Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Manuela L*****, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider den Gegner der gefährdeten Partei Bruno L*****, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382b Abs 1 EO infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 23. März 2000, GZ 2 R 128/00p 8, folgenden
Beschluss
gefasst:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der gefährdeten Partei wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Im Haus des Mannes und Gegners der gefährdeten Frau (und Antragstellerin) in einer kleinen ländlichen Gemeinde befindet sich im Erdgeschoß die Ehewohnung der Streitteile; im 1. Stock sind Ferienwohnungen untergebracht, und in den Dachbodenzimmern schlafen die drei Kinder der Streitteile.
Das Erstgericht hat mit der - vom Mann nicht angefochtenen - einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 1 EO nach dessen Wegweisung sowie Rückkehrverbot durch die Gendarmerie nach § 38a SPG antragsgemäß für drei Monate aufgetragen, das gemeinsame Haus zu verlassen und ihm verboten, das Haus samt dem Grundstück Nr 38 zu betreten, jedoch mit der Einschränkung "in Durchbrechung dieses Rückkehrverbots ist ... (Mann) jedoch berechtigt, das Haus mit Ausnahme der Ehewohnung für notwendige Kontrollen an technischen Anlagen zu betreten. Das Betreten darf jedoch ausnahmslos nur dann erfolgen, wenn sich ... (gefährdete Frau) nicht im Haus aufhält." Die Frau habe selbst angegeben, außerhalb der Ehewohnung noch nie vom Mann tätlich angegriffen worden zu sein und die Wegweisung aus dem gesamten Haus nur deshalb beantragt zu haben, weil ihr Mann außerhalb der Ehewohnung fallweise hämische Bemerkungen gemacht habe.
Die zweite Instanz bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Der Antragsgegner habe als Hauseigentümer das berechtigte Interesse, technische Anlagen in seinem Haus fallweise zu kontrollieren.
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist nicht zulässig.
a) Dass die infolge Zeitablaufs inhaltlich überholte, aber noch nicht aufgehobene einstweilige Verfügung vom 14. Februar 2000 vom Antragsgegner im Verfahren nach § 382b EO angefochten werden kann, ihm somit ein Interesse an einer meritorischen Entscheidung zusteht, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits ausgesprochen (6 Ob 77/99p = EvBl 1999/198 = RZ 2000/5). Dieses Rechtsschutzinteresse muss auch einer Antragstellerin, deren Antrag nur mit Einschränkungen stattgegeben wurde, nach dem Zeitablauf der noch nicht aufgehobenen einstweiligen Verfügung zugebilligt werden.
b) Das Rechtsmittel wendet sich gegen die Einschränkung der Verfügung, weil die einstweilige Verfügung nach § 382b Abs 1 EO erlassen worden sei, danach aber keine Abwägung mit den Interessen des Antragsgegners vorzunehmen sei.
Auf das vorliegende Sicherungsverfahren sind die Bestimmungen der EO idF des Art II Z 5 des am 1. Mai 1997 in Kraft getretenen Bundesgesetzes zum Schutz vor Gewalt in der Familie BGBl 1996/759 (GeSchG) anzuwenden. Die inhaltlichen Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung regelt § 382b EO. Durch das GeSchG sind die neuen Maßnahmen bei Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens nach § 382b Abs 1 EO die einstweilige Verfügung mit dem Auftrag an den Antragsgegner, die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verlassen (Z 1; "Wegweisung") sowie mit dem Verbot, in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zurückzukehren, wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient (Z 2; "Rückkehrverbot"). Weiters wurde nach Abs 2 der räumliche Schutzbereich des bedrohten Familienmitglieds auf Örtlichkeiten im sozialen Naheraum (zB Arbeitsweg, Arbeitsplatz, Haltestellen der regelmäßig benützten Verkehrsmittel, häufig aufgesuchte Geschäfte, Betreuungseinrichtungen für Kinder) erweitert. Sicherungsmittel der einstweiligen Verfügungen nach Abs 2 sind das Verbot des Aufenthalts an bestimmten Orten (Z 1) und das Verbot des Zusammentreffens und jeder Kontaktaufnahme (Z 2), soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen. Die Regelungen in den beiden Absätzen unterscheiden sich dadurch, dass das Verfahren und der Vollzug, die durch die §§ 382c, 382d EO geregelt werden, nur auf einstweilige Verfügungen nach
Wieweit bei einstweiligen Verfügungen eine Einschränkung der einstweiligen Verfügung in Ansehung der "unmittelbaren Umgebung der Wohnung" noch als gerechtfertigt angesehen werden kann, richtet sich aber jeweils nach den Umständen des Einzelfalls und entzieht sich so einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 (§ 528 Abs 1) ZPO. Eine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz liegt aber hier auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass notwendige Kontrollen an technischen Anlagen in einem Haus mit mehreren Wohnungen (die Ausnahmeregelung der Vorinstanzen bezog sich ausdrücklich nicht auf die Ehewohnung) auch durch Dritte (Verwandte, Bekannte, Professionisten) erfolgen könnte, jedenfalls nicht vor.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§§ 78, 402 EO iVm § 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Rückverweise
Keine Verweise gefunden