Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Jänner 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Rechtspraktikanten MMag. Krasa als Schriftführer, in der Strafsache gegen Elfriede H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 15 StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Josef H***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 25. August 2011, GZ 612 Hv 7/11b 105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallserkenntnis und im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Josef H***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil das auch die unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freisprüche der Mitangeklagten Elfriede H***** und Theresia H***** enthält wurde Josef H***** des Verbrechens des (versuchten) Suchtgifthandels nach § 15 StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG schuldig erkannt.
Danach hat er am 5. Jänner 2011 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15 fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (große Menge), und zwar 930 Gramm Kokain (darin enthalten zumindest 348 Gramm Cocain.HCI), einzuführen „versucht“, indem dieses (als vom Angeklagten nach Österreich verschickte Postsendung) mittels Flugzeug aus Costa Rica aus und nach Spanien eingeführt wurde und nach Mannswörth weiter transportiert hätte werden sollen, wobei das Suchtgift durch die spanischen Zolldienststellen sichergestellt werden konnte.
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef H***** aus § 281 Abs 1 Z 3 und 5 StPO.
Die Verfahrensrüge (Z 3) macht geltend, der Zeuge DI Dr. Johannes S***** sei nicht „über das ihm zustehende Entschlagungsrecht gemäß § 157 Abs 1 StPO aufgeklärt“ worden. Offen bleibt dabei, aus welchem Grund dies überhaupt hätte erfolgen sollen. Das (ersichtlich gemeinte) ungerechtfertigte Unterlassen der Belehrung nach § 157 Abs 1 Z 1 StPO steht nicht (mehr) unter Nichtigkeitssanktion (§ 159 Abs 3 StPO sowie § 281 Abs 1 Z 3 StPO; Kirchbacher , WK StPO § 159 Rz 24, 26; Ratz , WK StPO § 281 Rz 176, 226). In den Fällen des § 157 Abs 1 Z 2 bis 5 StPO wäre bei nicht rechtzeitiger Information des Zeugen nur jener Teil seiner Aussage nichtig, auf den sich das Verweigerungsrecht bezieht. Für diese Fälle fehlt es im Rechtsmittel aber an der Bezeichnung des allenfalls betroffenen Teils der Aussage sowie insbesondere von Ausführungen zur Relevanz des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (§ 281 Abs 3 StPO), zumal die Angaben des Zeugen im Urteil überhaupt keinen Niederschlag fanden ( Kirchbacher , WK StPO § 159 Rz 17 und 22).
Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) behauptet die urteilsmäßige Verwertung von erheblichen Verfahrensergebnissen, die in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen seien, weil der Angeklagte einem Vortrag nach § 252 Abs 2a StPO nicht zugestimmt habe.
Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung reicht das widerspruchslose Hinnehmen einer nach § 252 Abs 1 StPO an sich unzulässigen Verlesung und eines Vortrags nach § 252 Abs 2a StPO allein selbst bei einem anwaltlich vertretenen Angeklagten in der Regel nicht aus, ein stillschweigendes Einverständnis zu dieser Prozesshandlung anzunehmen. Eine konkludente Zustimmung ist zwar prinzipiell möglich, doch ist dazu erforderlich, dass über das bloße Unterbleiben eines Widerspruchs hinaus den Akten noch weitere konkrete Anhaltspunkte zu entnehmen sind, die unzweifelhaft auf das vom Gesetz geforderte Einverständnis schließen lassen (RIS Justiz RS0099242, zuletzt 11 Os 120/11y; Kirchbacher , WK StPO § 252 Rz 102 f, 134; Fabrizy , StPO 11 § 252 Rz 20).
Im Gegenstand wurde wie folgt protokolliert: „Gemäß § 252 StPO wird der Akteninhalt erörtert. Verteidiger Dr. M***** [der Verteidiger der Erst und der Zweitangeklagten] beantragt die Verlesung der Seite 3 des Beschlusses des OLG Wien vom 10. 3. 2011. Diese wird verlesen. Es werden keine weiteren Verlesungen gewünscht. Einsicht genommen wird in den angeschlossenen Vorstrafakt des Landesgerichts St. Pölten betreffend Josef H*****.“ (ON 103 S 8).
Die Vorsitzende des Schöffengerichts konnte wegen dauernder schwerer Erkrankung nicht zur Aufklärung befragt werden. Die Schriftführerin und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärten zwar, keine aktuelle Erinnerung mehr an diese Hauptverhandlung zu haben, gingen aber
Der Oberste Gerichtshof nimmt sohin aufgrund des ungerügt gebliebenen Protokolls über die Hauptverhandlung an, dass das Einverständnis der Beteiligten im Sinne von § 252 Abs 2a StPO vorlag, womit der Mängelrüge der Ansatz fehlt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der unter einem erhobenen Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Ungerügt blieb, dass das Verfalls ebenso wie das Einziehungserkenntnis (US 2, 3) überhaupt keine Erwähnung in den Entscheidungsgründen fand.
Diese materiell rechtliche Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) war von Amts wegen (§ 290 Abs 1 Satz 2 erster Fall StPO) wie aus dem Spruch ersichtlich aufzugreifen (§ 445 Abs 2 letzter Satz StPO).
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