Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 20. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Mörth und Dr. Rothner sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner als weitere Richter, in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Kotanko, in der Disziplinarsache gegen Dr. Karl W*****, Dr. Wolfgang P*****, Mag. Peter V*****, Mag. Jörg S***** und Dr. Gernot L***** über die Berufung der Disziplinarbeschuligten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 21. Mai 2012, D 63/11, DV 5/12, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Brenner, des Kammeranwalts Mag. Lughofer sowie des Verteidigers Dr. Olischar zu Recht erkannt:
Der Berufung der Disziplinarbeschuldigten wird Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Die Disziplinarbeschuldigten Dr. Karl W*****, Dr. Wolfgang P*****, Mag. Peter V*****, Mag. Jörg S***** und Dr. Gernot L***** werden von dem gegen sie erhobenen Vorwurf, sie hätten im Oktober 2011 am Briefpapier der P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH, FN *****, Herrn Dr. Karl W***** wie einen tatsächlichen Gesellschafter dieser GmbH angeführt und dadurch den Eindruck erweckt, er wäre auch Gesellschafter dieser Gesellschaft, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch nicht Gesellschafter P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH, FN *****, war, und sie hätten dadurch gegen gefestigte Standesauffassungen verstoßen und hiedurch die Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen,
freigesprochen.
Gründe:
Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 21. Mai 2012, D 63/11, DV 5/12, wurden die Disziplinarbeschuldigten Dr. Karl W*****, Dr. Wolfgang P*****, Mag. Peter V*****, Mag. Jörg S***** und Dr. Gernot L***** für schuldig erkannt, sie hätten im Oktober 2011 am Briefpapier der P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH, FN *****, Herrn Dr. Karl W***** wie einen tatsächlichen Gesellschafter dieser GmbH angeführt und dadurch den Eindruck erweckt, er wäre auch Gesellschafter dieser Gesellschaft, obwohl er das zu diesem Zeitpunkt noch nicht war. Sie hätten dadurch gegen gefestigte Standesauffassungen verstoßen und hiedurch die Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen. Über die Disziplinarbeschuldigten wurde die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt und sie darüber hinaus für schuldig erkannt, die Verfahrenskosten teilweise zu ersetzen.
Dem angefochtenen Erkenntnis legte der Disziplinarrat soweit dies für die hier zu beurteilende Rechtsfrage maßgeblich ist folgenden Sachverhalt zu Grunde:
Dr. Karl W***** war laut Firmenbuch zu FN ***** bei der S*****, C***** Partner Rechtsanwälte GmbH seit 2. Juli 2000 selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer. Mit beim Firmenbuch am 30. September 2011 einlangendem Antrag beantragte er die Löschung dieser Funktion; antragsgemäß wurde diese Löschung am 6. Oktober 2011 im Firmenbuch eingetragen.
Laut Firmenbuch zu FN ***** ist Herr Dr. Karl W***** bei der P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH laut Eintragung vom 22. Februar 2012 aufgrund eines am 21. Februar 2012 eingelangten Antrags auf Änderung seit 1. Februar 2012 selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer dieser GmbH und auch Gesellschafter derselben mit einem einer voll einbezahlten Stammeinlage im Nominale von 6.300 Euro entsprechenden Geschäftsanteil.
Ab 6. Oktober 2011 arbeitete Herr Dr. Karl W***** aufgrund eines mündlichen Substitutionsvertrags mit der P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH, FN *****, als selbständiger Einzelanwalt mit Kanzleisitz in ***** R***** (welches auch die Geschäftsanschrift der P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH ist) zusammen. Er war dabei berechtigt, eigene Mandate direkt zu übernehmen und das Honorar daraus selbst zu vereinnahmen, während sein Kanzleiaufwand in der Bemessung der vereinbarten Substitutionspauschale berücksichtigt worden war. Über die Substitutionspauschale an die P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH und über die Honorare an direkte Mandanten legte Herr Dr. Karl W***** in diesem Zeitraum bis zu seiner Vergesellschaftung mit dieser GmbH Honorarnoten mit einer eigenen UID Nummer auf einem persönlichen Briefpapier, welches dem in der Beilage ./9 ersichtlichen Briefpapier entsprach, nur eben mit der Adresse ***** R*****.
Ab einem nicht genau feststellbaren Datum im Oktober 2011 wurde Dr. Karl W***** am Briefpapier der P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH, FN *****, in der Weise aufgenommen, dass in derselben Schrift, ohne Zeilenabstand und ohne sonstige grafische oder textliche Unterscheidung der Name „Dr. Karl W*****, MBL“ zwischen die Namen des GmbH Gesellschafters Dr. Gernot L***** und Mag. Robert T*****, der ebenfalls wie Dr. Karl W***** nicht GmbH Gesellschafter war, gedruckt wurde (Beilage ./3 und TZ 20). Auf dem am 29. September 2011 von der P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH verwendeten Briefpapier scheint Dr. Karl W***** noch nicht auf (Beilage ./7).
Gemäß § 52 DSt trifft der Senat aus dem Akt noch folgende Feststellungen:
Am Briefpapier S*****, C***** Partner Rechtsanwälte GmbH (Anzeige Dr. Franz M***** vom 5. Oktober 2011) sind am rechten Seitenrand eine Vielzahl von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen genannt, ohne Hinweis darauf, ob sie Gesellschafter oder Geschäftsführer der S*****, C***** Partner Rechtsanwälte GmbH sind. Laut Firmenbuchauszug vom 5. Oktober 2011 waren die am Briefpapier der S*****, C***** Partner Rechtsanwälte GmbH aufscheinenden Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen Dr. Christina H*****, Mag. Christoph Lu*****, Mag. Bettina Po*****, Dr. Oliver Pl*****, Mag. Evelyn He*****, Mag. Heidi La***** sowie Mag. Stephanie Lan***** zu diesem Zeitpunkt nicht Gesellschafter der S*****, C***** Partner Rechtsanwälte GmbH.
In rechtlicher Hinsicht vertrat der Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer hinsichtlich des Außenauftritts am Briefpapier der P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH die Meinung, dass es notwendig gewesen wäre, bereits vor der Vergesellschaftung des Herrn Dr. Karl W***** mit dieser GmbH, also im Tatzeitraum Oktober 2011, durch einen eindeutigen Zusatz am Briefpapier darauf hinzuweisen, dass Herr Dr. Karl W***** nicht Gesellschafter der P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH ist oder es wäre ein anderes Unterscheidungsmerkmal bei jenen Gesellschaften anzubringen gewesen, die tatsächlich Gesellschafter dieser Gesellschaft waren. Durch den Umstand, dass Herr Dr. Karl W***** auf dem Briefpapier der P*****, V***** Partner Rechtsanwälte GmbH als Rechtsanwalt wie die anderen Gesellschafter angeführt wurde, wäre beim Leser dieses Briefpapiers der Eindruck erweckt worden, Herr Dr. Karl W***** wäre tatsächlich ebenfalls ein Gesellschafter dieser GmbH, was aber zum angegebenen Zeitpunkt unrichtig gewesen wäre. Es wäre diesem ersten Eindruck eines Lesers auch nicht wirklich entgegenzuhalten, dass sich bei Einsicht in das Firmenbuch etwas anderes ergeben hätte. Dieses Argument würde nur dann greifen, wenn am Briefpapier kein Rechtsanwalt persönlich angeführt gewesen wäre, da dann der Leser ins Firmenbuch hätte Einsicht nehmen müssen, um festzustellen, wer Gesellschafter der angeführten GmbH ist. So aber wurden Rechtsanwälte auf dem Briefpapier der Rechtsanwalts GmbH angeführt, ohne jegliche Unterscheidung zwischen ihnen zu machen, womit auch nicht von einem Unterschied zwischen ihnen auszugehen gewesen wäre. Da es das Briefpapier der GmbH war, hätte ein Leser nicht erwarten können, dass auch ein Rechtsanwalt angeführt ist, der mit der Berufsausübung in der Rechtsform der GmbH nichts zu tun habe. Die Vorgangsweise wäre irreführend, weil unrichtig vorgegeben worden wäre, dass Dr. Karl W***** mit der Berufsausübung in der Rechtsform einer GmbH etwas zu tun habe, was nur richtig gewesen wäre, wenn er Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH gewesen wäre.
Es wären daher alle Beschuldigten im Disziplinarverfahren schuldig zu sprechen gewesen, weil sie mit der Verwendung des konkreten Briefpapiers gegen gefestigte Standesauffassungen verstoßen hätten und damit sowohl in Ausübung ihres Rechtsanwaltsberufs Berufspflichten verletzt, als auch wegen der Außenwirkung des Briefpapiers Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigt hätten. In Ermangelung einer diesbezüglichen Behauptung oder eines Beweisergebnisses, wonach ein einzelner Disziplinarbeschuldigter allein für das Briefpapier verantwortlich gewesen wäre, musste wegen des Vorliegens eigener Überwachungsverantwortlichkeit aller Disziplinarbeschuldigter auch ein Schuldspruch gegen alle verhängt werden.
Bei der Strafbemessung wurde bei allen Disziplinarbeschuldigten als mildernd deren Unbescholtenheit zu Grunde gelegt, als erschwerend kein Umstand. Unter Berücksichtigung des Gesamtbilds des disziplinären Fehlverhaltens erschien dem Disziplinarrat die Verhängung der Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises als angemessen.
Gegen das verurteilende Erkenntnis des Oberösterreichischen Disziplinarrats erhoben alle Disziplinarbeschuldigten fristgerecht Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache, verbunden mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis abzuändern bzw aufzuheben, jedenfalls aber die Disziplinarbeschuldigten von dem wider sie erhobenen Vorwurf freizusprechen.
Der Kammeranwalt hat zur Berufung der Disziplinarbeschuldigten keine schriftliche Gegenausführung erstattet.
Die Berufung der Disziplinarbeschuldigten ist aus folgenden Erwägungen berechtigt:
Zutreffend bringen die Disziplinarbeschuldigten vor, einer Verurteilung müsse verfassungskonform im Sinne des Art 7 MRK zu Grunde liegen, dass sie wegen einer Verletzung von Berufspflichten oder wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes erfolgt, die sich aus gesetzlichen Regelungen oder aus verfestigten Standesauffassungen (wozu allenfalls Richtlinien oder die bisherige Standesjudikatur Bedeutung besitzen) ergeben, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen ( Feil/Wennig , Anwaltsrecht 7 § 1 DSt S 831 f, RIS Justiz RS0055188).
Diesen Anforderungen genügt die gegenständliche Verurteilung jedoch nicht. In der festgestellten Gestaltung des Briefpapiers durch die Disziplinarbeschuldigten liegt weder ein Verstoß gegen eine konkrete gesetzliche Regelung, insbesondere gegen eine Bestimmung der RAO, noch gegen die RL BA 1977. Im angefochtenen Erkenntnis wird auch nicht aufgezeigt, dass die festgestellte Vorgangsweise in Widerspruch zur bisherigen (Standes )Judikatur stünde. Die bloße Behauptung, eine Unterscheidung zwischen jenen am Briefpapier angeführten Rechtsanwälten, die Gesellschafter sind, und jenen, auf die dies nicht zutrifft, sei ersichtlich zu machen gewesen ohne im Übrigen anzuführen, welche konkreten nachteiligen Folgen sonst zu befürchten wären reicht für eine Verurteilung nicht aus.
Dies umso weniger, als es was die Berufung unter Anführung eines konkreten Beispiels zutreffend geltend macht in Österreich allgemein üblich ist, in den einzelnen Kanzleien tätige Juristen ohne Hinweis auf ihr Verhältnis zu den anderen genannten Rechtsanwälten oder einer allfälligen Rechtsanwalts GmbH am Briefpapier anzuführen.
Es liegt daher weder eine Verletzung gesetzlicher Bestimmungen noch ein Verstoß gegen die verfestigte Standesauffassung vor. Den Disziplinarbeschuldigten ist somit kein Disziplinarvergehen anzulasten, sodass mit einem Freispruch vorzugehen war.
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