Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. J*****, vertreten durch Dr. Clemens Vintschgau, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Birnbaum – Toperczer – Pfannhauser, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert 7.000 EUR), aus Anlass der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2. Februar 2016, GZ 44 R 16/16b 11, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 23. November 2015, GZ 17 C 1286/15k 7, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Aus Anlass der Revision der klagenden Partei wird das Urteil des Berufungsgerichts als nichtig aufgehoben und der als „Berufung“ bezeichnete Rekurs gegen den als „Urteil“ bezeichneten Beschluss des Erstgerichts zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde im April 2014 geschieden. Während des Scheidungsverfahrens schlossen die Parteien im Oktober 2010 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie vereinbarten, dass der Kläger bis zur rechtskräftigen Erledigung des Aufteilungsverfahrens sämtliche Kosten für die (näher bezeichnete) von ihm allein benutzte, der Beklagten gehörende Eigentumswohnung „zur alleinigen Zahlung“ übernehmen sollte.
Im Zeitraum von November 2010 bis 31. Jänner 2015 leistete der Kläger die für diese (von ihm genutzte) Wohnung vorgeschriebenen Beträge nur teilweise, weshalb die Beklagte als Wohnungseigentümerin die jeweiligen Restbeträge an die Hausverwaltung überwies und diese Beträge vom Kläger einforderte. In vier Gerichtsverfahren (zu 1 C 37/11k, 1 C 2/13s, 1 C 2/14t und 1 C 4/15p je des Erstgerichts) wurde der Kläger (dort als Beklagter) jeweils zur Zahlung der von der Beklagten (dort als Klägerin) eingeklagten Beträge (insgesamt für den Zeitraum zwischen November 2010 bis einschließlich Jänner 2015) verpflichtet. Den jeweils erhobenen Berufungen des Klägers gegen die Urteile wurde nicht Folge gegeben und seine in einem dieser vier Verfahren erhobene außerordentliche Revision wurde zurückgewiesen (2 Ob 177/12m).
Mit Klage vom 15. Oktober 2015 begehrte der Kläger, die Beklagte zu verpflichten, ihm über die Verwaltung der von ihm genutzten Wohnung für den Zeitraum November 2010 bis Dezember 2014 ordnungsgemäß Rechnung zu legen und ihm den sich aufgrund der Rechnungslegung ergebenden Guthabensbetrag zu zahlen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit „Urteil“ vom 23. November 2015, den Parteien zugestellt am 24. November 2015, mit der Begründung „ab“, dass für den gesamten im Klagebegehren genannten Zeitraum bereits rechtskräftige Entscheidungen über die Zahlungsverpflichtung des Klägers vorlägen, weshalb die Einmaligkeitswirkung einer neuerlichen Entscheidung über die bereits entschiedene Hauptfrage entgegen stehe.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 21. Dezember 2015 „Berufung“.
Das Rechtsmittelgericht gab dem Rechtsmittel nicht Folge. Es führte aus, die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht hätte dazu führen müssen, die Klage mit Beschluss zurückzuweisen. Tatsächlich liege hier jedoch keine entschiedene Rechtssache vor, weil das Rechnungslegungsbegehren mit den (vier) Zahlungsbegehren nicht ident sei, auch das Tatsachenvorbringen stimme nicht überein und die Parteirollen würden divergieren. Eine Rechnungslegungspflicht der Beklagten sei dem Vergleich der Parteien vom Oktober 2010 allerdings nicht zu entnehmen und auch sonst gebe es keinen Rechtsgrund für eine Pflicht der Beklagten zur Rechnungslegung, was daher zur Abweisung des Klagebegehrens führen müsse.
Aus Anlass der vom Rechtsmittelgericht für zulässig erklärten Revision und nach Nachholung des Ausspruchs, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt ist vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen, dass das vom Rechtsmittelgericht gefällte, klagsabweisende Urteil nichtig ist:
Aus der Begründung der erstgerichtlichen Entscheidung ergibt sich unmissverständlich, dass die Erstrichterin die Klage tatsächlich zurück- und nicht abweisen wollte. Die rechtliche Beurteilung wurde allein darauf gestützt, dass über die Frage der – mit seinem Rechnungslegungsbegehren gegenüber der Beklagten neuerlich in Zweifel gezogenen – Zahlungsverpflichtung des Klägers, die in vier Gerichtsverfahren über den gesamten Zeitraum, auf die sich auch sein Begehren bezieht, rechtskräftige Gerichtsentscheidungen über seine Zahlungspflicht gegenüber der Beklagten vorliegen, weshalb eine neuerliche Entscheidung über den selben Streitgegenstand nicht zulässig sei.
Das Vergreifen in der Entscheidungsform (Fällung eines Urteils statt richtig eines Beschlusses) beeinflusst weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels (RIS Justiz RS0036324 [T1]; RS0041880 [T1]) und verlängert nicht die Rechtsmittelfrist, weil auch Gerichtsfehler nicht zur Verlängerung von Notfristen führen können (RIS Justiz RS0036324 [T14]).
Der Kläger hat sein Rechtsmittel gegen den (richtig:) Beschluss des Erstgerichts erst nach Ablauf der 14 tägigen Rekursfrist des § 521 Abs 1 ZPO erhoben. Die sachliche Erledigung des verspäteten Rechtsmittels durch das Rechtsmittelgericht, das mit seiner Bestätigung inhaltlich (wenn auch im abweisenden Sinn) über das bereits rechtskräftig zurückgewiesene Klagebegehren entschieden hat, begründet – wegen des darin gelegenen Eingriffs in die Rechtskraft der erstgerichtlichen Entscheidung – Nichtigkeit. Dies ist vom Obersten Gerichtshof aus Anlass der rechtzeitigen Revision von Amts wegen wahrzunehmen und führt zur Aufhebung der nichtigen zweitinstanzlichen Entscheidung und zur Zurückweisung des verspäteten Rekurses (RIS-Justiz RS0122081; RS0062118; vgl auch RS0107779; RS0039826).
Die Kostenaufhebung beruht auf § 51 Abs 2 ZPO. Die Beklagte hat auf die Verspätung der „Berufung“ nicht hingewiesen.
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