Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Helmut Schmid, Rechtsanwalt in Graz, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Dr. Carmine V*****, wider die beklagte Partei C***** AG, ***** vertreten durch Dr. Nikolaus Kodolitsch ua, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 580.714,59 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2000, GZ 4 R 227/00k-11, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13. September 2000, GZ 18 Cg 93/00x-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 580.714,59 samt 4 % Zinsen seit 16. Februar 2000 zu bezahlen und die mit S 111.439,95 (darin S 13.006,66 Umsatzsteuer und S 33.400 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen".
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.592,93 (darin enthalten S 3.598,82 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 14. 2. 2000 (in den Entscheidungen der Vorinstanzen unrichtig: "28. 2. 2000" [s Insolvenzdatei]), 25 S 62/00f-2, wurde über das Vermögen des Dr. Carmine V***** der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.
Der Gemeinschuldner stand mit der beklagten Bank in Geschäftsbeziehung und verfügte bei dieser über das Konto Nr 0882-66499/00.
Mit Schreiben vom 15. 2. 2000 gab der Kläger der Beklagten bekannt, dass über das Vermögen des Kontoinhabers der Konkurs eröffnet und dieser über das Konto nicht mehr verfügungsberechtigt sei. Der Kontostand betrug zu diesem Zeitpunkt S 580.714,59.
Die Beklagte übermittelte dem Kläger daraufhin ein Kontozeichnungsblatt, welches dieser unterfertigt retounierte. Wiederholte Aufforderungen des Klägers, den am Konto erliegenden Betrag auf das Konkursanderkonto zu überweisen, wurden von der Beklagten mit dem Hinweis auf die Erforderlichkeit eines "Rotsiegelbeschlusses" (gemeint: unter Anbringung des besonderen Gerichtssiegels gem § 68 Abs 2 Geo) abgelehnt.
In der gegenständlichen Angelegenheit kam es auch zu Telefonaten zwischen der (Rechtsabteilung der) Beklagten und dem zuständigen Konkursrichter; die Beklagte erhielt vom (Konkurs )Gericht aber keinerlei Verständigung über die Konkurseröffnung und auch keinen Beschluss betreffend eine Verfügungsermächtigung des Klägers über das gegenständliche Konto.
Unter Hinweis auf diesen - unstrittigen - Sachverhalt begehrt der klagende Masseverwalter von der Beklagten S 580.714,59. Obwohl auch das Konkursgericht versucht habe, der Rechtsabteilung der Beklagten auseinanderzusetzen, dass für die gewünschte Überweisung kein "Rotsiegelbeschluss" notwendig sei, stütze sich die Beklagte auf § 78 Abs 4 KO und meine, dass diese "akademische Frage" gelöst werden müsse. Tatsächlich habe die Beklagte die Verfügungsberechtigung des Klägers aber bereits durch Übersendung ihres Kontoverfügungsblattes/Unterschriftprobenblattes anerkannt. Da der Masseverwalter dieses Anbot, seine Verfügungsberechtigung zu akzeptieren, angenommen habe, sei er schon aufgrund vertraglicher Vereinbarung verfügungsberechtigt. Außerdem sei das Erfordernis eines "Rotsiegelbeschlusses" aus § 78 Abs 4 KO gar nicht abzuleiten; befasse sich diese Bestimmung doch mit Sicherungsmaßnahmen im Rahmen eines Konkurses, nämlich der Sperre von Bankguthaben, wie sie insbesondere bei einer Mehrzahl von Kontoinhabern erforderlich sei. Eine derartige Kontosperre müsse hier aber nicht aufgehoben werden, weil sie vom Konkursgericht gar nicht verfügt worden sei, und auch gesetzlich gebotene Sperren nach der Rechtsprechung (SZ 62/115) nicht von selbst als Folge der Konkurseröffnung, sondern erst ab Verständigung des Adressaten (hier: der Beklagten) wirkten.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Nur das Einsichtsrecht des Masseverwalters in Kontounterlagen bedürfe keiner gesonderten Einräumung der Verfügungsberechtigung über das Konto. Kontoverfügungen seien hingegen von der Beibringung eines Beschlusses iSd § 78 Abs 4 KO abhängig, womit dem Masseverwalter die Vertretungsbefugnis über das Konto eingeräumt werde. Mangels Zustellung eines "Rotsiegelbeschlusses" an die Beklagte werde der Klagsanspruch - zumindest derzeit - rechtsgrundlos erhoben. Mit Übersendung des Kontozeichnungsblattes sei nur die "prinzipielle Zeichnungsberechtigung" des Masseverwalters unter Beachtung der zwingenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Kenntnis genommen worden. § 78 Abs 4 KO regle allein die Voraussetzungen, unter denen insbesondere über gemeinschuldnerische Konten verfügt werden könne, ohne auf die Frage einer Kontosperre einzugehen. Außerdem sei iSd Lehre festzuhalten, dass das Gesetz gegenüber Banken ohnehin vorbehaltlos die Verhängung der Sperre gebiete, sodass in weiterer Folge - ausschließlich durch richterlichen Beschluss - eine derartige Sperre durch Erteilung einer Verfügungsberechtigung wieder aufgehoben werden müsse. Die vom Masseverwalter zitierte Entscheidung betreffe nur die Problematik der Postsperre und sei daher hier nicht anwendbar.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zweck der Regelung des "§ 74 Abs 4 KO" (richtig: § 78 Abs 4 KO) und des § 76 Abs 3 NBG sei es, im Ergebnis dafür Sorge zu tragen, dass die auf einem solchen Konto erliegenden Gelder gesichert würden und auch tatsächlich der Masse zukämen. Ausgehend von diesem Regelungszweck dürften die formalen Kriterien des Eintrittes einer Kontosperre - auch als Schutz des Kreditinstitutes - nicht überspannt werden. Die Sperre sei daher auch dann gegeben, wenn das Kreditinstitut nicht vom Gericht, sondern vom Masseverwalter von der Konkurseröffnung verständigt werde. Nach dem zwingenden Wortlaut des § 78 Abs 4 KO seien Verfügungen über das Konto daher nur mit gerichtlicher Zustimmung zu vollziehen. Die bloße Bekanntgabe des Umstandes der Konkurseröffnung und der Masseverwalterbestellung durch den Kläger könne diese gerichtliche Zustimmung keinesfalls ersetzen. Ein Anerkenntnis einer etwaigen Verfügungsberechtigung des Klägers durch die bloße Übermittlung des Kontozeichnungsblattes sei hingegen nicht ersichtlich. Ob die "Zustimmung des Gerichtes" (§ 78 Abs 4 KO) mit oder ohne "Rotsiegelbeschluss" zu erfolgen habe, hänge vom Inhalt dieser "Zustimmung" ab. Wenn sie eine Ausfolgungsanordnung oder eine Erklärung, dass eine Sperre aufgehoben werde, enthalte, sei gemäß § 149 Abs 4 erster Satz Geo ein "Rotsiegelbeschluss" erforderlich. Für die bloße Erklärung, dass der Masseverwalter verfügungsberechtigt sei, wäre ein solcher hingegen nicht notwendig. Da im gegenständlichen Fall jedoch überhaupt kein derartiger Beschluss vorliege, sei die Klage abzuweisen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und vertrat folgende Rechtsauffassung: Auf die Tatsachenrüge zur Behauptung des Klägers, dass der Konkursrichter telefonisch seine Zustimmung zur Ausfolgung des Bankguthabens des Gemeinschuldners an den Masseverwalter erteilt habe, sei nicht weiter einzugehen, weil die Erlassung mündlicher Verfügungen, Anordnungen oder Entscheidungen ohne deren schriftliche Beurkundung weder in der KO noch in der ZPO vorgesehen sei. Im Konkurs über das Vermögen des Inhabers eines Bankkontos sei der Masseverwalter (zwar grundsätzlich) gemäß § 83 Abs 1 KO im fremden Namen verfügungsberechtigt; zur Beurteilung, ob dem Kläger tatsächlich diese Vertretungsbefugnis zukomme, sei aber nicht nur § 83 Abs 1 KO, sondern auch § 78 Abs 4 KO heranzuziehen. Nach dieser Bestimmung seien die Kreditinstitute, bei denen der Gemeinschuldner alleine (oder gemeinsam mit anderen) ein Konto habe, von der Konkurseröffnung mit dem Auftrag zu benachrichtigen, Verfügungen hierüber nur mit Zustimmung des Gerichtes zu vollziehen. Diese - wie sich aus § 78 KO (und § 76 Abs 3 NBG hinsichtlich der bei der Nationalbank liegenden Gelder oder Effekten) ergebe - vom Konkursgericht und nicht vom Masseverwalter vorzunehmende Benachrichtigung samt Anordnung der Kontosperre, die auch für den Masseverwalter gelte (ZIK 1996, 175; Iro in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I, Rz 4/203; Schinnerer/Avancini, Bankverträge I, 165), sei entgegen der Auffassung des Klägers im Gesetz zwingend vorgesehen (Bartsch/Pollak3 I, 371 f; vgl auch SZ 62/115), trete aber nicht von selbst als eine Folge der Konkurseröffnung ein, sondern wirke erst ab der Verständigung der Bank (Bartsch/Pollak aaO, 372; vgl Iro aaO; SZ 62/115).
Dies habe aber nach Auffassung des Berufungsgerichtes nicht zur Folge, dass die Bank verpflichtet sei, bei Unterbleiben der gesetzlich zwingenden Benachrichtung von der Konkurseröffnung sowie der damit zu verbindenden Kontosperre durch das Konkursgericht, Verfügungen des Masseverwalters über das Konto des Gemeinschuldners auch ohne Beschluss des Konkursgerichtes zuzulassen. § 83 Abs 1 KO betreffe nämlich - abgesehen von den Fällen der §§ 116 und 117 KO - solche Beschränkungen, die im Ermessen des Konkursgerichtes lägen (vgl Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, Komm zu den Insolvenzgesetzen, § 83 KO Rz 1 und 10), während § 78 Abs 4 KO eine im Falle der Konkurseröffnung zwingend anzuordnende Kontosperre durch das Konkursgericht normiere. Im Hinblick auf diese, nicht bloß in das Ermessen des Konkursgerichtes gestellte Anordnung einer Kontosperre sei die Bank ab wie immer erlangter Kenntnis von der Konkurseröffnung zur Vermeidung allfälliger Schadenersatzpflichten nicht verpflichtet, Verfügungen des Masseverwalters über das Konto ohne gerichtliche Zustimmung zuzulassen. Da eine solche in der gesetzmäßigen Beschlussform erteilte Zustimmung des Konkursgerichtes über die vom Masseverwalter beabsichtigte Kontoverfügung nicht vorliege, sei das Klagebegehren zu Recht abgewiesen worden.
Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob der Masseverwalter über das Konto des Gemeinschuldners iSd § 83 Abs 1 KO auch ohne vorherige Zustimmung des Konkursgerichtes verfügen kann, wenn das Konkursgericht keine Kontosperre iSd § 78 Abs 4 KO anzuordnen findet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die ordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag die angefochtene Entscheidung im klagsstattgebenden Sinne abzuändern.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, aber auch berechtigt.
Zunächst ist festzuhalten, dass die zur Unterstützung des Standpunktes der Beklagten herangezogene verfahrensrechtliche Bestimmung (§ 78 KO) dem dritten Unterabschnitt des Abschnittes "Konkurseröffnung (§ 66 bis 79 KO) angehört, welcher den Titel "Verfügungen des Gerichts" (§§ 73 bis 79 KO) trägt. Als eine solche sieht der Abs 4 des § 78 KO neben anderen "Sicherungsmaßnahmen und Benachrichtigungen von der Konkurseröffnung" vor, dass "Kreditinstitute, bei denen der Gemeinschuldner ... ein Konto ... hat, von der Konkurseröffnung mit dem Auftrag zu benachrichtigen sind, Verfügungen hierüber nur mit Zustimmung des Gerichtes zu vollziehen".
Zu der in § 78 Abs 2 KO vorgesehenen - vormals in § 77 Abs 2 (alt) KO geregelten - (Post)Sperre hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass sie (zwar) zwingend für jedes Konkursverfahren geboten sei, aber nicht von selbst als Folge der Konkurseröffnung eintrete, sondern erst von der Verständigung an wirke (MGA KO9, E 3 zu § 78 KO; SZ 62/115). Ob diese Beurteilung auch für den in § 78 Abs 4 KO vorgesehenen Auftrag (Kontosperre) zutrifft, kann hier aber nicht geprüft werden, weil das Konkursgericht eine derartige "Verfügung" gar nicht getroffen hat. Demgemäß konnte die Beklagte von einem diesbezüglichen Auftrag durch das Schreiben des Masseverwalters vom 15. 2. 2000 auch nicht verständigt werden.
Der Regelungszweck der zitierten Bestimmung ist nur im Schutz vor die Masse schmälernden und damit die Gläubiger schädigenden Verfügungen des Gemeinschuldners zu erblicken (vgl Bartsch/Pollak aaO). Eine Beschränkung der Verfügungsbefugnisse des Masseverwalters ist dieser Norm nicht zu entnehmen. Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall nur eine gesetzwidrige Unterlassung der Sperre durch das Konkursgericht diesen Prozess provoziert hat, dass aber dieser Umstand nicht die zweifelsfrei gegebene Legitimation des klagenden Masseverwalters in Zweifel ziehen kann. Dies hätte der beklagten Bank spätestens bei Kenntnis der vorliegenden Klagsgenehmigung durch das Konkursgericht klar werden müssen.
Was aber die Vertretungsbefugnis des Masseverwalters im Außenverhältnis betrifft, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt, dass diese in § 83 Abs 1 KO wie folgt geregelt ist:
"Im Verhältnis zu Dritten ist der Masseverwalter, außer in den Fällen der §§ 116 und 117 (KO), kraft seiner Bestellung befugt, alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Erfüllung der Obliegenheiten seines Amtes mit sich bringt, insoweit nicht das Konkursgericht im einzelnen Fall eine Beschränkung der Befugnisse des Masseverwalters verfügt und dem Dritten bekanntgegeben hat" (§ 83 Abs 1 KO; Hervorhebung durch den erkennenden Senat).
Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre (SZ 70/212 mzwN) ist die Vertretungsbefugnis des Masseverwalters nach außen nur in den in § 83 Abs 1 KO genannten - hier nicht vorliegenden - Fällen der §§ 116 und 117 KO, sowie durch den Konkurszweck ("alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Erfüllung der Obliegenheiten seines Amtes mit sich bringt") beschränkt. Weitere Beschränkungen kann das Konkursgericht im Einzelfall verfügen; sie sind dem Dritten gegenüber jedoch nur wirksam, soweit sie ihm bekanntgegeben wurden (SZ 70/212 = RIS-Justiz RS0109122; Riel, Die Befugnisse des Masseverwalters im Zivilverfahrensrecht, 45 f; Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert Rz 10 zu § 83 KO).
Da das Konkursgericht - wie bereits ausgeführt - keine Kontosperre iSd § 78 Abs 4 KO erlassen hat, kann dahingestellt bleiben, inwieweit dadurch die Vertretungsbefugnis des Masseverwalters beschränkt worden wäre; im vorliegenden Fall ist jedenfalls keine gegenüber der Beklagten wirksame Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Masseverwalters über das bei ihr geführte gemeinschuldnerische Konto erfolgt. Dem Standpunkt der beklagten Bank, Kontoverfügungen des Masseverwalters seien von der Beibringung eines Beschlusses abhängig, womit ihm diese Verfügungsbefugnis eingeräumt werde, ist somit die Grundlage entzogen.
Der Revision war daher Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller Instanzen gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden