Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Tacettin Ö***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Tacettin Ö***** und Cihan S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 23. März 2011, GZ 38 Hv 15/11i 75, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Tacettin Ö***** und Cihan S***** jeweils der Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (I/1) und nach § 201 Abs 1 StGB (I/2 und 3) sowie Cihan S***** zudem des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach haben am 19. September 2010 in Innsbruck
(I) Sabine F***** mit Gewalt gegen ihren Willen und heftigen Widerstand zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt oder zu nötigen versucht und zwar
1) Tacettin Ö***** und Cihan S***** gemeinsam, indem zunächst Tacettin Ö***** von hinten in weiterer Folge auch Cihan S***** selbst den Kopf von Sabine F***** gegen ihren Widerstand zum entblößten und erigierten Penis des Cihan S***** drückten, zum Oralverkehr, wobei die Tat aufgrund der Gegenwehr des Opfers beim Versuch blieb;
2) Tacettin Ö***** unmittelbar im Anschluss an die zu I/1 angeführte Tat, indem er Sabine F***** am Unterkörper erfasste, mit Gewalt aus dem stehenden PKW des Cihan S***** zerrte, ihren Unterkörper entblößte, mit Gewalt zur Motorhaube des PKW zerrte, sie festhielt und wiederholt mit dem Rücken auf die Motorhaube des PKW drückte, ihre Beine gegen ihren Widerstand auseinander drückte und in weiterer Folge mit mehreren Fingern in ihre Scheide eindrang, zum digitalen Geschlechtsverkehr sowie zum Beischlaf und indem er, als Sabine F***** aufgrund ihrer Gegenwehr nach unten weggerutscht war, ihren Kopf erfasste und zu seinem Penis drückte, zum oralen Geschlechtsverkehr, wobei der digitale Geschlechtsverkehr trotz Gegenwehr der Sabine F***** vollendet wurde und es hinsichtlich des Beischlafs und des oralen Geschlechtsverkehrs beim Versuch blieb;
3) Cihan S***** indem er Sabine F*****, als sie aus seinem PKW aussteigen wollte, mit Gewalt zurückriss, ihren Unterkörper entblößte und trotz heftiger Gegenwehr mehrfach vaginal mit seinem Penis in sie eindrang und den Geschlechtsverkehr vollzog;
(II) Cihan S***** dadurch, dass er während der zu I/2 angeführten Tat des Tacettin Ö***** in seinem PKW sitzen blieb und eine Zigarette rauchte, obwohl er bemerkt hatte, dass Sabine F***** von Tacettin Ö***** gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr genötigt wird, es mit dem Vorsatz, dass vorsätzlich eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Handlung, nämlich das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB begangen werde, unterlassen, ihre schon begonnene oder unmittelbar bevorstehende Ausführung zu verhindern, wobei die strafbare Handlung zumindest versucht worden ist.
Den von Tacettin Ö***** aus Z 5, 5a und 9 lit a und Cihan S***** aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Tacettin Ö*****:
Die Feststellung, wonach Sabine F***** nach dem im Erkenntnis geschilderten Geschehen „nicht Hand in Hand mit“ Cihan S***** „das Lokal S*****“ betreten habe, entzieht sich als nicht entscheidend für die Schuld- und Subsumtionsfrage der Anfechtung aus Z 5 und 5a.
Warum die Beweiswürdigung der Tatrichter erheblichen Bedenken durch die Tatsache ausgesetzt sein sollte, dass ein Bekannter F*****s nach der Tat „die Polizei eingeschaltet“ hatte, ist nicht nachvollziehbar. An diesen Umstand anknüpfende Spekulationen des Beschwerdeführers sind aus Z 5a unbeachtlich. Keineswegs erheblich bedenklich erscheinen dem Obersten Gerichtshof die Feststellungen der Tatrichter vor dem Hintergrund der Ereignisschilderung durch das Opfer. Was den Feststellungen aus der „Aktenlage“ „konträr entgegen stehen“ soll, wird nicht gesagt. Erheblichen Bedenken sind die Feststellungen der Tatrichter auch aufgrund der Angaben dreier Zeugen nicht ausgesetzt, wonach Sabine F***** nach den Taten „Hand in Hand mit“ Cihan S***** „das Lokal S*****“ betreten habe; schon weil in den Entscheidungsgründen darauf verwiesen wird, dass zwei dieser Zeugen ausdrücklich betont hätten, dass F***** „einen verwirrten Eindruck“ auf sie gemacht habe (US 26).
Indem die Beschwerde ihre spekulativen Überlegungen auch unter dem Aspekt der in der Z 5 zusammengefassten Anfechtungskategorien verstanden wissen will, wird nicht klar, welche davon sie geltend macht. Soweit dasselbe Vorbringen zu allem hin auch noch als Rechtsrüge (Z 9 lit a) gelten soll, wird der in den getroffenen Feststellungen gelegene Bezugspunkt dieses Nichtigkeitsgrundes verfehlt.
Dies gilt auch für die Behauptung (nominell Z 5, „eventualiter“ Z 5a und 9 lit a; der Sache nach 9 lit a) fehlender Feststellungen zu der vom Angeklagten gegenüber Sabine F***** angewendeten Gewalt, wobei auch nicht dargelegt wird, welche über die Urteilsfeststellungen hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion als Gewalt im Sinn des § 201 Abs 1 StGB erforderlich sein sollten.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Cihan S*****:
Ob sich die beiden Angeklagten im Zuge eines vor dem Opfer türkisch geführten Gesprächs zu gemeinsamen Angriffen verabredet haben könnten, ist in den beweiswürdigende Erwägungen und Feststellungen unsachgemäß vermengenden Entscheidungsgründen weder festgestellt worden (US 9 zweiter Absatz: „höchstwahrscheinlich“) noch für die Lösung der Schuld- und Subsumtionsfrage entscheidend, demnach nicht Gegenstand zulässiger Urteilsanfechtung aus Z 5.
Auf besondere, demnach der Feststellung als entscheidende Tatsache bedürftige Lichtverhältnisse stellt der Tatbestand des § 286 Abs 1 StGB nicht ab (sachlich Z 9 lit a); dass die Tatrichter von der Wahrnehmbarkeit des dem Schuldspruch II zugrunde liegenden Geschehens durch ihn ausgegangen sind, aber stellt der Beschwerdeführer nicht in Abrede.
Zu I/3 wird schließlich eine übergangene Aussage der Zeugin F***** nicht konkret bezeichnet (Z 5 zweiter Fall). Soweit die Feststellungen der Entscheidungsgründe als wenig wahrscheinlich abgetan werden, wird der aus Z 5a erforderliche Aktenbezug erneut verfehlt.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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