Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Habl und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Emsenhuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erna R***** wegen des Verbrechens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 2, Abs 3 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. Oktober 2000, GZ 5 Vr 1903/99-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen der Angeklagten auch die bisherigen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Erna R***** wurde des Verbrechens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 2, Abs 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil sie - zusammengefasst wiedergegeben - in der Zeit vom 9. Juni bis 4. Juli 1999 (in Seiersberg - US 4 f) "ihre Verpflichtung zur Fürsorge gegenüber der am 24. 7. 1921 geborenen und wegen Krankheit wehrlosen Hermine S***** gröblich vernachlässigte, indem sie, ohne über geeignete Kenntnisse und über eine entsprechende Ausbildung in der Krankenpflege zu verfügen, es unterließ, für ärztliche Hilfe bzw Verständigung der Rettung und Unterbringung in einem Spital zu sorgen, obwohl sie, vor allem ab 16. 6. 1999 bis 4. 7. 1999, wiederholt bei Hermine S***** hohe Körpertemperaturen bis zu 39,3o C feststellte und Hermine S***** am 27. 6. 1999 aus dem Bett fiel und danach massivste Blutunterlaufungen im Bereich des Gesichtes, des Halses und der weichen Schädeldecken, verbunden mit Blutungen in die Schädelhöhle und Hirnprellungsherde, aufwies, sodass dieser Sturz eine an sich schwere Körperverletzung zur Folge hatte, und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, deren Gesundheit beträchtlich schädigte, wobei die Tat den Tod der Geschädigten zur Folge hatte".
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Das Erstgericht stellte fest, dass die Angeklagte mit der Ordinationshilfe des Arztes Dr. B***** für den 18. Juni 1999 einen Hausbesuch vereinbarte, der nicht effektuiert werden konnte, weil der Zeuge Dr. B***** am Nachmittag dieses Tages die Eingangstüre zum Wohnhaus der Angeklagten (und damit zum Aufenthaltsraum des Tatopfers) versperrt vorfand; er hinterließ aus diesem Grund einen Zettel an der Eingangstüre, auf dem er seine private Telefonnummer vermerkte und - im Hinblick auf den frustrierten Krankenbesuch - um Rückruf bat. Die Angeklagte unterließ jedoch einen derartigen Anruf, weil sie sich - ihren eigenen Angaben zufolge - über die Verspätung des Arztes ärgerte.
Der die Mängelrüge (Z 5) einleitende Einwand, wonach "das Ärgernis der E. R***** allgemein verständlich" war, verfehlt sinnfällig jedweden für die rechtliche Beurteilung des Anlassfalles entscheidenden Bezug.
Gleiches gilt für die von der Beschwerdeführerin vermisste Feststellung, "wann genau Dr. B***** zu E. R***** gekommen ist ...", weil E. R***** "immerhin bis zum späten Nachmittag auf den zum frühen Nachmittag angekündigten Arztbesuch zugewartet" habe.
Der weitere, unter dem Gesichtspunkt vermeintlich unzureichender Urteilsbegründung zu den subjektiven Tatbestandserfordernissen erhobene Beschwerdeeinwand, wonach dem Zeugen Dr. B***** als behandelnden Arzt "somit der Gesundheitszustand von H. S***** bekannt war" und nicht einmal er "die Behandlung der H. S***** als dringend empfunden hat, sonst hätte dieser zweifelsohne zumindest E. R***** kontaktiert", beruht auf urteilsfremden Prämissen. Denn die Tatrichter folgten insoweit den Angaben dieses Zeugen (der von den erst während des Aufenthaltes der Hermine S***** im Hause der Angeklagten aufgetretenen Komplikationen keine Kenntnis hatte - 181 ff), wonach der Kreislauf der Hermine S*****, bevor sie in das Haus der Angeklagten gebracht wurde, stabil war und sie keiner medikamentösen Behandlung bedurfte (US 6).
Abgesehen davon, dass das Erstgericht - der Beschwerde zuwider - ohnehin konstatierte, durch welche (ärztlichen) Maßnahmen der Erkrankung und den sturzbedingten Verletzungen der Hermine S***** erfolgreich hätte begegnet werden können (US 10 f), war die Möglichkeit eines allfälligen Ablebens der Hermine S***** selbst bei angemessener ärztlicher Hilfe schon deshalb nicht erörterungsbedürftig, weil ein Kausalzusammenhang zwischen Täterverhalten und eingetretenem Erfolg immer nur nach dem tatsächlichen (hier von einer den Todeseintritt maßgebend fördernden gröblichen Opfervernachlässigung gekennzeichneten), keinesfalls aber nach dem hypothetischen Ablauf der Ereignisse zu beurteilen ist (Steininger Komm3 Vorbem § 1 RN 20).
Soweit die Angeklagte darüber hinaus die festgestellten subjektiven Tatkomponenten als nicht begründet rügt, übergeht sie die gerade darauf Bezug nehmenden erstgerichtlichen Urteilspassagen (US 15 ff).
Nicht anders verhält es sich mit der Beschwerdebehauptung (Z 9 lit a), wonach das Erstgericht nicht ausspreche, "worin es die gröbliche Vernachlässigung, die schwere Pflichtverletzung, erblickt" - dazu US 19 f.
Dem weiteren Beschwerdevorbringen, wonach die Angeklagte wegen der Verspätung des Arztes Dr. B***** berechtigterweise verärgert war und sich in einer verständlichen Erregung befand, "sozusagen in einer Ausnahmesituation, sodass keine Strafbarkeit gegeben ist" (nominell Z 9 lit b), kann eine - im Sinn denklogisch nachvollziehbarer Argumentation - deutliche und bestimmte Bezeichnung (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) der tatsächlichen und gesetzlichen Gegebenheiten, aus denen der dazu geltend gemachte Nichtigkeitsgrund resultieren soll, nicht entnommen werden.
Eine gesetzmäßige Darstellung verfehlt schließlich auch die mit Bezugnahme (bloß) auf einen Sturz der Hermine S***** unsubstantiiert eine Tatbeurteilung nach § 95 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10), die sich über den erstgerichtlichen Ausspruch der gröblichen Vernachlässigung der Verpflichtung der Angeklagten zur Fürsorge für eine wegen Krankheit wehrlose Person hinwegsetzt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285a, 285d StPO).
Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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