängt. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936).
[13] 2. Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Vielmehr ist die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Es ist also nicht das, was schriftlich geäußert wurde, allein entscheidend (RS0017797). Die einfache Vertragsauslegung geht so weit, als der ermittelte Sinn im Wortlaut der Erklärung noch eine Stütze findet (RS0017797 [T6]).
[14] 3. Im vorliegenden Fall wurde im Erbteilungsübereinkommen zwischen den Parteien vereinbart, dass der Klägerin auf Lebenszeit ein Benutzungsrecht für sich, ihre Familie und allfällige Besucher eingeräumt wird, wobei es im Wesentlichen um ein Baderecht, also den Seezugang und die damit verbundene Nutzung zu Badezwecken ging.
[15] Wenn die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, dass die Klägerin dieses Recht auch in Bezug auf die jeweiligen naturschutzrechtlichen Beschränkungen wie der Eigentümer selbst nutzen durfte, hält sich diese Auslegung im Rahmen des eingeräumten Ermessensspielraums. Ob der naturschutzrechtliche Bescheid dabei als Beschränkung oder Erweiterung der Eigentümerbefugnisse angesehen wird, ist daher nicht von Relevanz.
[16] Tatsächlich lässt sich dem Vertrag nicht entnehmen, dass der Klägerin eine Mitbenutzung nur im Rahmen des zur Ausübung des Baderechts unbedingt erforderlichen Maß einräumt oder die Nutzung sonst in irgendeiner Weise beschränkt werden sollte. Insbesondere kann aber den Parteien nicht die Absicht unterstellt werden, dass die Klägerin nicht an Veränderungen durch behördliche Genehmigungen partizipieren sollte, die gerade im Zusammenhang mit dem Zweck der ihr eingeräumten Nutzungsmöglichkeit (Baderecht) stehen.
[17] Dass die Vorinstanzen daher der Bewertung des Rechts der Klägerin die Nutzungsmöglichkeit zum Zeitpunkt der Veräußerung der Liegenschaft durch den Beklagten zugrunde legten, ist nicht zu beanstanden.
[18] 4. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[19] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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