Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 11. Dezember 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Angermaier und Dr. Hofmann sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Danzl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 27. September 2002, AZ D 13/98, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, des stellvertretenden Kammeranwalts Dr. Roehlich und des Beschuldigten zu Recht erkannt:
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und
der Beschuldigte von den Vorwürfen, er habe *****, vormals *****, 1. am 28. März 1997 tätlich angegriffen dabei verletzt und 2. zwischen 30. März 1997 und 1. April 1997 zum Widerruf ihrer am 29. März 1997 gemachten Anzeige angestiftet, freigesprochen und
die Sache im Übrigen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien zurückverwiesen wird.
Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Beschuldigte auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Mag. ***** mehrerer Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er (richtig:) *****, vormals und nunmehr wieder (richtig:) *****,
1. am 28. März 1997 tätlich angegriffen und dabei verletzt habe,
2. zwischen 30. März 1997 und 1. April 1997 zum Widerruf ihrer am 29. März 1997 erstatteten Anzeige angestiftet habe und
3. angestiftet habe, bei ihrer Zeugeneinvernahme vor dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien am 6. April 2000 falsch auszusagen.
Der Beschuldigte wurde hierfür zur (für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen) Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten sowie zu einer Geldbuße von 4.000 Euro verurteilt.
Infolge Verzichts des Beschuldigten auf die Berufsausübung wurde das Disziplinarverfahren mit Beschluss des Disziplinarrats vom 10. April 2003 gemäß § 412 StPO aF iVm § 77 Abs 3 DSt abgebrochen, bevor dem Beschuldigten eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zugestellt worden war.
Nach Wiedereintragung des Beschuldigten in die Liste der Rechtsanwaltskammer Wien am 29. Oktober 2013 wurde das Disziplinarverfahren mit Beschluss des Disziplinarrats vom 22. November 2013 wieder eröffnet. Das angefochtene Erkenntnis wurde dem Beschuldigten am 17. Dezember 2013 durch Hinterlegung zugestellt.
Er bekämpft es mit Berufung „wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über Schuld und Strafe“ (vgl RIS Justiz RS0128656).
Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in der Bedeutung des § 464 Z 2 erster Fall StPO weckt mit der eidesstättigen Erklärung der ***** vom 10. Jänner 2014, Mag. ***** habe sie am 28. März 1977 nicht tätlich angegriffen oder verletzt, er habe sie nicht dazu angestiftet, überredet, genötigt oder auf sonstige Weise beeinflusst, ihre Anzeige vom 29. März 1997 zurückzuziehen oder bei der Rechtsanwaltskammer Wien oder sonst wo falsch auszusagen, Bedenken an den vom Disziplinarrat getroffenen, auch auf die Angaben dieser Zeugin gegründeten Feststellungen.
Eine Entscheidung in der Sache kommt jedoch hinsichtlich der Vorwürfe laut den Punkten 1. und 2. des angefochtenen Schuldspruchs nicht in Betracht:
Die sogenannte absolute Verjährung (mit Verstreichen von zehn Jahren ab der Beendigung des disziplinären Verhaltens) nach § 2 Abs 5 DSt idF BGBl I 1990/474 wurde zwar mit Art IV Z 2 lit d des Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetzes 1999, BGBl I 1999/71, abgeschafft, jedoch nur für Disziplinarvergehen, die nach dem 31. Mai 1999 begangen wurden (Art V Z 11 leg cit).
Die Schuldsprüche 1. und 2. beziehen sich auf vor dem 1. Juni 1999 gesetztes Verhalten, das demnach noch der Verjährung nach § 2 Abs 5 DSt idF BGBl I 1990/474 unterliegt. Der Verzicht auf die Berufsausübung ist dafür nach jener Rechtslage ohne Auswirkung (OBDK 4 Bkd 3/94, AnwBl 1997/7321 [ Strigl ]). Nach Aufhebung des Erkenntnisses (§ 54 Abs 2 DSt) war daher hinsichtlich der dem Beschuldigten zu diesen Punkten angelasteten Taten sogleich mit Freispruch vorzugehen.
Hinsichtlich des verbleibenden Vorwurfs (vgl den aufgehobenen Schuldspruch 3.) wird der Disziplinarrat nach dem Gesagten auch auf die im angefochtenen Erkenntnis offen gelassene zeitliche Einordnung des inkriminierten Verhaltens zu achten haben.
Die Erörterung des weiteren Berufungsvorbringens erübrigt sich demnach.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden