Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer in der Strafsache gegen Gheorghe C***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 28. Juni 2011, GZ 39 Hv 101/10i 146, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gheorghe C***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er von 2005 bis Juni 2010 in Baden und an anderen Orten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wie im Urteil im Einzelnen dargestellt verschiedene Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung von Zahlungswilligkeit und Leistungsbereitschaft (US 2 f, 40 f), zu Handlungen und Duldungen verleitet, welche die Getäuschten oder Dritte um insgesamt mehr als 50.000 Euro, nämlich ca 450.000 Euro, am Vermögen schädigten, und zwar zu Zahlungen, zur Ausfolgung von Baumaterial und anderen Sachen, zu Abbrucharbeiten und zur Duldung des Abtransports von Inventar, einer Stahlhalle, einer Lagerhalle sowie einer Tennishalle, wobei er schweren Betrug gewerbsmäßig beging.
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 3, 4, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Aus Z 3 kann zwar geltend gemacht werden, die schriftliche Urteilsausfertigung entspreche hinsichtlich der Z 1 bis 3 des § 260 Abs 1 StPO nicht dem verkündeten Urteil (RIS-Justiz RS0098867 [T1]; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 280). Auf eine solche Abweichung rekurriert aber der Einwand, das Adhäsionserkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 5 StPO) stimme in der schriftlichen Fassung des Urteils nicht mit der verkündeten Entscheidung überein, keineswegs.
Soweit sich die Verfahrensrüge (Z 4) auf einen nicht durchführbaren Beweis bezieht, nämlich Übersetzung eines in Verstoß geratenen Schriftstücks (vgl US 45), geht sie im Ansatz fehl (§ 55 Abs 2 erster Satz StPO).
Sie zeigt aber auch sonst keine Schmälerung von Verteidigungsrechten auf:
Ein Gutachten eines Sachverständigen aus dem Bereich der Buchprüfung wurde zum Beweis dafür begehrt, dass „sämtliche geleisteten Anzahlungen bzw Kaufpreise“ in den Unternehmen B ***** GmbH sowie G***** GmbH „ordnungsgemäß verbucht wurden“ und „diese Anzahlungen auch zweckentsprechend im Betrieb des Unternehmens verwendet wurden“, sodass „im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse bzw zu den Zeitpunkten der Leistungen der Anzahlungen seitens des Angeklagten davon ausgegangen werden konnte, dass im Rahmen des bzw der Geschäftsbetriebe die Vertragsverhältnisse auch entsprechend erfüllt werden“ (ON 140a 2. Teil S 17 f).
Die solcherart thematisierte Möglichkeit der Leistungserbringung konnte jedoch angesichts der konstatierten Vortäuschung von Zahlungs willigkeit und Leistungs bereitschaft als für den Schuldspruch unerheblich auf sich beruhen (US 40 f, 65 f).
Zu Recht abgewiesen wurde auch der Antrag auf Vernehmung des Zwangsverwalters Josef Gl*****. Sie sollte dem Nachweis dienen, dass durch die am 25. September 2009 verfügte Zwangsverwaltung der B ***** GmbH dem Angeklagten die Dispositionsmöglichkeit betreffend das Unternehmen entzogen wurde (ON 140a 2. Teil S 18).
Soweit der Beweisantrag auf die Beleuchtung der Rechtslage und auch der Intention des Angeklagten abzielte, war er im Ansatz verfehlt: Über Rechtsfragen findet keine Beweisaufnahme statt ( Kirchbacher , WK-StPO § 246 Rz 41, 44 mwN). Eine Zeugenvernehmung hat nur Wahrnehmungen von Tatsachen zum Gegenstand (§ 154 Abs 1 StPO), nicht aber Schlussfolgerungen wie solche über Vorhaben des Angeklagten (RIS-Justiz RS0097540).
Weshalb die Vernehmung geeignet sein sollte, über die inkriminierte Vorgehensweise am Zwangsverwalter vorbei (vgl US 66 f) Aufschluss zu geben, ließ der Antrag offen (RIS-Justiz RS0118444).
Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) in Betreff des Schuldspruchs zu A./1./i./, A./1./j./ und A./1./k./ spricht einen Begründungsfehler in der Bedeutung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes gar nicht an:
Undeutlichkeit iSd Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, mithin sowohl für den Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist.
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil genau dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ.
Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen nicht nebeneinander bestehen können. ISd Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen.
Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht.
Aktenwidrig iSd Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (zum Ganzen Ratz , WK-StPO § 281 Rz 419, 421, 437 f, 444, 467).
An diesen von der Verfahrensordnung eröffneten Anfechtungskategorien sind die Einwände aus Z 5 (betreffend festgestellte Zahlungen und die Zwangsverwaltung der B ***** GmbH) nicht orientiert. Ein Begründungsmangel wird demnach nicht aufgezeigt.
Die Sanktionsrüge (Z 11) vermisst zu Unrecht eine Bedachtnahme (§ 31 StGB) auf das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 27. Oktober 2010, AZ 38 Hv 19/10y (US 9): Es war bei Fällung des vorliegenden Urteils noch nicht rechtskräftig (RIS-Justiz RS0090610; vgl 15 Os 67/11h).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Auf den vom Angeklagten selbst verfassten „Zusatz zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde“ war nicht einzugehen. Das Gesetz kennt nur eine Ausführung dieses Rechtsmittels (RIS-Justiz RS0100175).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden