Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Thum und Weinreich, Rechtsanwälte OEG in St. Pölten, wider die beklagte Partei I***** Bauträger Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Thomas Rohracher, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 32.592,86 sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 2. Februar 2004, GZ 2 R 230/03w 44, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
1. Die Revisionswerberin wirft dem Berufungsgericht in erster Linie vor, es habe bestimmte Vertragsklauseln unrichtig ausgelegt bzw das Verhältnis einzelner Vertragsbestimmungen zueinander unrichtig beurteilt. Da Fragen der Vertragsauslegung regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende (grundsätzliche) Bedeutung zukommt, kann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nur dann vorliegen, wenn dem Berufungsgericht eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die vom Obersten Gerichtshof im Sinne der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (siehe dazu nur RIS Justiz RS0044298). Dies gilt auch für die Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens (Nachweise etwa in RIS Justiz RS0043253).
2. Im vorliegenden Fall wurde in Vertragspunkt 8 ("Rechnungslegung") unter anderem vereinbart, der Werklohn werde erst nach mängelfreier Werkherstellung fällig, und bei der "Abnahme" sei ein von beiden Vertragsteilen zu unterzeichnendes Aufnahmeprotokoll zu erstellen. Weiters wurde festgelegt, dass die klagende Partei verpflichtet sei, die Schlussrechnung spätestens drei Monate nach Fertigstellung (und Übergabe) des Bauwerks zu legen. Die "Verjährungsfrist für Rechnungen und Klagefrist" sollte sechs Monate ab Übernahme des Bauwerks betragen.
Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, die Parteien seien dadurch, dass von einer formalen und schriftlich protokollierten Abnahme Abstand genommen worden sei, zugleich auch (schlüssig) von der auf sechs Monate verkürzten Verjährungsfrist abgegangen, weil die gesamte Regelung des Vertragspunkts 8 als eine Einheit aufzufassen sei. Zwischen der schriftlichen Abnahme, der Übergabe und dem Beginn der verkürzten Verjährungsfrist bestehe ein enger Zusammenhang, der es erforderlich mache, die gesamten Vertragsbestimmungen in Punkt 8 als Einheit zu sehen. Erst nach der schriftlich protokollierten Abnahme hätte die Klägerin Schlussrechnung legen können; die auf sechs Monate verkürzte Verjährungsfrist hätte aber mit der Übergabe des Bauwerks bereits zu laufen begonnen und nicht mit Zumittlung der Schlussrechnung.
Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Streitteile seien mit dem Abgehen vom Erfordernis einer schriftlichen Abnahme zugleich auch von der vereinbarten Verkürzung der Verjährungsfrist auf sechs Monate beides wurde im Vertragspunkt "Rechnungslegung" geregelt abgegangen, nicht als krasse Fehlbeurteilung anzusehen. Das Berufungsgericht geht dabei ersichtlich davon aus, die erheblich verkürzte Verjährungsfrist, in die auch noch die Erstellung der Schlussrechnung und die 30 tägige Leistungsfrist fallen, sei nur dadurch gerechtfertigt, dass bei formeller Abnahme des Werks durch ein gemeinsam errichtetes Protokoll keine Unklarheiten über den Beginn und das Ende der Verjährungsfrist bestehen können. Erfolgt eine solche formelle Abnahme hingegen nicht, kann wie der vorliegende Fall deutlich zeigt über die Frage, wann eine "Übernahme" des Bauwerks stattgefunden hat, erhebliche Unklarheit bestehen, was sich für den Werkunternehmer auch bei einigermaßen sorgfältigem Vorgehen in höchstem Maße nachteilig auswirken könnte. Soweit das Berufungsgericht nun im Wege ergänzender Vertragsauslegung redlichen Vertragsparteien unterstellt hat, sie hätten bei Bedachtnahme auf die geänderten Umstände, nämlich bei Unterbleiben einer förmlichen Abnahme, die (äußerst kurze) Verjährungsfrist von sechs Monaten nicht vereinbart bzw die Auffassung vertrat, sie seien für den tatsächlich eingetretenen Fall davon konkludent abgegangen, so liegt darin keine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende krasse Fehlbeurteilung. Der Vorwurf, die Vorinstanzen hätten keine Feststellungen zum (übereinstimmenden) Parteiwillen getroffen, geht schon deshalb ins Leere, weil gar nicht behauptet wird, dass die Parteien die kurze Verjährungsfrist jedenfalls vereinbart hätten oder dass die betreffende Vertragsklausel überhaupt Gegenstand konkreter Verhandlungen gewesen sei.
Mit ihrem Hinweis auf die Ungewöhnlichkeit, Sittenwidrigkeit und Unausgewogenheit der Vertragsklausel über die Verkürzung der Verjährungsfrist hat sich die klagende Partei bereits im erstinstanzlichen Verfahren überdies mit noch ausreichender Deutlichkeit auf § 864a ABGB berufen, der anordnet, dass ungewöhnliche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern dies gilt auch für die hier von der beklagten Partei verwendete Vertragsschablone (vgl nur Rummel in Rummel ABGB 3 I § 864a Rz 1) nicht Vertragsinhalt werden, weil sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Verkürzung der Verjährungsfrist für die Werklohnforderung auf sechs Monate ist nicht nur objektiv ungewöhnlich; die klagende Partei musste mit einer derartigen Klausel unter den vertraglichen Bestimmungen über die "Rechnungslegung" auch nicht rechnen, zumal die Klausel auch nicht etwa drucktechnisch besonders hervorgehoben wurde (vgl nur SZ 56/62, JBl 1986, 508, RdW 1995, 258 ua). Da § 864a ABGB auch auf Verträge zwischen Unternehmern Anwendung findet, wurde die Verkürzung der Verjährungsfrist somit gar nicht wirksam vereinbart, sodass es auf die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen zur Vertragsauslegung bzw änderung letztlich gar nicht ankommt.
3. Unberechtigt ist der Vorwurf, das Berufungsgericht sei bei seiner Entscheidung von der im seinerzeitigen Aufhebungsbeschluss ausgesprochenen Rechtsansicht abgegangen. Entgegen der Darstellung der Revisionswerberin wurde dem Erstgericht nicht etwa die Rechtsmeinung überbunden, die Übernahme des Bauwerks sei vor April 1998 erfolgt. Vielmehr hat das Berufungsgericht im Zusammenhang mit dem dem Erstgericht erteilten Ergänzungsauftrag lediglich formuliert, es sei "anzunehmen", dass vor April 1998 eine Übernahme des Bauwerks erfolgt sein müsse. Im Übrigen könnte sich eine Partei über eine Verletzung der Bindung des Berufungsgerichts an seine im Aufhebungsbeschluss geäußerte Rechtsansicht nicht beschweren, wenn sich die im zweiten Rechtsgang vertretene Rechtsauffassung als zutreffend erweist (SZ 42/177, RIS Justiz RS0042181).
4. Aus welchem Grunde die Auffassung des Berufungsgerichts, die Abnahme des Bauwerks durch die beklagte Partei sei mangels sonstiger Anhaltspunkte mit dem Verkauf der letzten Eigentumswohnung durch die Revisionswerberin im April 1999 anzunehmen, unzutreffend sein sollte, wird in der Revision nicht dargelegt. Aktenwidrig ist die Behauptung, das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, dass auch die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren nicht zum Tragen komme. Dieses hat vielmehr ausdrücklich ausgeführt, die Beklagte könne sich wegen des Abgehens von der vereinbarten kürzeren Frist auf diese nicht mehr berufen, sodass für die Forderung der Klägerin die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 1486 Z 1 ABGB) zum Tragen käme, weshalb die Klageforderung nicht verjährt sei. Dem hält die Revisionswerberin nichts Substanzielles entgegen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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