Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Emsenhuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas T***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 2 SMG und anderer strafbarer Handlungen, AZ 35 Vr 2496/97, Hv 116/99 des Landesgerichtes Innsbruck, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Geschworenengerichtes veim Landesgericht Innsbruck vom 8. Juni 2000, GZ 35 Vr 2496/97-967, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, jedoch in Abwesenheit des Verteidigers und des Verurteilten, zu Recht erkannt:
Der Beschluss des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 8. Juni 2000, GZ 35 Vr 2496/97-967, auf Widerruf (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB) der mit Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 9. September 1997 im Verfahren AZ 10 U 232/97f gewährten bedingten Strafnachsicht verletzt den im XX. Hauptstück der Strafprozessordnung verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und der ihm zugrundeliegende Antrag des Staatsanwaltes (S 43/Band 58) abgewiesen.
Gründe:
Mit dem (in gekürzter Form ausgefertigten und noch am selben Tag rechtskräftigen) Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 9. September 1997, GZ 10 U 232/97f-33, wurde Andreas T***** des Vergehens nach § 16 Abs 1 (zu ergänzen: vierter, fünfter und sechster Fall) SGG zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt. Nach Ablauf der Probezeit sprach der Bezirksrichter mit dem unjournalisierten, seit 3. November 1999 rechtskräftigen Beschluss vom 29. Oktober 1999, der dem damals zur Aufenthaltsermittlung ausgeschriebenen Verurteilten (ON 47) nach der Aktenlage nicht zugestellt werden konnte, die endgültige Strafnachsicht aus (§ 43 Abs 2 erster Satz StGB, § 497 Abs 1 StPO).
Mit dem seit 21. März 2001 rechtskräftigen Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 8. Juni 2000, GZ 35 Vr 2496/97-967, wurde über T***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, 3 erster Fall, Abs 4 Z 2 SMG (Tatzeit von 1996 bis 24. Oktober 1997) sowie wegen der Vergehen der Bandenbildung nach § 278 Abs 1 StGB (Tatzeit: 1996 und 1997) und der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (Tatzeit: 3. Oktober 1996) eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Zugleich fasste das Geschworenengericht - offenbar auf Grund einer im Urteilszeitpunkt nicht mehr aktuellen Strafregisterauskunft in Unkenntnis der mittlerweile erfolgten endgültigen Strafnachsicht - gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB den Beschluss auf Widerruf der im Verfahren des Bezirksgerichtes Innsbruck gewährten bedingten Strafnachsicht (US 82).
Dieser Widerrufsbeschluss steht - wie der Generalprokuratur in der dagegen gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Ein gemäß § 497 StPO gefasster Beschluss auf endgültige Strafnachsicht enfaltet (schon vor Eintritt der Rechtskraft) Bindungswirkung, der zufolge ein Gericht ohne vorangegangene Aufhebung des Beschlusses nicht berechtigt ist, über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen. Der Beschluss des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 8. Juni 2000 konnte somit weder den Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 29. Oktober 1999 auf endgültige Strafnachsicht beseitigen, noch sonst für den Verurteilten irgendwelche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Die konstitutive Wirkung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 29. Oktober 1999 blieb vielmehr unberührt (vgl Mayerhofer StPO4 § 495 E 22; 11 Os 102/98, 13 Os 62/00, 15 Os 67/00 uam).
Demnach war der Widerrufsbeschluss im Interesse der Rechtsklarheit gemäß § 292 letzter Satz StPO zu beseitigen und der ihm zugrundeliegende Antrag des Staatsanwaltes abzuweisen.
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