Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Herbert Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz W*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Kriegsgefangenenentschädigung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2001, GZ 8 Rs 207/01z-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. September 2001, GZ 35 Cgs 123/01a-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des bestätigten Teiles zu lauten haben:
"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger ab 1. 1. 2002 eine Entschädigung für Kriegsgefangene im Betrag von monatlich 14,53 EUR zu leisten.
Das Mehrbegehren auf Zahlung einer Kriegsgefangenenentschädigung im gesetzlichen Ausmaß im Zeitraum vom 1. 2. 2001 bis 31. 12. 2001, wird abgewiesen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 333,10 EUR (darin 55,50 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Der am 4. 10. 1925 geborene Kläger, ein österreichischer Staatsbürger, befand sich vom 20. 4. 1945 bis Juli 1946 in Belgien in britischer Kriegsgefangenschaft.
Der Kläger stellte am 2. 2. 2001 bei der beklagten Partei den Antrag auf Gewährung der Kriegsgefangenenentschädigung. Mit Bescheid vom 9. 3. 2001 lehnte die beklagte Partei diesen Antrag mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht - wie vom Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (idF BGBl I 2000/142) als Anspruchsvoraussetzung gefordert - in die Kriegsgefangenschaft eines mittelost- oder osteuropäischen Staates geraten.
Das Erstgericht wies das vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene, auf die Gewährung der beantragten Leistung ab 1. 2. 2001 gerichtete Klagebegehren unter Hinweis auf die geltende Rechtslage ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es sei eine allgemein bekannte Tatsache, dass die in den in § 1 Z 1 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (idF BGBl I 2000/142) genannten mittelost- und osteuropäischen Staaten angehaltenen Kriegsgefangenen in der Regel wesentlich größeren physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt gewesen seien als die im Bereich der westlichen Alliierten angehaltenen Kriegsgefangenen. Die Einschränkung der Anspruchsberechtigung auf diesen Personenkreis sei daher nicht unsachlich.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Mit Wirkung vom 1. 1. 2001 wurde das in Art 70 Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 2000/142, enthaltene Bundesgesetz, mit dem eine Entschädigung für Kriegsgefangene eingeführt wird (Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz - KGEG) in Kraft gesetzt. Dieses Gesetz räumt in seinem § 1 Z 1 österreichischen Staatsbürgern, die "im Verlauf des Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft mittelost- oder osteuropäischer Staaten (wie Albaniens, Bulgariens, Polens, der ehemaligen Sowjetunion, Rumäniens, der ehemaligen Tschechoslowakei, des ehemaligen Jugoslawiens) gerieten" einen Anspruch auf Kriegsgefangenenentschädigung ein.
Der Revisionswerber macht in seinem Rechtsmittel die Gleichheitswidrigkeit dieser Bestimmung geltend. Die Bestimmung ist jedoch nicht verfassungswidrig:
Der Verfassungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 8. 3. 2002, G 308/01 ua, Anträge des Oberlandesgerichtes Innsbruck, die Wortfolge "mittelost- oder osteuropäischer Staaten (wie Albaniens, Bulgariens, Polens, der ehemaligen Sowjetunion, Rumäniens, der ehemaligen Tschechoslowakei, des ehemaligen Jugoslawiens)" in § 1 Z 1 KGEG, Art 70 Budgetbegleitgesetz 2001 als verfassungswidrig aufzuheben, ab. Der Gerichtshof führte im Wesentlichen aus, dem Gesetzgeber komme in der Frage, in welchem Umfang er die unterschiedlichen Erscheinungsformen kriegs- und verfolgungsbedingter Haft und Anhaltung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg als entschädigungswürdig erachte, ein weiter - letztlich auch wohl von politischen Bewertungen geprägter - Beurteilungsspielraum zu. In welchem Ausmaß die der zur Prüfung gestellten Entschädigungsregelung allenfalls zugrundeliegende politische Bewertung geteilt werde, sei jedenfalls keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm. Es könne dem Gesetzgeber daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er vorweg - mit Blick auf die Entschädigung für die Sklaven- und Zwangsarbeit des nationalsozialistischen Regimes (vgl hiezu AB 255 BlgNR 21. GP, Allgemeiner Teil, zum Versöhnungsfonds-Gesetz) - nur jenen Kriegsgefangenen eine Entschädigung zukommen lassen wollte, die typischer Weise unter vergleichbaren menschenunwürdigen Bedingungen angehalten worden seien. Es lasse sich auch nicht sagen, dass der Gesetzgeber die historischen Gegebenheiten grob verkannt hätte, wenn er davon ausgegangen sei, dass eine derartige Vergleichbarkeit in erster Linie bei den ehemaligen Kriegsgefangenen der ost- und mittelosteuropäischen Staaten bestehe. Für welchen Zeitraum es dem Gesetzgeber unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten gestattet wäre, eine Begünstigung der hier zu beurteilenden Art für bloß eine Gruppe der ehemaligen Kriegsgefangenen zu gewähren, müsse aus Anlass dieses Verfahrens nicht abschließend geklärt werden, weil mittlerweile die Entschädigungszahlungen mit Wirkung vom 1. 1. 2002 auf alle Kriegsgefangenen ausgeweitet worden seien und der Gesetzgeber durch diese Art der stufenweisen Einführung seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum keinesfalls überschritten habe. Es begegne daher auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber eine Regelung getroffen habe, die - ohne Bedachtnahme auf die besonderen Bedingungen der Anhaltung in jedem Einzelfall - nur daran anknüpfe, von welchem Staat der Betroffene als Kriegsgefangener angehalten worden sei, weil es nämlich mit dem Gleichheitssatz vereinbar sei, wenn der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehe und dabei auch eine pauschalierende Regelung treffe. Es werde ein solches Gesetz nicht schon deshalb gleichheitswidrig, weil dabei Härtefälle entstünden. Mit dem Bundesgesetz BGBl I 2002/40 wurde unter anderem § 1 Z 1 KGEG dahin neugefasst, dass nunmehr (ohne weitere Differenzierung) österreichische Staatsbürger, die im Verlauf des Ersten oder Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft gerieten, Anspruch auf eine Kriegsgefangenenentschädigung haben. Durch diese Gesetzesänderung sollte unter anderem auch Kriegsgefangenen der Westalliierten ein Anspruch auf Entschädigung nach dem KGEG eröffnet werden (vgl RV 944 BlgNR 21. GP 3). Die Entschädigung wird zwölfmal jährlich als monatliche Geldleistung in Höhe von - seit 1. 1. 2002 - 14,53 EUR (bei mindestens dreimonatiger Gefangenschaft), 21,80 EUR (bei mindestens zweijähriger Gefangenschaft), 29,07 EUR (bei mindestens vierjähriger Gefangenschaft) bzw 36,34 EUR (bei mindestens sechsjähriger Gefangenschaft) gewährt (§ 4 Abs 1 KGEG), und zwar ab Beginn des Monats, in dem der Antrag gestellt wurde, (längstens) bis zum Ableben des Anspruchsberechtigten (§ 5 KGEG). Gemäß § 21a KGEG idF BGBl I 2002/40 ist die Leistung nach diesem Bundesgesetz, wenn die durch das BGBl I 2002/40 begünstigten Personen bis zum 31. 12. 2002 einen Antrag auf Zuerkennung der Leistung stellen, bei Vorliegen der Voraussetzungen, frühestens ab 1. 1. 2002 zu erbringen. Dies gilt auch für Anträge, die vor dem 1. 1. 2002 eingebracht wurden, unabhängig davon, ob über sie bereits rechtskräftig entschieden wurde oder nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung hat das Rechtsmittelgericht auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis anzuwenden sind (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 11 zu § 482 mwN uva; RIS-Justiz RS0031419). Insbesondere sind Änderungen des zwingenden Rechts, sofern nicht Übergangsrecht etwas anderes bestimmt, vom Rechtsmittelgericht ohne weiteres von Amts wegen seiner Entscheidung zugrundezulegen, auch wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht wurde (SZ 71/89; SZ 69/239 ua; RIS-Justiz RS0106868).
Der Kläger zählt nicht zu den durch die Stammfassung des § 1 Z 1 KGEG begünstigten Personen, weil er im Verlauf des Zweiten Weltkrieges nicht in die Kriegsgefangenschaft eines mittelost- oder osteuropäischen Staates, sondern in Belgien in britische Kriegsgefangenschaft geriet. Er gehört aber zu dem nach § 1 Z 1 KGEG idF BGBl I 2002/40 anspruchsberechtigten Personenkreis, weil nunmehr mit Wirkung ab 1. 1. 2002 im Verlauf des Zweiten Weltkriegs als Kriegsgefangene Angehaltene - ohne jede Differenzierung - eine Entschädigung erhalten. Die Höhe der dem Kläger nach dem KGEG - im Hinblick auf den Tag der Antragstellung - ab 1. 1. 2002 zu gewährenden monatlichen Geldleistung beträgt 14,53 EUR, weil seine Kriegsgefangenschaft länger als drei Monate, aber weniger als zwei Jahre andauerte (§ 4 Abs 1 KGEG). Zufolge der oben genannten Übergangsregelung des § 21a KGEG ist die neue Rechtslage bereits im vorliegenden Verfahren anzuwenden. Es war daher in teilweiser Stattgebung der Revision spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Da der Kläger mit einem Teil seines Begehrens als obsiegend anzusehen ist, hat er Anspruch auf Ersatz seiner im Revisionsverfahren verzeichneten Kosten.
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