Der Oberste Gerichtshof hat am 1. März 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hartmann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ismail A***** wegen des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 7. Dezember 2000, GZ 3 Vr 531/99-65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ismail A***** (im zweiten Rechtsgang abermals) des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er es am 8. August 1999 in Wien mit dem Vorsatz, dass vorsätzlich eine von Ismail C***** mit Strafe bedrohte Handlung, nämlich die Wegnahme einer silbernen Halskette im Wert von ca 1.000 S zum Nachteil des Philipp K***** durch die Drohung mit dem Niederschlagen, mithin das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB begangen werde, unterlassen hatte, ihre bereits begonnene Ausführung zu verhindern, indem er es vorsätzlich unterließ, auf den Täter Ismail C***** einzuwirken, in unmittelbarer Tatortnähe anwesende Passanten zum Eingreifen aufzufordern und (gemeint:) die Verständigung der Polizei im nahegelegenen Lokal "SMALL TALK" zu veranlassen, wobei die strafbare Handlung durch Ismail C***** vollendet wurde.
Die dagegen aus Z 5, 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider besteht zwischen der im Urteilsspruch festgestellten Drohung (US 2: "mit dem Niederschlagen") und der korrespondierenden in den Entscheidungsgründen (US 5 und 9: "wenn er keine Probleme haben wolle, so solle er mitkommen") kein eine entscheidende (also entweder für die Unterstellung der Tat und ein bestimmtes Gesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebende) Tatsache berührender Widerspruch. Abgesehen davon, dass der im aktuellen Spruch enthaltene Wortlaut erkennbar nur dem Schuldspruch des zu GZ 3 Vr 519/99-48 des Jugendgerichtshofs Wien rechtskräftig ergangenen Urteils gegen Ismail C***** entnommen wurde (vgl auch US 3 f), stellt die im angefochtenen Urteil abweichend und eigenständig angenommene Äußerung eine gleichrangige "Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben" (§ 89 StGB) dar (vgl US 9 unten).
Ohne Verletzung von Denkgesetzen können auch die vom Beschwerdeführer bezeichneten Urteilsfeststellungen nebeneinander bestehen, nämlich einerseits: "Nachdem die drei Personen einen einsamen unbeleuchteten Ort unter einer Brücke erreicht hatten, forderte Ismail C***** die Herausgabe von Bargeld" (US 6 zweiter Absatz Satz eins), andererseits: "Der Angeklagte hätte die Tat leicht dadurch verhindern können, dass er einen anwesenden Passanten zum Eingreifen aufgefordert hätte" (US 9 oben). Ist doch die vom Rechtsmittelwerber isoliert hervorgehobene Variante, einen anwesenden Passanten zum Eingreifen aufzufordern, nur eine der mehreren (gleichwertigen) inkriminierten Verhinderungsmöglichkeiten, die der Angeklagte von Anfang an (und nicht erst später unter der Brücke) vorsätzlich ungenützt gelassen hat (US 2 und 5).
Entgegen einem weiteren Beschwerdeeinwand konnte das Erkenntnisgericht aus der Tatsache, dass im Zeitpunkt der Handlungspflicht des Angeklagten in der nahegelegenen Diskothek "SMALL TALK" getanzt wurde, C***** außerhalb des Lokals einen namentlich nicht bekannten Freund (einen "Schwarzen") getroffen hat (S 63/II), der Ort der mündlichen Drohung auf der im Sommer - notorisch - von Besuchern frequentierten Strecke zwischen Diskothek und U 1 Station Donauinsel lag (S 71 f/II sowie Polizeibericht S 33/I, der im Urteil des Jugendgerichtshofs Wien, GZ 3 Vr 531/99-48, verwertet wurde und durch Verlesung dieses Urteils auch Eingang in das aktuelle Verfahren gefunden hat) und selbst nach der Verantwortung des Ismail A***** an der unbeleuchteten Stelle (dem Ort der Sachwegnahme) "weniger" Leute gewesen sind (S 64/II), mängelfrei auf die Anwesenheit von "Passanten" (US 5 Mitte) bzw "einen anwesenden Passanten" (US 9) schließen. Dem steht die Antwort des vom Schöffengericht denkmöglich als unglaubwürdig beurteilten Angeklagten (US 7 f) auf die Frage des Verteidigers am Schluss der Vernehmung, im Zeitpunkt seiner Unterhaltung mit dem "Schwarzen" seien sonst keine Leute anwesend gewesen (S 71/II), nicht entgegen, weshalb das Tatgericht nicht verpflichtet war, dieses (nach Meinung der Beschwerde) "gegenteilige Beweisergebnis" in den Entscheidungsgründen näher zu erörtern.
Angesichts der in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) als unglaubwürdig abgelehnten Verantwortung des Beschwerdeführers (US 7 f) bedurfte es auch keiner Erörterung der von ihm in der Hauptverhandlung behaupteten Entfernung von "ca 2 Minuten" zwischen dem Lokal ("SMALL TALK") in der "Sunken City" (siehe hiezu abermals den Polizeibericht S 33/I) und "dem Punkt, wo C***** das erste Mal mit dem 'Schwarzen' gesprochen hat" (S 71/II). Abgesehen davon, dass die Beschwerde fälschlich vom "Tatort" (unter der Brücke) und einem "Fußweg von ca 2 Minuten" ausgeht (woraus ohne nähere Geschwindigkeitsangaben eines Fußgehers auf die Entfernung nicht geschlossen werden kann), die bekämpfte Urteilspassage (US 5 zweiter Absatz Satz vier) aber jenen Ort im Auge hat, an dem der Zeuge K***** vom entgegenkommenden C***** (vgl S 72 oben/II) angesprochen und bedroht wurde, bezieht sich die Rüge einmal mehr bloß auf eine der mehreren, vom Nichtigkeitswerber vorsätzlich unterlassenen Verhinderungsmöglichkeiten, somit abermals auf keinen entscheidenden Umstand.
Die behaupteten formalen Begründungsmängel haften daher dem angefochtenen Urteil nicht an.
Die Rechtsrügen sind nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie sich nicht am gesamten subjektiven und objektiven Urteilssachverhalt (ohne Hinzufügung nicht festgestellter oder Vernachlässigung vom Tatgericht konstatierter Tatsachen) orientieren und nicht auf dessen Basis den Nachweis eines Feststellungsmangels oder Rechtsfehlers erbringen.
Diesen prozessualen Geboten zuwider greift der Beschwerdeführer zunächst mit der Behauptung von Feststellungsmängeln zur objektiven Tatseite (Z 9 lit a) wiederum bloß zwei der (nach den Urteilsfeststellungen unter den gegebenen Umständen physisch-realen) vier Möglichkeiten zur Verhinderung des von C***** verübten Raubes heraus (US 5, 9) und verneint - allerdings ohne Beachtung der Konstatierung, dass er vorsätzlich überhaupt nichts unternommen hat, um die von ihm als bevorstehend erkannte Raubtat zu verhindern - schlichtweg deren Tauglichkeit. Dazu führt er einerseits urteilsfremd eigene Überlegungen ins Treffen, wonach die Ausführung der Tat des C***** "nur kurze Zeit" in Anspruch genommen habe und sohin "aus zeitlichen Gründen" das Herbeiholen von Hilfe nicht geeignet gewesen wäre, die Tatausführung zu verhindern. Andererseits fordert er - losgelöst vom Urteilssachverhalt und eigene Beweiswerterwägungen anstellend - die hypothetische Feststellung, "ob die Benachrichtigung der Polizeibehörde die Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verhindert" bzw "ermöglicht hätte", was - seiner Meinung nach - anhand der "Aktenlage" auszuschließen ist, weil sich das nächste Polizei-Wachzimmer in der Schüttaustraße befindet und somit jedes behördliche Einschreiten zu spät gekommen wäre.
Mit dem Hinweis auf die "schon aus rechtspolitischen Gründen nicht vertretbare Ungleichbehandlung" des Nichtigkeitswerbers im Verhältnis zum Zweit- und Drittangeklagten im seinerzeit im ersten Rechtsgang ergangenen Urteil wird keiner der in § 281 Abs 1 StPO taxativ aufgezählten Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt dargetan.
Die Kritik an der subjektiven Tatseite hinwieder geht an der den Vorsatz unmissverständlich zum Ausdruck bringenden Urteilskonstatierung vorbei, der zufolge für den Angeklagten bereits im Zeitpunkt der von C***** gegen Philipp K***** gerichteten Drohung ("wenn er keine Probleme haben wolle, so solle er mitkommen") erkennbar war (dh hier bei - von der Beschwerde allerdings unterlassener - sachgerechter und gesamtheitlicher Leseart unzweifelhaft: tatsächlich erkannt hat), dass C***** den Vorsatz gefasst hatte, K***** zu berauben, er es aber ungeachtet dieses Umstandes unterließ, eine der dazu geeigneten Verhinderungsmaßnahmen zu treffen (US 5). Dem gegenüber argumentiert das Rechtsmittel nicht urteilskonform nur auf Basis des - vom Erstgericht gar nicht gebrauchten - Konjunktivs (nämlich: der Vorsatz wäre erkennbar gewesen; der Angeklagte hätte ihn erkennen müssen).
In den gleichen prozessualen Fehler verfällt der Rechtsmittelwerber, indem er erneut im Gegensatz zu den auch insoweit eindeutigen Urteilsannahmen (US 5 f, 9) und unsubstantiiert die objektive Bedingung der Strafbarkeit, nämlich das von Ismail C***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben verübte (schon im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgeurteilte) Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und die Fortwirkung der für die Sachwegnahme kausalen Drohung rundweg in Abrede stellt.
Schließlich verfehlt auch die nominell auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützte, den besonderen Strafausschließungsgrund des § 286 Abs 2 Z 1 StGB reklamierende Rüge die gesetzmäßige Ausführung. Nach den - wie dargelegt - mängelfrei begründeten Urteilsfeststellungen wäre es dem Angeklagten ein Leichtes gewesen, diese Tat zu verhindern. Er hätte auch, ohne sich oder einen Angehörigen der Gefahr eines beträchtlichen Nachteils auszusetzen, die Tat leicht dadurch verhindern können, dass er einen Passanten zum Eingreifen aufgefordert hätte (US 9 oben). Im Gegensatz dazu argumentiert der Beschwerdeführer mit eigenen Beweiswerterwägungen, die Verhinderung der Tat sei ihm nicht, jedenfalls aber nicht leicht möglich gewesen. Von dieser urteilskonträren Prämisse ausgehend (verbo: also), zieht er den für ihn günstigen rechtlichen Schluss, es sei ihm die Tatverhinderung nicht zumutbar gewesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen einer dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung des Rechtsmittelwerbers, die sich im Wesentlichen auf das Vorbringen in der Beschwerdeschrift bezieht - gemäß § 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO teils als offenbar unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung das Oberlandesgericht Wien zuständig ist (§ 285i StPO).
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