Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Schaumüller und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Corinna S*****, vertreten durch GKP Gabl Kogler Papesch Leitner Rechtsanwälte OG in Linz, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Telfs, wegen 8.000 EUR sA, über den Antrag der klagenden Partei auf Delegierung den
Beschluss
gefasst:
Der Antrag der klagenden Partei, die Rechtssache an das Bezirksgericht Waidhofen an der Ybbs zu delegieren, wird abgewiesen.
Begründung:
Mit der am 14. 1. 2008 beim Bezirksgericht Wiener Neustadt eingebrachten Klage begehrt die in S***** (Sprengel des Bezirksgerichts Waidhofen an der Ybbs) wohnhafte Klägerin von der in Imst ansässigen Beklagten den Ersatz der Kosten für die Sanierung von „Osmoseschäden“ an einem von dieser gelieferten Polyesterschwimmbecken.
Nach Bekanntgabe der aktuellen Adresse der Beklagten erklärte sich das angerufene Gericht für unzuständig und überwies die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 ZPO auf Antrag der Klägerin an das Bezirksgericht Imst.
In der Verhandlung vom 9. 5. 2008 fasste dieses Gericht den Beschluss, zu den Fragen, ob das Becken einen Mangel oder Schaden aufweist, wie und in welcher Höhe ein solcher gegebenenfalls entstanden ist und ob er behebbar ist, Beweis zuzulassen durch Vernehmung des Zeugen Horst W*****, Schadensunterlagen, SV-Gutachten und Parteienvernehmung. Der Beklagtenvertreter erklärte sich bereit, den (in P*****, Südtirol, wohnhaften) Zeugen stellig zu machen. Das Bezirksgericht Imst bestellte einen in ***** ansässigen Sachverständigen, erteilte diesem den Gutachtensauftrag im Sinn des bekanntgegebenen Prozessprogramms (§ 258 Abs 1 Z 4 ZPO) und trug ihm auf, die Parteienvertreter vom Termin der Befundaufnahme „im kurzen Wege“ zu verständigen.
Nach dieser Verhandlung stellte die Klägerin den Antrag, die Rechtssache an das Bezirksgericht Waidhofen an der Ybbs zu delegieren, weil das Bezirksgericht Imst einen im Sprengel des Landesgerichts Korneuburg ansässigen Sachverständigen bestellt und mit der Begutachtung der Schwimmbadanlage, die sich im Sprengel des Bezirksgerichts Waidhofen an der Ybbs befinde, beauftragt habe. Es sei davon auszugehen, dass eine mündliche Gutachtenserörterung stattfinden werde. Infolge kürzerer Anreise des Sachverständigen würde die beantragte Delegierung daher zu einer wesentlichen Verbilligung des Verfahrens führen. Auch für die Klägerin und den von ihr geführten (an ihrer Adresse zu ladenden) Zeugen wäre die Anreise zu ihrem Wohnsitzgericht wesentlich kürzer als zum Bezirksgericht Imst. Dies gelte auch für den Klagevertreter. Selbst der Beklagtenvertreter habe seinen Kanzleisitz nicht unmittelbar im Sprengel dieses Gerichts und müsse ohnehin zum Gericht anreisen. Dies treffe auch für den von der Beklagten geführten Zeugen zu, der seinen Wohnsitz in Italien habe; dieser könne aber auch vor dem zuständigen Rechtshilfegericht vernommen werden.
Die Beklagte beantragte, dem Antrag der Klägerin auf Delegierung der Rechtssache nicht stattzugeben. Den Kanzleisitzen der Parteienvertreter komme hier nach ständiger Rechtsprechung keine Bedeutung zu. Der Sachverständige müsse zum Ortsaugenschein nicht nach Imst, sondern nur nach S***** anreisen. Der von der Beklagten angebotene Zeuge hätte hingegen einen extrem langen Anreiseweg von Südtirol nach Waidhofen an der Ybbs. Die Zweckmäßigkeitsgründe nach § 31 JN seien daher nicht gegeben.
Das Erstgericht erachtete die Delegierung für zweckmäßig, weil dadurch eine wesentliche Verbilligung des Verfahrens erreicht werde.
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0046589) soll eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen und keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden. Wenn sich daher die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien lösen lässt und eine Partei der Delegierung widersprochen hat, so ist die Delegation abzulehnen ( Mayr in Rechberger 3 § 31 JN Rz 4; Ballon in Fasching² I § 31 JN Rz 6; 7 Nc 7/07z mwN).
Zielsetzung der Delegierung ist eine wesentliche Verkürzung und/oder Verbilligung des Verfahrens sowie eine Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit. Zur Erreichung dieses Ziels trägt eine Delegierung vor allem dann bei, wenn sich die Mehrzahl der Zeugen oder eine oder beide Parteien im Sprengel des anderen Gerichts befinden ( Ballon aaO § 31 JN Rz 7; Mayr aaO § 31 JN Rz 4; 10 Nc 31/07a mwN).
Im vorliegenden Fall wohnen die Klägerin und der von ihr beantragte Zeuge im Sprengel des Bezirksgerichts Waidhofen an der Ybbs. Die Beklagte hat ihren Sitz hingegen im Sprengel des an sich örtlich zuständigen (§ 65 JN) Bezirksgerichts Imst. Der von ihr angebotene Zeuge wohnt in Südtirol. Ob die - zur Gutachtenserörterung allenfalls notwendige - Anreise des im Sprengel des Landesgerichts Korneuburg ansässigen Sachverständigen nach Imst besondere Kosten verursachen wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Die hier noch rein theoretische Möglichkeit der Reduzierung von Anreisekosten eines Sachverständigen spricht daher ebenfalls nicht eindeutig für den Antrag der Klägerin (10 Nc 31/07a; 5 Nc 4/07v mwN). Dem Kanzleisitz eines Parteienvertreters kommt nach ständiger Rechtsprechung schon von vornherein keine Bedeutung zu ( Ballon in Fasching ² I § 31 JN Rz 7 f; 10 Nc 69/07i mwN).
Vor diesem Hintergrund ist die beantragte Delegierung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung abzulehnen; nach dem anzulegenden strengen Maßstab ist eine Zweckmäßigkeit zugunsten beider Parteien nämlich nicht zu erkennen. Die von der Klägerin vorgebrachten, mit der beantragten Delegierung verbundenen Vorteile reichen daher nicht aus, um dem Antrag gegen den Willen der Beklagten stattzugeben (7 Nc 24/07z).
Rückverweise
Keine Verweise gefunden