Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 21. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauss als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwältin in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 18. September 2017, AZ D 5/17, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, des Kammeranwalts Dr. Kaska und der Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Unterstellung der Tat als Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Disziplinarbeschuldigte für das ihr weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt zu einer Geldbuße von 1.500 Euro verurteilt.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Kammeranwalt auf die Strafneubemessung verwiesen.
Der Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 18. September 2017, AZ D 5/17, wurde ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil sie im Oktober 2016 insgesamt fünf Akquisitionsschreiben an Immobilienbüros, unter anderem auch jenes vom 13. Oktober 2016 an die W*****GmbH gerichtet und in diesen Schreiben für die Vermittlung von Kauf und Bestandsverträgen eine Akquisitionsprämie von ab 5 % der mit dem Käufer/Bestandnehmer vereinbarten Nettohonorarpauschale und ferner bei laufender Kooperation die unentgeltliche außergerichtliche Geltendmachung von Vermittlungsprovisionen angeboten hatte.
Über sie wurde die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises gemäß § 16 Abs 1 Z 1 DSt verhängt. Zugleich wurde sie verpflichtet, die Verfahrenskosten zu tragen.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung des Kammeranwalts wegen des Ausspruchs über die Strafe.
Aus Anlass der Berufung überzeugte sich der Oberste Gerichtshof vom Vorliegen einer von Amts wegen wahrzunehmenden materiellen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO iVm § 290 Abs 1 StPO, § 77 Abs 3 DSt).
Die im Schuldspruch zum Ausdruck gebrachte unzulässige Werbung begründet zwar das Vergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes, nicht jedoch eine Verletzung von Berufspflichten (vgl RIS Justiz RS0123543; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/ Rohregger/Vitek , RAO 9 § 1 DSt Rz 70).
Das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in der Unterstellung der Tat auch als Disziplinarvergehen nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt ebenso wie im Strafausspruch aufzuheben.
Demgemäß war für das der Disziplinarbeschuldigten weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt eine Strafe neu zu bemessen.
Dabei war die Unbescholtenheit und die geständige Verantwortung als mildernd zu werten, als erschwerend hingegen war die mehrfache Tatbegehung.
Angesichts des gezielten Vorgehens, indem die Disziplinarbeschuldigte entgegen § 47 Abs 3 Z 6 RL BA 2015 in zweifacher Weise für Mandatszuführungen Vorteile anbot, nämlich einerseits durch Zahlung einer Prämie von ab 5 % ihres zu vereinbarenden Nettohonorarpauschales und zum anderen auch durch das Anbot der unentgeltlichen außergerichtlichen Geltendmachung von Vermittlungs-provisionen, genügt die in der angefochtenen Entscheidung festgesetzte Disziplinarstrafe eines schriftlichen Verweises gemäß § 16 Abs 1 Z 1 DSt weder general noch spezialpräventiven Belangen. In Abwägung des Unrechtsgehalts der Taten und der Schuld der Disziplinarbeschuldigten und unter der Annahme durchschnittlicher Einkünfte einer Rechtsanwältin war daher eine Geldbuße von 1.500 Euro festzusetzen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.
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