Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario F***** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB, AZ 4 U 90/14h des Bezirksgerichts Villach, über die von der Generalprokuratur gegen einen Vorgang in diesem Verfahren sowie den Beschluss dieses Gerichts vom 14. Oktober 2014, GZ 4 U 90/14h 7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Mag. Harammer, zu Recht erkannt:
In der Strafsache AZ 4 U 90/14h des Bezirksgerichts Villach verletzen
1./ der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 14. Oktober 2014, GZ 4 U 90/14h 7, § 53 Abs 1, Abs 3 StGB sowie § 86 Abs 1 StPO;
2./ die Unterlassung der Zustellung einer Ausfertigung des Protokolls über die Hauptverhandlung am 14. Oktober 2014 an den Angeklagten spätestens mit der Urteilsausfertigung § 271 Abs 6 letzter Satz StPO iVm § 447 StPO.
Der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 14. Oktober 2014 wird aufgehoben und der ihm zugrunde liegende Antrag der Staatsanwaltschaft auf Absehen vom Widerruf und Verlängerung der Probezeit zu AZ 10 U 23/11w des Bezirksgerichts Villach abgewiesen.
Gründe:
Mit am 9. Mai 2011 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 5. Mai 2011, GZ 10 U 23/11w 10, wurde Mario F***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Wochen verurteilt.
Mit rechtskräftigem (Abwesenheits )Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 14. Oktober 2014, GZ 4 U 90/14h 7, wurde der Genannte eines „in der Zeit vom 24. Mai 2014 bis 11. August 2014“ begangenen Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Unter einem fasste die Einzelrichterin auf Antrag der Staatsanwaltschaft (ON 3 S 1) den Beschluss, vom Widerruf der im Verfahren AZ 10 U 23/11w des Bezirksgerichts Villach gewährten bedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO abzusehen, jedoch gemäß Abs 6 leg cit die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern (ON 7 S 2). Dem Angeklagten wurde eine Ausfertigung des Urteils samt Rechtsmittelbelehrung gemäß § 427 Abs 3 StPO zugestellt. Eine Zustellung der Ausfertigung des Hauptverhandlungsprotokolls ON 6 an den Genannten ist unterblieben.
Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht der Beschluss des Bezirksgerichts Villach und der Vorgang der Unterlassung der Zustellung des Protokolls über die Hauptverhandlung spätestens zugleich mit dem Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Nach § 53 Abs 1, Abs 3 StGB setzt die Verlängerung einer Probezeit anlässlich des Absehens vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht eine Verurteilung wegen einer während dieser Probezeit begangenen strafbaren Handlung voraus.
Vorliegend endete die im Verfahren AZ 10 U 23/11w angeordnete Probezeit am 9. Mai 2014, sodass deren Verlängerung wegen einer erst später begangenen strafbaren Handlung nicht zulässig war.
Hinzu kommt, dass jeder Beschluss gemäß § 86 Abs 1 StPO neben dem Spruch und der Begründung auch eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten hat, welchen Erfordernissen der gegenständliche, im Abwesenheitsverfahren verkündete und ohne entsprechende Erläuterung ausgefertigte nicht genügt.
Gemäß § 271 Abs 6 letzter Satz StPO iVm § 447 StPO ist eine Ausfertigung des Hauptverhandlungsprotokolls den Beteiligten, soweit sie nicht darauf verzichtet haben, ehestmöglich, spätestens aber zugleich mit der Urteilsausfertigung zuzustellen. Indem das Bezirksgericht die Zustellung des Protokolls an den Angeklagten unterließ, ist es dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen.
Da die eingangs aufgezeigte Gesetzesverletzung geeignet ist, zum Nachteil des Verurteilten zu wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung mit der aus dem Spruch ersichtlichen konkreten Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
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