Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Karlheinz Kux (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Johannes Denk (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Walter F*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Georg Schwab, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Juli 2002, GZ 12 Rs 99/02v-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. Februar 2002, GZ 17 Cgs 119/01f-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Der am 5. 8. 1952 geborene Kläger erlitt im Sommer 1999 einen Hirninfarkt, der weite Teile des gesamten Mediagebietes betroffen hat. Folgen davon sind eine Hemiparese mit massiver Spastizität rechts und eine nahezu vollständige homonyme Hemianopsie rechts, eine nahezu vollständige expressive und teilweise perzeptive Aphasie sowie eine schwere psychische Alteration, wobei eine psychische Affektinkontinenz im Vordergrund steht.
Der Kläger bewohnt - alleine - eine mit einem Lift erreichbare Eigentumswohnung im zweiten Stock eines Gebäudes im Stadtzentrum von Wels. Die Entfernung zur nächsten Bushaltestelle beträgt 400 m, zum nächsten Lebensmittelgeschäft ebenfalls 400 m, zum Arzt 2 km und zur Apotheke 500 m. Die Wohnung verfügt über eine Toilette und ein Badezimmer, das mit einer Badewanne und einer Duschkabine mit einer Einstiegshöhe von 25 cm ausgestattet ist. Als Kochgelegenheit dient ein E-Herd. Die Beheizung von Wohn- und Schlafraum erfolgt zentral mittels Gasheizung.
Seit dem Hirninfarkt benötigt der Kläger Betreuung beim An- und Auskleiden, bei der täglichen Körperpflege, beim Besteigen und Verlassen der Duschkabine oder der Badewanne und bei der Zubereitung einer warmen ausgewogenen Mahlzeit. Einer Betreuung bei der Verrichtung der Notdurft bedarf der Kläger insoweit, als er sich, wenn der Stuhl weich ist, was etwa jeden zweiten Tag anzunehmen ist, nicht ausreichend reinigen kann und es zu Stuhlverschmieren kommt. Eine Inkontinenz liegt nicht vor. Weiters benötigt der Kläger Betreuung beim Einnehmen von Medikamenten.
Der Kläger kann sich innerhalb der Wohnung selbst fortbewegen. Er bedarf der Hilfe beim Herbeischaffen von Nahrungsmitteln und Medikamenten, für die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, für die Wäschepflege und für Wege außer Haus. Auch kann er die zentrale Gasheizung nicht mehr betätigen. Alle übrigen Verrichtungen des täglichen Lebens kann der Kläger selbst ausführen. Die Einnahme des Essens ist dem Kläger möglich, wenn das Essen vorgegeben und vorgeschnitten wird. Er kann auch für mehrere Stunden in der Wohnung allein gelassen werden. Eine "dauernde Anwesenheit" ist nicht erforderlich.
Zumindest seit dem 26. 6. 2001 liegt beim Kläger auch ein Zustand hochgradiger Sehbehinderung in der Form vor, dass am rechten Auge praktisch kein verwertbarer Visus vorhanden ist; dem Kläger gelingt lediglich in einem kleinen Areal das Fingerzählen. Im Übrigen liegt weder ein Fern- noch ein Nahvisus vor. Am besseren linken Auge beträgt der Visus in der Ferne mit Korrektur 0,16; ein verwertbarer Nahvisus liegt nicht vor. Dazu kommt eine Gesichtsfeldeinschränkung in der Form, dass sich lediglich ein linksseitiger Gesichtsfeldrest mit Erhalt des optischen Zentrums in einer Ausdehnung von oben nach unten 10°, nach temporal bis auf 30°, jedoch insgesamt deutlich konzentrisch eingeengt findet. Kurz vor dem 26. 6. 2001 war die Visusleistung jedenfalls noch besser, weshalb eine hochgradige Sehbehinderung vor dem 26. 6. 2001 nicht mit Sicherheit feststeht. Der Kläger bezog vorerst vom Land Oberösterreich ein Pflegegeld der Stufe 4. Mit Bescheid vom 11. 4. 2001 sprach die beklagte Partei aus, dass dem Kläger aufgrund seines Antrags vom 1. 12. 2000 ab 1. 1. 2001 Pflegegeld der Stufe 2 gebühre.
Das Erstgericht sprach dem Kläger Pflegegeld der Stufe 3 ab 1. 7. 2001 zu und wies das auf Gewährung eines höheren Pflegegelds sowie auf Gewährung des Pflegegelds der Stufe 3 bereits ab 1. 1. 2001 gerichtete Mehrbegehren ab. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht von folgendem pflegegeldrelevanten Bedarf an Betreuung und Hilfe aus:
An- und Auskleiden (Richtwert) 20 Stunden/Monat
Tägliche Körperpflege einschließlich des Besteigens oder Verlassens einer Dusche
oder Badewanne (Mindestwert) 25 Stunden/Monat
Zubereitung von Mahlzeiten (Mindestwert) 30 Stunden/Monat
Betreuung bei der Verrichtung der Notdurft
(konkreter Aufwand) 1,25 Stunden/Monat
Einnehmen von Medikamenten (Richtwert) 3 Stunden/Monat
Herbeischaffen von Nahrungsmitteln und Medikamenten (Fixwert) 10 Stunden/Monat
Reinigung der Wohnung und der
persönlichen Gebrauchsgegenstände
(Fixwert) 10 Stunden/Monat
Hilfe bei der Wäschepflege (Fixwert) 10 Stunden/Monat Mobilitätshilfe im weiteren Sinn (Fixwert) 10 Stunden/Monat 119,25 Stunden/Monat
Damit werde die Pflegegeldstufe 3, die einen monatlichen Pflegeaufwand von über 120 Stunden/Monat erfordere, nicht erreicht. Wegen der bestehenden hochgradigen Sehbehinderung bestehe aber nach der in § 4a BPGG vorgesehenen diagnosebezogenen Einstufung ab 1. 7. 2001 Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 3.
Das Berufungsgericht gab der auf Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 5 gerichteten Berufung des Klägers teilweise Folge und sprach dem Kläger Pflegegeld der Stufe 3 bereits ab 1. 1. 2001 zu. Eine Einschätzung des tatsächlichen Aufwands für die Betreuung bei der Verrichtung der Notdurft sei zu gering; angemessen sei ein tatsächlicher Aufwand von 7,5 Stunden pro Monat, womit die Grenze zur Pflegegeldstufe 3 von mehr als 120 Stunden monatlich ab 1. 1. 2001 jedenfalls überschritten werde.
Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne eines Zuspruchs von Pflegegeld der Stufe 5 ab 1. 1. 2001 abzuändern.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht ist bei seinen Tatsachenfeststellungen (angeführt im Rahmen der Beweiswürdigung) davon ausgegangen, dass dem Kläger die Einnahme des Essens noch möglich ist, wenn das Essen vorgegeben und vorgeschnitten wird. Mit dem Berufungsvorbringen des Klägers, es sei die dem entgegen stehende Feststellung zu treffen, dass er sei nicht in der Lage sei, (selbständig) eine warme Mahlzeit einzunehmen, hat sich das Berufungsgericht auseinandergesetzt und eine solche Feststellung abgelehnt. Auf dieser Tatsachengrundlage ist das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit dem Erstgericht - davon ausgegangen, dass für die Einnahme von Mahlzeiten kein Betreuungsbedarf besteht.
Die dieser Einschätzung zugrunde liegenden Feststellungen resultieren aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann (RIS-Justiz RS0043061 [T11], RS0043371). Insoweit stellen die Revisionsausführungen den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar (10 ObS 82/02k, 10 ObS 222/02y; RIS-Justiz RS0043219).
Selbst wenn man in Übereinstimmung mit dem Revisionsvorbringen den Mindestwert von 30 Stunden pro Monat für die Betreuung bei der Verrichtung der Notdurft (§ 1 Abs 4 EinstV) und den Fixwert von 10 Stunden für die Hilfe bei der Beheizung des Wohnraums (§ 2 Abs 3 EinstV) annähme, käme man zu keinem durchschnittlichen monatlichen Pflegebedarf von mehr als 160 Stunden (Stufe 4) bzw 180 Stunden (Stufe 5). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob dieser Mindestwert und dieser Richtwert im konkreten Fall heranzuziehen sind oder nicht. Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.
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