Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz N*****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei K***** GmbH, ***** vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung, Schadenersatz und Rechnungslegung (Streitwert 500.000 S), infolge außerordentlicher Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. September 2001, GZ 1 R 95/01y-42, den Beschluss
gefasst:
Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.754,31 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 292,38 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat den Zulässigkeitsausspruch damit begründet, dass Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle und dass zur Frage, wann ein Muster im Sinne des § 2 MuSchG als neu gilt, nicht auf eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zurückgegriffen werden könne. In diesem Sinn macht der Kläger geltend, dass sich der Oberste Gerichtshof bisher "noch nicht ausdrücklich und eindeutig geäußert hat, ob er der 'objektiven' Neuheit oder aber der 'relativen' Neuheit den Vorzug gibt bzw inwieweit die 'absolute' bzw 'relative' Neuheit der 'modifizierten relativen' Neuheit gem Art 6 der Richtlinie zum Schutz von Muster und Modellen bzw dem primären Gemeinschaftsrecht entgegensteht". Zur zuletzt aufgeworfenen Frage und zur Frage, ob eine noch nicht umgesetzte Richtlinie auch für die Beurteilung eines Sachverhalts heranzuziehen ist, der, bevor die Richtlinie beschlossen wurde, entstanden ist, rege der Kläger die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens an.
Dem Berufungsgericht und dem Kläger ist insoweit zuzustimmen, als der Oberste Gerichtshof die Frage, ob ein absoluter Neuheitsbegriff oder - im Sinne der deutschen Lehre und Rechtsprechung (s von Gamm, Geschmacksmustergesetz² 55ff mwN) - ein relativ objektiver Neuheitsbegriff maßgebend ist, in der Entscheidung 4 Ob 54/94 (= SZ 67/122 - Andante) nicht abschließend entschieden hat. Die Frage konnte offen bleiben, weil die in jenem Verfahren zu beurteilenden Muster auch bei Anwendung eines relativ objektiven Neuheitsbegriffs nicht als neu zu beurteilen waren.
Auch im vorliegenden Fall ist die Frage, welcher Neuheitsbegriff bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Musters zugrundezulegen ist, nicht entscheidungserheblich: Nach dem festgestellten Sachverhalt waren den für den Kläger geschützten Mustern verwechselbar ähnliche Leisten "Anfang des Jahres 1995 nicht nur in einschlägigen Fachkreisen bekannt; der Kläger kannte sie auch". Damit steht fest, dass die vom Kläger entworfenen und als Muster geschützten Leisten auch nicht relativ objektiv, ja nicht einmal subjektiv neu waren, womit ihnen unabhängig davon, ob ein absolut objektiver oder ein relativ objektiver Neuheitsbegriff maßgebend ist (zur Abgrenzung der Begriffe s Loibl/Pruckner, Musterschutzgesetz § 2 Rz 2), und auch unabhängig davon, ob diese Begriffe mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, die für ihre Schutzfähigkeit im Sinne des § 2 MuSchG notwendige Neuheit fehlt. Für die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens besteht daher kein Anlass. Der Kläger macht weiters geltend, dass die Vorinstanzen weder festgestellt hätten, welchen ästhetischen Gesamteindruck die gegenständlichen Muster vermitteln, noch auf den Durchschnittsbetrachter abgestellt noch die "Neuheit" des Musters im Wege des Einzelvergleichs ermittelt hätten. Dies zeige sind insbesondere darin, dass die Muster nicht einmal maßstabgetreu wiedergegeben und beurteilt worden seien, sondern auf "Erfahrungssätze des täglichen Lebens" abgestellt worden sei. Richtig ist, dass das Erstgericht - wie von ihm ohnehin offengelegt - die Abbildungen der verschiedenen Leisten nicht maßstabgetreu in seine Entscheidung aufgenommen hat. Dadurch wird aber ein Vergleich der Muster mit den ihnen gegenübergestellten und - jedenfalls teilweise - auch in natura vorgelegten Leisten von Mitbewerbern nicht gehindert. Ob dieser Vergleich eine verwechselbare Ähnlichkeit der abgebildeten Leisten mit den Mustern ergibt, hat aber keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.
Der Kläger rügt, dass es die Vorinstanzen unterlassen hätten, Feststellungen darüber zu treffen, welchen Einfluss die Gestaltung der Leistenrückseite auf die "Neuheit" habe. Die vom Berufungsgericht nicht beanstandete Rechtsansicht des Erstgerichts, dass es sich bei den Rückseiten der Muster um unsichtbare und damit unbeachtliche Teile handle, sei verfehlt.
Das Berufungsgericht hatte sich mit der damit angesprochenen Frage, ob bei einer Auslegung des Neuheitserfordernisses im Sinne der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 13. 10. 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen auch die - nach dem Einbau der Leisten - nicht sichtbare Gestaltung der Leistenrückseite zu berücksichtigen ist, nicht weiter auseinanderzusetzen, weil nach dem festgestellten Sachverhalt den einschlägigen Fachkreisen (und sogar auch dem Kläger) die Gestaltung der Leisten zur Gänze und damit auch die der Rückseite der verschiedenen Leisten von Mitbewerbern vor dem Prioritätszeitpunkt bekannt war. Die Neuheit der Muster ist daher unabhängig davon zu verneinen, ob die Gestaltung der Leistenrückseite im Sinne von Erwägungsgrund 12 der Richtlinie 98/71/EG als schutzunfähig zu werten und damit bei der Beurteilung der Neuheit nicht zu beachten wäre. Die Revision war als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Klägers hingewiesen; ihre Revisionsbeantwortung war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig.
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