Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Stefan Gulner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** W***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Beck, Krist Bubits, Rechtsanwälte Partnerschaft in Mödling, wegen 10.807,93 EUR sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Mai 2003, GZ 3 R 241/02m 25, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 30. September 2002, GZ 20 Cg 10/01h 21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 686,88 EUR (darin 114,48 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu zahlen.
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei vertreibt EDV Geräte, die beklagte Partei betreibt einen Handel mit solchen Geräten und deren Zubehör. Die Streitteile stehen seit September 1999 in ständiger Geschäftsbeziehung. Die beklagte Partei war nicht verpflichtet, die an sie gelieferten Waren vor deren Lieferung zu bezahlen. Aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten bzw verzögerungen lieferte die klagende Partei bei Überschreitung eines der beklagten Partei eingeräumten Kreditlimits bestellte Waren nur nach Zahlung zumindest eines Teils der bereits fälligen Rechnungssummen aus. Im Mai oder Anfang Juni 2000 bestellte die beklagte Partei bei der klagenden Partei unter anderem neun Notebooks. Ein Mitarbeiter der klagenden Partei urgierte die Zahlung eines damals offenen Rechnungsbetrags von 57.000 S. Die mit dem Rechnungswesen der beklagten Partei betraute Mitarbeiterin sagte ihm zu, dass die Zahlung erfolgen werde. Daraufhin versprach der Mitarbeiter der klagenden Partei die Auslieferung auch der neun Notebooks, wies aber darauf hin, dass die Lieferung gestoppt werde, sofern das Geld nicht binnen drei Tagen bei der klagenden Partei (in den Urteilen der Vorinstanzen irrtümlich: "bei der Beklagten") einlange. Am 5. 6. 2000 wurden die neun Notebooks dadurch versandt, dass sie in Deutschland dem von der klagenden Partei beauftragten Spediteur, der den Transport durch einen Frachtführer durchführen ließ, übergeben wurden. Am 6. 6. 2000 ließ die klagende Partei die Lieferung stoppen, weil die beklagte Partei die offenen Rechnungen nicht binnen drei Tagen beglichen hatte. Die Ware wurde an einem nicht mehr feststellbaren Ort vom Spediteur zwischengelagert. Nachdem der klagenden Partei am 13. 6. 2000 von einer Bank bestätigt worden war, dass sowohl die offene Rechnung über 57.000 S wie eine weitere zwischenzeitig fällig gewordene Faktura beglichen worden seien, ordnete sie die Weiter bzw Auslieferung der gestoppten Ware an. Am 16. 6. 2000 erfolgte die Anlieferung am Bestimmungsort, an dem festgestellt wurde, dass vier Notebooks fehlten. Wo und auf welche Weise sie abhanden gekommen waren, konnte nicht festgestellt werden.
Die klagende Partei begehrte zuletzt die Zahlung von 10.807,93 EUR und von aus mehreren Rechnungen resultierenden Zinsenbeträgen. Die von der beklagten Partei bestellten Notebooks seien ordnungsgemäß geliefert und übernommen worden. Im Eingangsbereich der Übernahmestelle seien letztlich offenbar vier Notebooks abhanden gekommen.
Die beklagte Partei wendete ein, dass nur fünf Notebooks geliefert worden seien. Offenbar im Zuge der vereinbarungswidrigen und 10 Tage dauernden Zwischenlagerung der Notebooks seien vier davon abhanden gekommen. Es sei keine Vereinbarung getroffen worden, die der klagenden Partei aufgrund offener Forderungen aus anderen Lieferungen ein Zurückbehaltungsrecht am Liefergegenstand eingeräumt hätte. Von der Zwischenlagerung habe die beklagte Partei erst nach der tatsächlichen Anlieferung der noch vorhandenen Notebooks erfahren.
Das Erstgericht sprach der klagenden Partei aus einzelnen Rechnungen resultierende Zinsenbeträge zu und wies das Zahlungsbegehren von 10.807,93 EUR - das die vier Notebooks betraf ab. Gemäß Art 8 Nr 20 EVHGB gehe die Gefahr beim Versendungskauf auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Ware dem Spediteur ausgeliefert habe. Durch die von der klagenden Partei als Verkäuferin verfügte Zwischenlagerung sei die Gefahr aber wieder auf sie zurückgefallen und auf die beklagte Partei als Käuferin erst durch deren Anweisung, die Ware "endgültig weiter auszuliefern", erneut übergegangen. Dass die Ware bei dieser letzten Anweisung noch vollzählig vorhanden gewesen sei, habe die klagende Partei nicht bewiesen. Mangels Vorleistungspflicht der beklagten Partei habe sich diese nicht in Verzug befunden. Die Information der klagenden Partei, dass die Lieferung im Falle nicht rechtzeitiger Zahlung von bereits fälligen Rechnungen gestoppt werde, habe keinen Übergang der Preisgefahr ausgelöst.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Grundsätzlich regle Art 8 Nr 20 EVHGB die Gefahrtragung beim Versendungskauf dahin, dass die Gefahr auf den Käufer übergehe, sobald der Verkäufer die Ware dem Spediteur ausgeliefert habe. Im vorliegenden Fall habe die klagende Partei den Liefervorgang unterbrechen und die von der beklagten Partei bestellte Ware zwischenlagern lassen. Damit habe sie ihren "typischen" Herrschaftsbereich über das Liefergut ausgedehnt, und deshalb sei die Gefahr wieder auf die klagende Partei "zurückgefallen". Zweifel über ein allfälliges Abhandenkommen der Ware während der Zwischenlagerung müssten zu Lasten der beweisbelasteten klagenden Partei gehen. Die Vorleistungspflicht der klagenden Partei hätte nur durch eine nachträgliche Einigung der Vertragspartner abgeändert werden können, doch könne aus der bloßen Information der beklagten Partei, die Ware werde bei Nichtzahlung der offenen Forderungen nicht ausgeliefert werden, noch nicht auf eine schlüssige Vereinbarung in diesem Sinne geschlossen werden.
Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin verletzte das Gericht zweiter Instanz den Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht und traf auch keine Feststellung, die dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt widerspräche. Zumal die klagende Partei in ihrer Berufung nur eine Rechtsrüge ausgeführt hatte, war vom Berufungsgericht von dem in erster Instanz festgestellten Sachverhalt auszugehen. Dieses Gericht musste aber den Sachverhalt nicht wörtlich wiedergeben, und die Wortfolge, eine Mitarbeiterin der beklagten Partei habe die Zahlung eines aushaftenden, aus Vorlieferungen resultierenden Betrags zugesagt (S 4 f des Berufungsurteils), weist keinen anderen Inhalt auf als die vom Erstgericht gebrauchte Formulierung, es sei zugesagt worden, dass die Zahlung durchgeführt werde (S 7 des Ersturteils). Abgesehen davon, dass die Feststellungen des Erstgerichts vom Berufungsgericht bloß gerafft wiedergegeben wurden und deren Wiedergabe schon für sich allein keine abändernde Feststellung zur Folge haben kann, steht sie auch nicht im Widerspruch zu den erstinstanzlichen Feststellungen. Es ist somit jedenfalls davon auszugehen, dass eine Mitarbeiterin der beklagten Partei die Zahlung ohne Nennung eines konkreten Zahlungszeitpunkts zusagte.
Die Feststellung, die klagende Partei habe angekündigt, dass sie die Lieferung stoppen werde, sofern eine bestimmte noch aushaftende Schuld nicht binnen drei Tagen beglichen werde, kann keineswegs dahin verstanden werden, dass die hier bedeutsame Lieferung nur dann stattfinden werde, wenn die beklagte Partei den dafür zu entrichtenden Kaufpreis im Voraus zahle, also insoweit vorleistungspflichtig sei. Die bloße Ankündigung des Lieferstopps ist wie schon das Gericht zweiter Instanz zutreffend ausführte keineswegs als Einigung dahin zu beurteilen, dass die beklagte Partei in welcher Gestalt auch immer vorleistungspflichtig sein sollte.
Gemäß Art 8 Nr 20 EVHGB geht die Gefahr beim Versendungskauf der hier unbestrittenermaßen gegeben ist auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Ware dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat. Uneingeschränkt gilt das aber nur dann, wenn der Verkäufer nach der Übergabe der verkauften Ware an die zur Ausführung der Versendung bestimmte Person oder Anstalt in den daran anschließenden Transport nicht weiter eingreift.
Die Frage, ob durch Vorkehrungen, wie sie die klagende Partei getroffen hat, die mit der Auslieferung an die Transportperson verbundene Traditionswirkung (§ 429 ABGB) nachträglich wieder zunichte gemacht wird (so SZ 44/118 [dazu zu Recht kritisch Kramer aaO Rz 6]), muss hier da für den Streitausgang unerheblich nicht geprüft werden. Festzuhalten bleibt lediglich, dass die regelmäßig gegebene Korrelation zwischen Eigentums und Gefahrenübergang keineswegs unumstößlich ist (Kramer aaO Rz 7 mwN): Die beiden fallen bei der Übergabe unter Eigentumsvorbehalt ebenso auseinander wie beim Annahmeverzug durch den Käufer und bei der Versendung an den vereinbarten Erfüllungsort.
Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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