Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Herbert Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz S*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues, 8010 Graz, Lessingstraße 20, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Kriegsgefangenenentschädigung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. August 2001, GZ 7 Rs 167/01k-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. Juni 2001, GZ 32 Cgs 196/01i-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Entscheidungsgründe:
Der am 19. 2. 1926 geborene Kläger, der österreichischer Staatsbürger ist und seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Österreich hat, befand sich vom 9. 5. 1945 bis 12. 2. 1946 in englischer Kriegsgefangenschaft.
Mit Bescheid vom 27. 4. 2001 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 16. 1. 2001 auf Gewährung der Kriegsgefangenenentschädigung mit der Begründung ab, der Kläger habe sich in englischer Kriegsgefangenschaft und nicht in der Gefangenschaft eines mittelost- oder osteuropäischen Staates befunden, weshalb er nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (idF BGBl I 2000/142) keinen Anspruch auf Leistung habe. Das Erstgericht wies das vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene und auf die Gewährung der beantragten Leistung ab 1. 1. 2001 gerichtete Klagebegehren unter Hinweis auf die geltende Rechtslage ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und teilte nicht die vom Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt. In der Revision macht der Kläger im Wesentlichen eine Gleichheitswidrigkeit der Differenzierung in § 1 Z 1 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz idF BGBl I 2000/142 geltend.
Der Oberste Gerichtshof hat in der gegenständlichen Rechtssache mit Beschluss vom 29. 1. 2002, 10 ObS 396/01k, beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B-VG den Antrag gestellt, im Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 2000/142, Art 70 (Bundesgesetz, mit dem eine Entschädigung für Kriegsgefangene eingeführt wird [Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz]), in § 1 Z 1 die nachstehende Wortfolge als verfassungswidrig aufzuheben: "mittelost- oder osteuropäischer Staaten (wie Albaniens, Bulgariens, Polens, der ehemaligen Sowjetunion, Rumäniens, der ehemaligen Tschechoslowakei, des ehemaligen Jugoslawiens)". Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wurde gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 15. 3. 2002, G 87/02-3, diesen Antrag mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen, dass die in diesem Gesetzesprüfungsantrag vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken mit jenen übereinstimmen, über die der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 8. 3. 2002, G 308, 312/01, über Anträge des Oberlandesgerichtes Innsbruck entschieden hat.
Mit dem erwähnten Erkenntnis vom 8. 3. 2002, G 308/01-7, G 312/01-8, hat der Verfassungsgerichtshof die auf Aufhebung des § 1 Z 1 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (KGEG) gerichteten Gesetzesprüfungsanträge des Oberlandesgerichtes Innsbruck abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, dem Gesetzgeber komme in der Frage, in welchem Umfang er die unterschiedlichen Erscheinungsformen kriegs- und verfolgungsbedingter Haft und Anhaltung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg als entschädigungswürdig erachte, ein weiter - letztlich auch wohl von politischen Bewertungen geprägter - Beurteilungsspielraum zu. In welchem Ausmaß die der zur Prüfung gestellten Entschädigungsregelung allenfalls zugrundeliegende politische Bewertung geteilt werde, sei jedenfalls keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm. Es könne dem Gesetzgeber daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er vorweg - mit Blick auf die Entschädigung für die Sklaven- und Zwangsarbeit des nationalsozialistischen Regimes (vgl hiezu AB 255 BlgNR 21. GP, Allgemeiner Teil, zum Versöhnungsfonds-Gesetz) - nur jenen Kriegsgefangenen eine Entschädigung zukommen lassen wollte, die typischerweise unter vergleichbaren menschenunwürdigen Bedingungen angehalten worden seien. Es lasse sich auch nicht sagen, dass der Gesetzgeber die historischen Gegebenheiten grob verkannt hätte, wenn er davon ausgegangen sei, dass eine derartige Vergleichbarkeit in erster Linie bei den ehemaligen Kriegsgefangenen der ost- und mittelosteuropäischen Staaten bestehe. Für welchen Zeitraum es dem Gesetzgeber unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten gestattet wäre, eine Begünstigung der hier zu beurteilenden Art für bloß eine Gruppe der ehemaligen Kriegsgefangenen zu gewähren, müsse aus Anlass dieses Verfahrens nicht abschließend geklärt werden, weil mittlerweile die Entschädigungszahlungen mit Wirkung vom 1. 1. 2002 auf alle Kriegsgefangenen ausgeweitet worden seien und der Gesetzgeber durch diese Art der stufenweisen Einführung seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum keinesfalls überschritten habe. Es begegne daher auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber eine Regelung getroffen habe, die - ohne Bedachtnahme auf die besonderen Bedingungen der Anhaltung in jedem Einzelfall - nur daran anknüpfe, von welchem Staat der Betroffene als Kriegsgefangener angehalten worden sei, weil es nämlich mit dem Gleichheitssatz vereinbar sei, wenn der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehe und dabei auch eine pauschalierende Regelung treffe. Es werde ein solches Gesetz nicht schon deshalb gleichheitswidrig, weil dabei Härtefälle entstünden. Nach Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes war das unterbrochene Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen. Auf Grund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs erweist sich die Revision des Klägers aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Berufungsurteiles insoweit als unberechtigt, als die Gewährung einer Kriegsgefangenenentschädigung für den Zeitraum vom 1. 1. 2001 bis 31. 12. 2001 begehrt wird. Hingegen kommt der Revision im Sinne des Zuspruches einer Entschädigung für Kriegsgefangene für den Zeitraum ab 1. 1. 2002 Berechtigung zu.
Mit dem Bundesgesetz BGBl I 2002/40 wurde nämlich unter anderem § 1 Z 1 KGEG dahin geändert, dass nunmehr (ohne weitere Differenzierung) österreichische Staatsbürger, die im Verlauf des Ersten oder Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft gerieten, Anspruch auf eine Kriegsgefangenenentschädigung haben. Durch diese Gesetzesänderung sollte unter anderem auch Kriegsgefangenen der Westalliierten ein Anspruch auf Entschädigung nach dem KGEG eröffnet werden (vgl RV 944 BlgNR 21. GP 3). Die Entschädigung wird 12 x jährlich als monatliche Geldleistung in Höhe von - seit 1. 1. 2002 - 14,53 EUR (bei mindestens dreimonatiger Gefangenschaft), 21,80 EUR (bei mindestens zweijähriger Gefangenschaft), 29,07 EUR (bei mindestens vierjähriger Gefangenschaft) bzw 36,34 EUR (bei mindestens sechsjähriger Gefangenschaft) gewährt (§ 4 Abs 1 KGEG), und zwar ab Beginn des Monates, in dem der Antrag gestellt wurde, (längstens) bis zum Ableben des Anspruchsberechtigten (§ 5 KGEG). Gemäß § 21a KGEG idF BGBl I 2002/40 ist die Leistung nach diesem Bundesgesetz, wenn die durch das BGBl I 2002/40 begünstigten Personen bis zum 31. 12. 2002 einen Antrag auf Zuerkennung der Leistung stellen, bei Vorliegen der Voraussetzungen, frühestens ab 1. 1. 2002, zu erbringen. Dies gilt auch für Anträge, die vor dem 1. 1. 2002 eingebracht wurden, unabhängig davon, ob über sie bereits rechtskräftig entschieden wurde oder nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung hat das Rechtsmittelgericht auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis anzuwenden sind (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 11 zu § 482 mwN uva; RIS-Justiz RS0031419). Insbesondere sind Änderungen des zwingenden Rechtes, sofern nicht Übergangsrecht etwas anderes bestimmt, vom Rechtsmittelgericht ohne weiteres von Amts wegen seiner Entscheidung zugrundezulegen, auch wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht wurde (SZ 71/89; SZ 69/238 ua; RIS-Justiz RS0106868).
Der Kläger zählt zwar nicht zu den durch die Stammfassung des § 1 Z 1 KGEG begünstigten Personen, weil er im Verlauf des Zweiten Weltkrieges nicht in Kriegsgefangenschaft eines mittelost- oder osteuropäischen Staates, sondern in englische Kriegsgefangenschaft geriet. Er gehört aber zu dem durch § 1 Z 1 KGEG idF BGBl I 2002/40 anspruchsberechtigten Personenkreis, weil nunmehr mit Wirkung ab 1. 1. 2002 im Verlauf des Zweiten Weltkrieges als Kriegsgefangene Angehaltene - ohne jede Differenzierung - eine Entschädigung erhalten. Die Höhe der den Kläger nach dem KGEG - im Hinblick auf den Tag der Antragstellung - ab 1. 1. 2002 zu gewährende monatliche Geldleistung beträgt 14,53 EUR, weil seine Kriegsgefangenschaft länger als drei Monate, aber weniger als zwei Jahre andauerte (§ 4 Abs 1 KGEG). Zufolge der oben genannten Übergangsregelung des § 21a KGEG ist die neue Rechtslage bereits im vorliegenden Verfahren anzuwenden. Es war daher in teilweiser Stattgebung der Revision spruchgemäß zu entscheiden.
Eine Kostenentscheidung hatte zu unterbleiben, weil Kosten nicht verzeichnet wurden.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden