Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bachl als Schriftführerin in der Strafsache gegen DDr. Raluca T***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Oktober 2014, AZ 123 Hv 9/13i, sowie über deren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung dieses Rechtsmittels nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird verweigert.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, am 3. Oktober 2014, einem Freitag, verkündeten Urteil wurden nachdem in demselben Verfahren über die gegen DDr. Raluca T***** und acht weitere Angeklagte erhobene Anklage mit am selben Tag verkündetem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht, AZ 123 Hv 9/13i, abgesprochen worden war die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Verhängung von Verbandsgeldbußen über die belangten Verbände O***** GmbH sowie M***** AG abgewiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wurde erst am 13. Oktober 2014 somit nach Ablauf der dafür zur Verfügung stehenden dreitägigen Frist ab der Verkündung des Urteils (§ 284 Abs 1 StPO) angemeldet.
In ihrem zugleich damit eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen das Versäumen dieser Frist bringt die Rechtsmittelwerberin vor, der mit dem Fall befasste Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft habe am Nachmittag des 7. Oktober 2014 bemerkt, dass die fristgerechte Anmeldung des Rechtsmittels aus Versehen unterblieben sei. Am letzten Tag der dafür zur Verfügung stehenden Frist, dem 6. Oktober 2014, einem Montag, habe er wonach die Planung seines Tagesablaufs ohnedies ausgerichtet gewesen sei bereits um 9:45 Uhr seinen Arbeitsplatz verlassen müssen, um einen ärztlichen Behandlungstermin wahrzunehmen und sich anschließend als Vortragender eines Seminars zu betätigen. Daher habe er sich bereits um 7:00 Uhr im Gerichtsgebäude eingefunden, um nach Akteneinsicht zu entscheiden, inwieweit die Staatsanwaltschaft gegen die beiden am 3. Oktober 2014 in diesem (umfangreichen) Verfahren ergangenen Urteile Rechtsmittel erheben würde, und sodann die entsprechenden Erklärungen, Rechtsmittel anzumelden, enthaltenden - Schriftstücke zu erstellen. Bei dieser Tätigkeit sei er dadurch unterbrochen worden, dass ihm überraschend ein „Haftakt“ zur Revision vorgelegt worden sei, den er wegen besonderer Dringlichkeit ebenfalls noch bearbeitet habe. Aufgrund des dadurch entstandenen Zeitdrucks sei ihm entgangen, dass er in der Folge neben weiteren solchen Schriftstücken nicht auch die (in der EDV bereits erstellte) Erklärung, Nichtigkeitsbeschwerde gegen das (hier) angefochtene Urteil anzumelden, im Sinne seines eigentlichen Vorhabens ausgedruckt, unterfertigt und mittels Telefax an das Gericht übersandt habe.
Dem Wiedereinsetzungsantrag kommt in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur keine Berechtigung zu.
Gemäß § 364 Abs 1 StPO ist neben anderen, hier nicht aktuellen Fällen den Beteiligten des Verfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist zur Anmeldung eines Rechtsmittels zu bewilligen, sofern sie soweit hier relevant (Z 1) nachweisen, dass es ihnen durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, die Frist einzuhalten, es sei denn, dass ihnen oder ihren Vertretern ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt, und (Z 2) die Wiedereinsetzung innerhalb von 14 Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses beantragen.
Bis zum Inkrafttreten des Strafprozessreformbegleitgesetzes I, BGBl I 2007/93, mit 1. Jänner 2008 stand dieser Rechtsbehelf anders als nach der nunmehr in Geltung stehenden Fassung des § 364 StPO ausschließlich dem Beschuldigten (Angeklagten), in bestimmten Fällen auch dem Privatankläger offen. Dass der Gesetzgeber den Kreis der zur Erhebung eines solchen Antrags Berechtigten auf (nunmehr) sämtliche Beteiligte des Verfahrens (vgl § 220 StPO) mithin auch auf die Staatsanwaltschaft (§ 210 Abs 2 StPO) erweitert und zugleich jede normative Ungleichbehandlung beseitigt hat, lässt seine Absicht erkennen, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allen Verfahrensbeteiligten unter den gleichen Voraussetzungen zu eröffnen (11 Os 19/12x, 11 Os 91/12k).
Bei der Beurteilung des Grades der Sorgfaltswidrigkeit ist vorliegend die Maßfigur des gewissenhaften und umsichtigen Staatsanwalts heranzuziehen, die sich von dem bei Vertretern anderer rechtskundiger Berufe in ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld anzulegenden Sorgfaltsmaßstab nicht unterscheidet (abermals 11 Os 19/12x, 11 Os 91/12k).
Ausgehend von der Richtigkeit des Antragsvorbringens beruhte der Irrtum des staatsanwaltschaftlichen Sachbearbeiters über die Vollzähligkeit der von ihm intendierten Rechtsmittelanmeldungen auf einem auffallend sorglos herbeigeführten Zeitdruck. Der Sachbearbeiter nahm die Prüfung, inwieweit Rechtsmittel anzumelden wären, innerhalb eines eng begrenzten Zeitfensters von wenigen Stunden am letzten Tag der Frist vor, an welchem er wie bereits zuvor feststand nur bis 9:45 Uhr an seinem Arbeitsplatz anwesend war. Gerade die im Antrag hervorgehobene hohe Komplexität der ergangenen Urteile hätte jedoch dazu Anlass geben müssen, auch unter Berücksichtigung ihm darüber hinaus noch zufallender dringlicher Amtsgeschäfte, mit denen - mögen auch „in der Wirtschaftsgruppe der Staatsanwaltschaft Wien Haftfälle eher die Ausnahme darstellen“ - jederzeit zu rechnen ist, ausreichend Zeit nicht nur für eine sorgfältige und genaue Prüfung, sondern auch dafür zu veranschlagen, die (letztlich) einzubringen gedachten Rechtsmittelanmeldungen vor deren Übermittlung an das Gericht (auch auf ihre Vollzähligkeit hin) gewissenhaft zu kontrollieren. Dass dies aufgrund von Umständen unterblieb, deren Ursache im
Daher war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung als verspätet zurückzuweisen (§§ 284 Abs 1, 285a Z 1, 285d Abs 1 Z 1StPO; SSt 35/47).
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