Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Roswitha S*****, vertreten durch Divitschek, Sieder, Sauer Rechtsanwälte GmbH in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Liebmann, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen EUR 7.069,51 sA und Feststellung (Streitwert EUR 400) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 8. März 2006, GZ 17 R 18/06a-37, womit das Urteil des Bezirksgerichts Graz vom 1. Dezember 2005, GZ 63 C 181/05w-31, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 665,66 (darin EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin begehrt Schmerzengeld sowie den Ersatz weiterer Schäden. Sie sei am 25. 11. 2004 mit Verdacht auf Blinddarmentzündung in das Landeskrankenhaus D***** eingeliefert worden. Obwohl sie zu diesem Zeitpunkt nicht kreislaufstabil gewesen sei, sei sie von der diensthabenden Krankenschwester zur Abgabe von Harn mittels eines ihr übergebenen Bechers aufgefordert worden. In der Folge sei die Klägerin in der Toilette kollabiert und mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen, wodurch sie eine Kiefergelenksfraktur erlitten habe. Die diensthabende Krankenschwester hätte den schlechten Gesundheitszustand der Klägerin erkennen und sie beim Gang in das WC stützen müssen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen des GuKG dürfe das Krankenpflegepersonal nur nach ärztlichen Anordnungen Untersuchungen vornehmen.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Nach den wesentlichen Feststellungen der Vorinstanzen wurde die Klägerin, die selbst Diplomkrankenschwester ist, in der interdisziplinären Allgemeinambulanz um 17.00 Uhr eingeliefert. Sie wurde von der diensthabenden Krankenschwester gefragt, ob sie liegend urinieren könnte, was die Klägerin verneinte. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin ansprechbar sowie zeitlich und örtlich orientiert. Sie litt zwar unter großen Schmerzen, äußerte diese aber gegenüber der Krankenschwester nicht. Ihre Gesichtsfarbe war rosig; sie war weder kalt noch schwitzig und machte einen stabilen Eindruck. Die diensthabende Krankenschwester fragte die Klägerin sodann, ob sie aufstehen könnte, um eine Harnprobe abzugeben, was diese bejahte. In der Folge wurde die Klägerin auf der Ambulanzliege bis unmittelbar vor die Toilettentür geschoben. Beim Aufstehen sackte die Klägerin nicht zusammen. Sie zeigte weder Anzeichen eines Schockzustandes noch einer Kreislaufinstabilität. Den verbleibenden Weg von rund einem Meter bis zur Toilette absolvierte sie in aufrechter Haltung, wobei sie von der Krankenschwester und einem Zivildiener begleitet wurde. Dort übergab ihr die Krankenschwester einen Becher für die Urinprobe. In der WC-Kabine kollabierte die Klägerin und zog sich beim Sturz eine Kopfprellung und Kieferverletzung zu. In der Folge wurde bei der Klägerin eine Bauchhöhlenschwangerschaft diagnostiziert. Aus medizinischer Sicht war es verantwortbar, die Klägerin allein in die Toilettenkabine gehen zu lassen; der gegenständliche Vorfall war nicht vorhersehbar.
Ausgehend von diesem Sachverhalt erwogen die Vorinstanzen in rechtlicher Sicht, dass der beklagten Partei kein Sorgfaltsverstoß anzulasten sei.
Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig:
Die in der Revision angesprochene Rechtsfrage der Abgrenzung zwischen dem - im Wesentlichen auf die Pflege im eigentlichen Sinn beschränkten - eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich von Krankenschwestern und dem - diagnostische und therapeutische Maßnahmen umfassenden - mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich, in dem die Durchführung derartiger Maßnahmen einer vorherigen ärztlichen Anordnung bedarf (§ 15 Abs 1 GuKG), stellt sich im vorliegenden Fall in Wahrheit nicht: Nach den im Vorigen auszugsweise wiedergegebenen Feststellungen der Vorinstanzen war nämlich aufgrund des klinischen Zustandsbildes der Klägerin durchaus vertretbar, diese allein die Toilette aufsuchen zu lassen. Hinweise auf einen bevorstehenden Kollaps oder Kreislaufprobleme lagen nicht vor, sodass sich die Verletzung der Klägerin letztlich als schicksalshaft darstellte (vgl auch das Grundlage der Feststellungen der Vorinstanzen bildende Gutachten des Sachverständigen Dr. Watzinger ON 23). Damit ist aber evident, dass auch bei Einhaltung der unter Zugrundelegung der von der Klägerin nunmehr vertretenen Rechtsauffassung gebotenen Vorgangsweise, nämlich der vorherigen Beiziehung eines Arztes, der Unfall nicht verhindert worden wäre. In Anbetracht der grundsätzlichen Harmlosigkeit der vorgesehenen Untersuchungsmaßnahme einerseits und des völligen Fehlens von jeglichen Anzeichen für eine Kreislaufinstabilität andererseits wäre eine genauere medizinische Untersuchung vor der beabsichtigten Routinemaßnahme nicht indiziert gewesen. Hätte sich aber auch bei der nach Ansicht der Klägerin rechtmäßigen Vorgangsweise der Unfall in gleicher Weise ereignet, hängt die Entscheidung des vorliegenden Falles in Wahrheit nicht von der Abgrenzung des eigenverantwortlichen und mitverantwortlichen Tätigkeitsbereiches einer Krankenschwester nach §§ 14, 15 GuKG ab. Damit war im vorliegenden Fall auch nicht auf den Schutzzweck des § 15 GuKG einzugehen, sodass dahingestellt bleiben kann, ob dieser überhaupt nicht nur Schutz vor mit gewissen Gefahren verbundenen diagnostischen Maßnahmen (vgl beispielsweise die in § 15 Abs 5 GuKG angeführten Injektionen, Blutentnahmen aus der Vene oder das Setzen von Blasenkathetern), sondern darüber hinaus generell auch den Schutz vor den mit anderen Handlungen wie dem Aufstehen oder einem sonstigen Verändern der Körperhaltung, dessen Notwendigkeit sich auch losgelöst von jeder diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme ergeben kann, verbundenen Gefahren bezweckt.
Die Revision war daher spruchgemäß zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50.
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