Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 11. November 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Vavrovsky und Dr. Mörth sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Sailer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Francisco ***** L*****, Abogado in Madrid, über die Beschwerde des Kammeranwalts gegen den Einstellungsbeschluss des Disziplinarrats der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 3. Juni 2014, GZ LINDFR13/D 01 12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und dem Disziplinarrat die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss sah der Disziplinarrat der Salzburger Rechtsanwaltskammer keinen Grund zur (richtig:) Disziplinarbehandlung in mündlicher Verhandlung wegen der Vorwürfe, der Disziplinarbe-schuldigte habe
1. vorübergehend in Österreich Rechtsanwalts-tätigkeit ausgeübt und dabei eine Kanzleieinrichtung unterhalten, welche die Einhaltung der Verschwiegenheitsverpflichtung nicht absichere, sowie
2. entgegen § 3 EIRAG die spanische Berufsbezeichnung nicht geführt und sich zu Unrecht als Rechtsanwalt bezeichnet.
Begründend führt der Disziplinarrat aus, dass der Disziplinarbeschuldigte gemäß § 3 EIRAG die Berufsbezeichnung seines Herkunftslandes („Abogado“) geführt und durch Anfügung der deutschen Übersetzung „Rechtsanwalt“ dem Normzweck dieser Bestimmung nicht zuwider gehandelt habe. Hinsichtlich des Vorwurfs mangelnder Absicherung der Verschwiegenheitsverpflichtung sah der Disziplinarrat in der vom Disziplinarbeschuldigten angeführten Adresse keine Kanzleianschrift; von dort seien lediglich die Verschwiegenheitsverpflichtung nicht gefährdende Serviceleistungen via Nachsendeauftrag oder eine Rufumleitung eingerichtet gewesen. Eine Tätigkeit im Inland sei daher nicht nachzuweisen.
Der dagegen gerichteten Beschwerde des Kammeranwalts kommt Berechtigung zu.
Gemäß § 2 EIRAG dürfen europäische Rechtsanwälte in Österreich vorübergehend rechtsanwaltliche Tätigkeiten wie ein in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragener Rechtsanwalt erbringen, wobei sie jedoch den sich aus den Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr ergebenden Beschränkungen unterliegen (dienstleistende europäische Rechtsanwälte).
Solche haben nach § 3 Abs 1 leg cit bei Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs die Berufsbezeichnung, die sie im Staat ihrer Niederlassung (Herkunftsstaat) nach dem dort geltenden Recht zu führen berechtigt sind, zu verwenden (insoweit auch Art 4 Abs 1 RL 98/5/EG) und die Berufsorganisation, der sie im Herkunftsstaat angehören, anzugeben.
Das EIRAG sieht weder für dienstleistende europäische Rechtsanwälte (2. Teil) noch für niedergelassene europäische Rechtsanwälte (3. Teil) die Berechtigung vor, eine Übersetzung der Berufsbezeichnung zu führen; entspricht die ausländische Berufsbezeichnung des niedergelassenen europäischen Rechtsanwalts der österreichischen Bezeichnung, hat er ebenso wie der bloß vorübergehend dienstleistende europäische Rechtsanwalt obligat (§ 3 Abs 1 letzter Satzteil EIRAG) zusätzlich die Berufsorganisation des Herkunftsstaats anzuführen (§ 12 Abs 1 EIRAG; vgl auch Art 4 RL 98/5/EG).
Erst im Fall der Gleichstellung des europäischen Rechtsanwalts mit den Rechtsanwälten des Aufnahmestaats ist ein europäischer Rechtsanwalt durch Anerkennung seines Diploms berechtigt, den Rechtsanwaltsberuf im Aufnahmestaat unter der Berufsbezeichnung des Mitgliedstaats auszuüben (Art 10 Abs 2 RL 98/5/EG). Zusätzlich darf er die Berufsbezeichnung seines Herkunftsstaats führen (Art 10 Abs 6 leg cit).
Tritt somit ein Rechtsanwalt in Österreich unter der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ oder „Anwalt“ auf, signalisiert er, dass sein ausländisches Diplom in Österreich anerkannt ist und er die Voraussetzungen der Gleichstellung mit den Rechtsanwälten des Aufnahmestaats (Art 10 Abs 1 RL 98/5/EG) erfüllt.
Indem der Disziplinarbeschuldigte wenn auch zusätzlich zur spanischen unter der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ aufgetreten ist, besteht der Verdacht, er habe den falschen Anschein der Anerkennung im Inland erweckt und gegen den Schutzzweck der Bestimmungen des § 3 Abs 1 EIRAG und des Art 10 RL 98/5/EG verstoßen.
Darüber hinaus ist den aktenkundigen Mahnschreiben entgegen § 3 Abs 1 EIRAG die Berufsorganisation seines Herkunftsstaats nicht zu entnehmen.
Das schriftliche Auftreten des Disziplinarbeschuldigten in Österreich unter Angabe einer österreichischen „Servicetelefonnummer“ und einer Adresse in „*****“ (vgl Schreiben an C*****gmbH vom 26. Mai 2012) gemeinsam mit einer spanischen bedingt den Verdacht, er wolle hiedurch den Eindruck einer in Österreich geführten Kanzleieinrichtung erwecken und dadurch eine inländische Niederlassung vortäuschen. Vorübergehend dienstleistende europäische Rechtsanwälte sind lediglich befugt und über auf Aufforderung verpflichtet, einen inländischen Zustellbevollmächtigten zu nennen (§ 6 EIRAG). Eine inländische Kanzleieinrichtung darf gemäß § 8 leg cit nur insoweit unterhalten werden, als dies zur Erbringung der vorübergehenden Dienstleistungen erforderlich ist. Ein solches Erfordernis ist nach dem Akteninhalt nicht zu erkennen und wurde auch vom Disziplinarbeschuldigten nicht behauptet.
Da er im Rahmen seines schriftlichen Auftritts nicht darauf hinweist, dass es sich bei der angegebenen Adresse bloß um eine Poststelle handelt, besteht der Verdacht, er werde in irreführender Weise eine Kanzleieinrichtung auch in Österreich und demzufolge eine inländische Niederlassung vortäuschen. Ein solches Verhalten würde gegen den Schutzzweck der Bestimmungen verstoßen, die der Abgrenzung der Ausübung anwaltlicher Tätigkeit im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit von jener der Niederlassungsfreiheit dienen ( Csoklich/Scheuba , Standes-recht der Rechtsanwälte 2 S 30).
Hingegen ist auf Basis der im angefochtenen Beschluss angenommenen Serviceleistungen des Bürodienstleistungsunternehmens (Nachsendeauftrag, Rufumleitung) eine über die durch Postdienstleister hinausgehende Gefahr des Bruchs der Verschwiegenheits-verpflichtung nicht zu erkennen.
In Stattgebung der Beschwerde war daher dem Disziplinarrat die Fortsetzung des Verfahrens durch die Verfahrensanordnung eines Einleitungsbeschlusses iSd § 28 Abs 2 DSt im Sinne obiger Ausführungen aufzutragen.
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