Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Johann Sommer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Zentralausschuss der Bediensteten der Ö***** AG, *****, vertreten durch Mag. Helmut Hohl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (§ 70 Abs 3 PBVG), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 22. Juli 2015, GZ 7 Ra 40/15a 14, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Ein der Klägerin zur Dienstleistung zugewiesener Bundesbeamter übte als Mitglied des beklagten Zentralausschusses der Bediensteten der Klägerin die Funktion eines in den Aufsichtsrat entsandten Personalvertreters aus und war zugleich Vorsitzender einer Fraktion einer Gewerkschaft. Die Klägerin leitete gegen ihn ein Disziplinarverfahren ein und warf ihm in der Disziplinaranzeige vor, dass er
gegenüber einer Tageszeitung bewusst und geplant und daher gerade nicht als Spontanreaktion auf ein unmittelbar davor gesetztes Verhalten der Klägerin unternehmensschädigende Falschinformationen verbreitet habe. Diese wider besseren Wissens verbreiteten Falschinformationen suggerieren grundlos eine bevorstehende Kündigungswelle bei der Klägerin und verunsichern und beunruhigen dadurch deren Belegschaft. Die Falschinformationen erschüttern auch das Vertrauen in die Klägerin als zuverlässigen Arbeitgeber und gefährden das Vertrauen und Image im Geschäftsverkehr und gegenüber den Kunden. Ferner habe der Bundesbeamte auf der Homepage seiner Fraktion sowie in einer Fraktionszeitschrift im Namen der Fraktion und in seiner Eigenschaft als Funktionär der Fraktion eine ihm aus seiner Aufsichtsratstätigkeit bekannte, vertrauliche Vorstandsunterlage veröffentlicht, die im Detail den geplanten Mitarbeiterabbau für die nächsten Jahre darstellt.
Die Vorinstanzen gaben dem Begehren der Klägerin auf Feststellung, dass die dem Personalvertreter in der Disziplinaranzeige vom 6. 6. 2014 vorgeworfenen Handlungen nicht in Ausübung seines Mandats als Mitglied des Zentralausschusses erfolgt seien, statt. In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 ZPO auf:
1. Gemäß § 70 Abs 1 PBVG dürfen Mitglieder von Personalvertretungsorganen (...), die in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis stehen, wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Organs, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Nach Abs 3 leg cit hat das Personalvertretungsorgan die Zustimmung zu erteilen, wenn es zu dem Ergebnis gelangt, dass die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung des Mandats erfolgt sind. Erteilt das Personalvertretungsorgan die Zustimmung nicht, hat das Gericht aufgrund einer Klage festzustellen, ob die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung des Mandats erfolgt sind.
2. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen Äußerungen oder Handlungen eines Personalvertreters (noch) unter den dadurch vermittelten Schutz fallen, bereits mehrmals auseinandergesetzt (8 ObA 76/07w; 9 ObA 90/12v; 9 ObA 71/14b; 8 ObA 77/14b) und dabei ua auf die Spruchpraxis der Personalvertretungs-Aufsichtskommission (PVAK; nunmehr: Personalvertretungsaufsichtsbehörde) zur vergleichbaren Bestimmung des § 28 PVG Bezug genommen. Hervorzuheben ist daraus, dass Handlungen eines Personalvertreters der Personalvertreter-Funktion nur zugeordnet werden können, wenn sie einem Dienstgeber-Vertreter, einem Bediensteten der Dienststelle, bei der der Ausschuss besteht, einem anderen vom Ausschuss zu vertretenden Bediensteten oder einem anderen Personalvertreter gegenüber gesetzt worden sind (8 ObA 76/07w; 8 ObA 77/14b). Kontakte zu Massenmedien, wie das Schreiben von Leserbriefen an Tageszeitungen oder auch die Gewährung von Interviews, gehören daher nicht zu den Möglichkeiten, die das Gesetz den Organen der Personalvertretung im Rahmen der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben gestattet (A 11 PVAK/08 mwN; 8 ObA 77/14b).
Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Personalvertreters bzw der Umstand, dass er die Grenzen seiner Funktion (bewusst oder unbewusst) überschreitet, schließt seine Immunität iSd § 70 PBVG jedoch nicht zwangsläufig aus. Denn es liegt im Wesen der Immunität, dass auch gewisse Dienstpflichtverletzungen sanktionslos zu bleiben haben, sodass bis zu einem gewissen Grad auch Äußerungen oder Handlungen, die nicht mehr dem Personalvertreter obliegen, immer noch dem Schutz des § 70 PBVG unterfallen. § 70 PBVG dient ja dazu, auch etwaige an sich eine Dienstpflichtverletzung darstellende Fehler von Personalvertretern, die auch im unrichtigen Erkennen der Grenzen ihrer Aufgaben bestehen können, sanktionsfrei zu stellen (A 11-PVAK/08 mwN; 8 ObA 77/14b).
Ob unter Anwendung der von der bisherigen Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze Äußerungen oder Handlungen eines Personalvertreters im Schutzbereich des § 70 PBVG liegen, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die von Fällen grober Fehlbeurteilung der zweiten Instanz abgesehen keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage begründen (RIS Justiz RS0123087 [T2]). Das ist auch hier nicht der Fall.
3. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist dem Vorwurf nicht schon von vornherein schlüssig zu entnehmen, dass die Aussagen des Personalvertreters nur im Rahmen seiner Funktion als solcher getätigt worden sein konnten. Wie dargelegt, gehören Kontakte zu Massenmedien nämlich grundsätzlich nicht zu den Möglichkeiten, die das Gesetz den Organen der Personalvertretung im Rahmen der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben gestattet. Aus der Entscheidung 8 ObA 77/14b ergibt sich nichts anderes, ging der Oberste Gerichtshof doch auch dort von diesen Grundsätzen und davon aus, dass ein Personalvertreter durch die Gewährung eines Interviews seine Befugnisse als Personalvertreter überschreitet und daher nicht mehr in Ausübung seines Mandats handelt. Ein vergleichbarer Sachverhalt, der in 8 ObA 77/14b trotz Überschreitung der Befugnisse des Personalvertreters die Beurteilung rechtfertigte, das Verhalten des Personalvertreters sei noch vom Schutz des § 70 PBVG erfasst, liegt hier nicht vor.
4. Dass rein fraktionelle Tätigkeiten, die unabhängig von der Ausübung der Personalvertretungstätigkeit erfolgen, nicht vom Mandat des § 70 Abs 3 PBVG umfasst sind, wurde bereits zu 9 ObA 90/12v ausgesprochen (dort: für Fraktion werbende Aufkleber auf Dienstfahrzeug). Dies kann für die unter Pkt 2. der Disziplinaranzeige erhobenen Vorwürfe, der Personalvertreter habe auf der Fraktions-Homepage sowie in der Fraktionszeitschrift im Namen der Fraktion und in seiner Eigenschaft als Fraktionsfunktionär eine ihm aus seiner Aufsichtsratstätigkeit bekannte, vertrauliche Vorstandsunterlage veröffentlicht, die im Detail den geplanten Mitarbeiterabbau für die nächsten Jahre darstellt, nicht anders gesehen werden.
5. Der Rechtsansicht der Vorinstanzen liegt danach keine grobe korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zugrunde.
Da der Beklagte sohin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist seine außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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