Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski und Dr. Grohmann als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu AZ 32 Cg 22/10f anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Yousef E*****, vertreten durch Prager Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 119.910 EUR sA, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Der Kläger macht Ersatzansprüche nach dem StEG geltend, weil er sich aufgrund eines Beschlusses des Landesgerichts für Strafsachen ungerechtfertigterweise in Untersuchungshaft befunden habe. Im Zusammenhang mit der Erörterung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts erklärte er ausdrücklich, seine Ersatzansprüche ausschließlich aus einer Fehlentscheidung des Landesgerichts für Strafsachen Wien abzuleiten; das Oberlandesgericht Wien habe hingegen keine ihn belastende Entscheidung gefällt (ON 9).
Das Prozessgericht legte die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Prüfung vor, ob die Voraussetzungen einer Delegierung im Sinne des § 12 Abs 1 StEG iVm § 9 Abs 4 AHG vorliegen. Das Oberlandesgericht Wien habe eine von einem Mitbeschuldigten erhobene Haftbeschwerde beschlussmäßig abgewiesen. Nach dem in § 114 Abs 3 StPO normierten Grundsatz des „beneficium cohaesionis“ hätte es dabei von Amts wegen auch allfällige gegenständlich nicht zutreffende Gründe für eine Beendigung der Untersuchungshaft des Klägers wahrzunehmen gehabt und somit implizit auch die Haft des Klägers prüfen müssen. Es könnte daher angenommen werden, dass der Ersatzanspruch aus einer Verfügung des Oberlandesgerichts Wien abgeleitet werde, zumal die Bestimmung des § 9 Abs 4 AHG extensiv ausgelegt werde.
Nach Auffassung des erkennenden Senats bestehen keine Bedenken gegen eine Prozessführung vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. Gemäß § 12 Abs 1 StEG 2005 ist zwar auf das Verfahren gegen den Bund unter anderem § 9 AHG anzuwenden. Eine Delegierung nach dieser Gesetzesstelle hat allerdings nur zu erfolgen, wenn der Ersatzanspruch unter anderem aus einem kollegialen Beschluss des dem Amtshaftungsgericht übergeordneten Oberlandesgerichts abgeleitet wird.
Im vorliegenden Fall erklärte der Kläger ausdrücklich, seine Ersatzansprüche ausschließlich aus der Tätigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Wien abzuleiten, hingegen ein für die erlittene Untersuchungshaft ursächliches Fehlverhalten des Oberlandesgerichts Wien nicht geltend zu machen. Damit ist aber auch ein allenfalls amtshaftungsbegründendes Verhalten der Organe des Oberlandesgerichts Wien der Kognition der Amtshaftungsgerichte entzogen, weil lediglich zu prüfen ist, ob die vom Kläger erhobenen Vorwürfe den geltend gemachten Ersatzanspruch rechtfertigen.
Da der Kläger seine Ansprüche ausschließlich aus einer Entscheidung des Landesgerichts für Strafsachen Wien ableitet und Entscheidungsorganen des Oberlandesgerichts Wien kein Fehlverhalten vorwirft, ist der Tatbestand des § 9 Abs 4 AHG nicht erfüllt.
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