Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Raits Ebner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1) Arbeiterbetriebsrat der U***** (NL 08), 2) Arbeiterbetriebsrat der U***** (NL 07), beide *****, beide vertreten durch Teicht Jöchl Rechtsanwälte Kommanditpartnerschaft in Wien, wegen Anfechtung von Betriebsratswahlen, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. September 2004, GZ 7 Ra 115/04i 18, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27. April 2004, GZ 2 Cga 201/03x 13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Der in der Rekursbeantwortung gestellte Antrag, durch Urteil in der Sache selbst im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens zu entscheiden, wird ebenfalls zurückgewiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Begründung:
Die klagende Baugesellschaft brachte in ihren Klagen vor, sie betreibe in Ostösterreich sechs Zweigniederlassungen. Diese seien organisatorisch zur „Region Ost" zusammengefasst, die ihrerseits aus zwei Betrieben iSd § 34 ArbVG bestehe, und zwar aus dem Betrieb Hochbau Region Ost und dem Betrieb Tiefbau Region Ost. Der Betrieb Hochbau Region Ost sei in zwei Abteilungen eingeteilt, und zwar in die Abteilungen Hochbau 08 und Hochbau 07. In diesen beiden Abteilungen seien im Sommer 2003 Wahlen zum Arbeiterbetriebsrat durchgeführt worden, aus denen die beklagten Parteien hervorgegangen seien. Diese Wahlen seien anfechtbar, weil die beiden Abteilungen keine Betriebe iSd § 34 ArbVG seien. Es werde daher begehrt, die Betriebsratswahlen für ungültig zu erklären.
Im Laufe des Verfahrens brachte die Klägerin vor, dass entweder ihre (Zweig )Niederlassungen oder die so genannten „Gruppen" Betriebe iSd § 34 ArbVG seien. Die Gruppe, die wiederum aus mehreren Arbeitspartien bestehe, sei das grundlegende „Profit Center" des Unternehmens. Sie habe weitgehend eigenständige Personalhoheit und habe Baustellen eigenverantwortlich abzuwickeln.
Die Beklagten beantragten, das Klagebegehren abzuweisen. Die Abteilungen 07 und 08, die jeweils unter eigenständiger kaufmännischer Leitung stünden und nicht anders organisiert seien als andere Bauunternehmungen seien Betriebe iSd § 34 ArbVG.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es traf umfangreiche Feststellungen über die Organisation der Klägerin, die vor allem das Verhältnis zwischen den Zweigniederlassungen und den Abteilungen 07 und 08 betreffen. Auf dieser Grundlage vertrat es die Rechtsauffassung, dass die Abteilungen 07 und 08 Betriebe iSd § 34 Abs 1 ArbVG seien.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den OGH zulässig sei.
Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass sich das Erstgericht nur mit der Abgrenzung der Abteilungen 07 und 08 von den übergeordneten Organisationseinheiten befasst habe, nicht aber mit dem Vorbringen der Klägerin, dass bereits die Gruppen als eigene Betriebe zu gelten hätten. Die Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen nur dieses werde von der Klägerin in zweiter Instanz aufrecht erhalten sei aber notwendig, weil die Wahl auch dann anfechtbar sei, wenn sie für einen Bereich erfolgt sei, der aus mehreren Betrieben iSd § 34 ArbVG bestehe. Käme daher bereits den Gruppen Betriebseigenschaft zu, wären die Klagebegehren berechtigt.
Nach ausführlicher Wiedergabe der Rechtsprechung zum Betriebsbegriff des § 34 Abs 1 ArbVG vertrat das Berufungsgericht die Rechtsauffassung, dass die Frage, ob bereits den Gruppen Betriebseigenschaft zukomme, auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen noch nicht beurteilt werden könne. Da sich das Erstgericht primär mit dem Verhältnis zwischen den Abteilungen 07 und 08 einerseits und den übergeordneten Einheiten befasst habe, fehlten Feststellungen, die für eine nähere Beurteilung der Einrichtung und Organisation der Gruppen, ihrer zeitlichen Kontinuität, ihrer örtlichen Abgrenzbarkeit, ihrer Eigenständigkeit und der Abgrenzbarkeit ihrer Tätigkeit erforderlich seien. Das Verfahren erweise sich daher als ergänzungsbedürftig.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob Arbeitsstätten mit einheitlichem Betriebsinhaber und weitreichender Personalhoheit ihres örtlichen Leiters, die für die Abwicklung von ihnen zugewiesenen Baustellen verantwortlich seien, noch zusätzlicher organisatorischer Merkmale bedürften, um als Betriebe iSd § 34 ArbVG zu gelten.
Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene Rekurs der beklagten Parteien ist nicht zulässig.
Auch ein berufungsgerichtlicher Aufhebungsbeschluss, in dem die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof ausgesprochen wurde, ist nur anfechtbar, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO). Bei dieser Zulässigkeitsprüfung ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht an den Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts gebunden (9 Ob 134/00x; 2 Ob 217/98w; 2 Ob 355/97p uva).
Hier vermögen die Rekurswerber in ihrem Rechtsmittel keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
Ihr primärer (im Übrigen erstmals in dritter Instanz erhobener) Einwand, die Klägerin habe die Anfechtungsfrist des § 59 Abs 2 ArbVG nicht eingehalten, weil sie ihre Klagen auf die Betriebseigenschaft der Zweigniederlassungen gestützt und den später geltend gemachten Klagegrund (Betriebseigenschaft der Gruppen) erst außerhalb der Anfechtungsfrist geltend gemacht habe, ist unzutreffend. Als Anfechtungsgrund hat die Klägerin in ihren Klagen den Umstand geltend gemacht, dass die Abteilungen 07 und 08 keine Betriebe iSd § 34 ArbVG seien. Von diesem Klagegrund ist die Klägerin nie abgegangen; dass sie sein Vorliegen im Laufe des Verfahrens (auch) anders begründet hat, als in der Klage, kann nicht als fristwidrige Geltendmachung eines neuen Klagegrundes gewertet werden.
Die Rechtsprechung zum Betriebsbegriff des § 34 ArbVG wurde von der zweiten Instanz ausführlich und zutreffend wiedergegeben. Diese Rechtsprechung wird von den Rekurswerbern nicht in Frage gestellt. Ihre Anwendung auf den Einzelfall hängt von den jeweils gegebenen konkreten Umständen ab und kann daher von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen die Zulässigkeit des Rekurses nicht rechtfertigen. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung der zweiten Instanz zeigen aber die Rekurswerber nicht auf. Im Gegenteil: Sie stimmen der Rechtsauffassung der zweiten Instanz im Wesentlichen zu, machen aber primär geltend, dass mangels hinreichenden Vorbringens der Klägerin die Ergänzung des Verfahrens nicht erforderlich, sondern das Klagebegehren abzuweisen sei. Die Frage, ob das Vorbringen einer Partei einen von ihr geltend gemachten Klagegrund so weit darlegt, dass im Falle des Fehlens von Feststellungen die sofortige Abweisung des Klagebegehrens ausgeschlossen und das Klagebegehren abzuweisen ist, ist aber ebenfalls eine Frage des Einzelfalls, der die in § 502 Abs 1 ZPO geforderte Bedeutung nicht zukommt.
Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rekurses sind daher nicht gegeben.
Die Klägerin, die den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss nicht angefochten hat, beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung primär, (in Abänderung des Aufhebungsbeschlusses) in der Sache selbst im klagsstattgebenden Sinn zu erkennen. Ein solcher Antrag wäre nur in einem Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss möglich gewesen; in der Beantwortung des gegnerischen Rekurses kann er nicht gestellt werden. Er ist daher zurückzuweisen.
Der Vorbehalt der Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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