Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zbigniew K***** und einen anderen Beschuldigten wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, AZ 32 U 44/11s des Bezirksgerichts Favoriten (vormals AZ 4 U 489/92 des Strafbezirksgerichts Wien), über die von der Generalprokuratur gegen die Strafverfügung vom 24. April 1992, GZ 4 U 489/92 4, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Koenig, zu Recht erkannt:
Die Strafverfügung des Strafbezirksgerichts Wien vom 24. April 1992, GZ 4 U 489/92 4, verletzt §§ 2 Abs 1, 451 Abs 1 zweiter Satz StPO jeweils idF BGBl 1987/605.
Diese Strafverfügung wird (ersatzlos) aufgehoben.
Gründe:
Nach Einlangen einer Anzeige der BPD Wien vom 28. März 1992 gegen Zbigniew K***** und Andrzey Ku***** betreffend die „Entwendung“ von Lebensmitteln zum Nachteil der B***** P***** Lebensmittelhandels-AG am 28. März 1992 in 1100 Wien (ON 2) stellte der Bezirksanwalt am 22. April 1992 beim Strafbezirksgericht Wien den Antrag auf Bestrafung des Zbigniew K***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB. Zu Andrzey Ku***** unterblieb jegliche Erklärung (ON 1 S 1).
Das Strafbezirksgericht Wien erließ daraufhin am 24. April 1992 zu AZ 4 U 489/92 (nunmehr AZ 32 U 44/11s des Bezirksgerichts Favoriten) zwei Strafverfügungen, und zwar eine betreffend Zbigniew K***** (ON 3) und eine betreffend Andrzey Ku***** (ON 4). Mit letzterer wurde Andrzey Ku***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er am 28. März 1992 in Wien Gewahrsamsträgern der „Firma B*****“ fremde bewegliche Sachen, nämlich zwei Packungen tiefgefrorenen Hummer im Gesamtwert von 159,80 S, mit dem Vorsatz wegzunehmen versuchte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Waren in seinen Hosenbund steckte und ohne zu bezahlen die Kassa passieren sowie das Geschäft verlassen wollte.
Nach Zustellung an die Staatsanwaltschaft Wien und deren Erklärung vom 30. April 1992, keinen Einspruch gegen die Strafverfügung zu erheben, verfügte das Strafbezirksgericht Wien am 6. Mai 1992 mit StPOForm U 11 deren Zustellung zu eigenen Handen des Beschuldigten, welche bislang – trotz langjähriger Ausschreibung desselben zur Aufenthaltsermittlung im Inland (ON 10, 11, 19, 21, 23, 33, 37, 38, 38a, 41, 42, 48, 51, 56, 58, 61, 65) – nicht rechtswirksam durchgeführt werden konnte.
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht die Strafverfügung ON 4 mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Der Schuldspruch nach §§ 15, 127 StGB verstößt gegen den gemäß § 2 Abs 1 StPO iVm § 451 Abs 1 StPO (jeweils in der zum Zeitpunkt der Erlassung der Strafverfügung in Kraft befindlichen Fassung BGBl 1987/605) auch für das bezirksgerichtliche Verfahren geltenden Anklagegrundsatz, demzufolge eine gerichtliche (Verfolgung und) Verurteilung wegen einer bestimmten Tat ohne Anklage unzulässig ist (vgl 13 Os 58/99, 59/99).
In Stattgebung der Wahrungsbeschwerde erachtete der Oberste Gerichtshof für tunlich, neben der Feststellung der Gesetzesverletzung die Strafverfügung trotz bislang nicht erfolgter Zustellung aufzuheben (§ 292 letzter Satz StPO), wodurch auch die nachfolgenden gerichtlichen Verfügungen und Beschlüsse betreffend Andrzey Ku***** gegenstandslos werden.
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