Der Oberste Gerichtshof hat am 6.August 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Holzweber und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Urban als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr.Helmut B***** wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 1.April 1998, GZ 12 Vr 2278/97-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Landesbeamte Dr.Helmut B***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe zwischen 1977 und 1996 (in Klagenfurt) in achtzehn Angriffen unter Ausnützung einer ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Beamte des Amtes der Kärntner Landesregierung durch Verschweigung der auch gegenüber dem Österreichischen Bergrettungsdienst für die Teilnahme an Tagungen der Internationalen Kommission für das alpine Rettungswesen (IKAR) geltend gemachten und von dort in voller Höhe erstatteten Reisegebühren und durch Legung gesonderter Reiserechnungen an die Buchhaltung des Amtes der Kärntner Landesregierung zur Auszahlung von Reisegebühren in der Höhe von mindestens 56.007 S verleitet, wodurch das Amt der Kärntner Landesregierung (genauer: das Bundesland Kärnten) zumindest um diesen Betrag an seinem Vermögen geschädigt worden sei, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Nach den wesentlichen erstgerichtlichen Urteils- feststellungen ist der Angeklagte seit 1969 als Bediensteter des Amtes der Kärntner Landesregierung mit dem Aufgabengebiet Lawinenwarndienst betraut und fungiert seit 1.Jänner 1984 als Fachbereichsleiter. Daneben übte er die Funktion des Lawinenreferenten im Bundesverband des Österreichischen Bergrettungsdienstes (kurz: ÖBRD) aus. Zwischen 1976 und 1996 verrechnete er in seiner Eigenschaft als Abgesandter einerseits des ÖBRD, andererseits seines Dienstgebers zu den jährlich stattfindenden Tagungen der IKAR den hiefür anfallenden Reise-, Unterkunfts- und Verpflegungskostenaufwand sowohl dem Bundesverband des ÖBRD gemäß den dort geltenden Richtlinien als auch dem Amt der Kärntner Landesregierung (diesem allein für die Jahre 1990 bis 1996 im Betrag von 65.254,60 S) nach den jeweils gültigen Reisegebührenvorschriften. Bei Legung der Reiserechnungen verschwieg er seinem Dienstgeber bewußt, daß er die aufgelaufenen Kosten vom Bundesverband des ÖBRD entweder bereits erhalten hatte oder noch bekommen wird. In allen Fällen kassierte er die an ihn ausgezahlten Beträge. "Zumindest" in den Fällen der Reiserechnungen betreffend die Jahrestagungen 1990 in Naturns im Betrag von 5.486 S und 1993 in Krajnska Gora im Betrag von 3.793,30 S strebte er sowohl eine Täuschung der Verantwortlichen des Landes Kärnten über den Fortbestand seiner Reisegebührenansprüche als auch die durch die Auszahlung der angesprochenen Summen bewirkte Schädigung des Landes Kärnten und seine ungerechtfertigte Bereicherung an.
Nach den weiteren Urteilskonstatierungen hatte der Angeklagte anläßlich der IKAR-Tagungen jeweils von ihm aufwendig und arbeitsintensiv erstellte Lawinenstatistiken präsentiert, deren Unkostenaufwand ihm über seinen Antrag vom Bundesverband des ÖBRD ersetzt worden wäre, jedoch hatte er diesen Ersatz nie begehrt (US 4 ff).
Im Rahmen der Beweiswürdigung verwarf das Schöffengericht die als unglaubwürdig beurteilte Verant- wortung des Angeklagten, wonach er einerseits mit dem damaligen (mittlerweile aber verstorbenen) Präsidenten des Bundesverbandes des ÖBRD, Oskar V*****, eine Absprache dahingehend getroffen habe, daß er zur Abgeltung seiner persönlichen Mühewaltung und der ihm entstandenen Kosten bei Erstellung der Lawinenstatistiken dem ÖBRD "Reiserechnung" hätte legen dürfen, andererseits dem Präsidium des Bundesvorstandes des ÖBRD bekannt gewesen sei, daß er auch seinem Dienstgeber die Reisekosten verrechnet habe. Mit Nachdruck hob das Erstgericht ferner hervor, Dr.B***** habe dem Amt der Kärntner Landesregierung bewußt die Tatsache verschwiegen, daß er diese Reisen mit dem Bundesverband des ÖBRD bereits abgerechnet habe oder noch abrechnen werde, um auf diese Weise die Auszahlung der Reisegebühren auch durch das Land Kärnten zu erlangen. Des weiteren habe er "darüber hinaus - zumindest in jenen Fällen", in denen er die Reisegebühren bereits vom Präsidium des ÖBRD erhalten hatte, eine Täuschung ebenso wie eine Schädigung und unrechtmäßige Bereicherung angestrebt.
Demgegenüber stellten die Erkenntnisrichter auch fest, angesichts der aufwendig erarbeiteten Lawinen- unfallstatistik, der Möglichkeit ihrer finanziellen Abgeltung und der Tatsache, daß sich der Bundesverband des ÖBRD nicht geschädigt fühle, könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte die Doppelverrechnung im Bewußtsein eines tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsanspruchs vorgenommen habe. Ausgehend davon, daß der Angeklagte nur in den Jahren 1990 und 1993 dem Land Kärnten gegenüber Reisegebühren beansprucht habe, die er bereits mit dem ÖBRD abgerechnet hatte, verneinten sie zudem einen zuverlässigen Schluß auf eine beim Angeklagten vorgelegene Absicht auf gewerbsmäßige Tatbegehung (US 9 ff).
Rechtlich meinte das Erstgericht, dem Ange- klagten sei durch die erteilten Dienstaufträge ein unver- zichtbarer Anspruch auf Reisegebühren gegenüber dem Land Kärnten erwachsen, welcher erst durch die tatsächliche Abgeltung seiner Reisekosten durch den Bundesverband des ÖBRD verwirkt worden sei und erst ab diesem Zeitpunkt nicht mehr hätte angesprochen werden dürfen. Im Geltendmachen solcher Art erloschener Ansprüche könne eine Täuschung über Tatsachen im Sinne eines unwahren Parteivorbringens erblickt werden. Daher sei nur die Legung der Reiserechnungen am 4.Dezember 1990 (betreffend die Dienst- reise nach Naturns) und am 13.Oktober 1993 (betreffend die Dienstreise nach Kranjska Gora) tatbildlich, doch sei hinsichtlich dieser Taten gemäß § 57 Abs 2 und 3 StGB bereits Verfolgungsverjährung eingetreten. Jene Fälle aber, in denen Dr.B***** die Reisekosten zunächst seinem Dienstgeber und erst dann (oder noch am selben Tag) dem ÖBRD in Rechnung gestellt habe, erachtete es als nicht strafbar (US 14 ff).
Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwalt- schaft erfolgreich mit einer auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
In den als Mängelrüge (Z 5) bezeichneten Ausführungen (der Sache nach jedoch Z 9 lit a) macht die Anklagebehörde mit Recht geltend, daß es im Hinblick auf den ersichtlich angenommenen einheitlichen Tatvorsatz (US 7 zweiter Absatz und 11 zweiter Absatz letzter Satz) auf die zeitliche Reihenfolge der teils am selben Tag, teils einige Tage später sowohl dem Land Kärnten als auch dem ÖBRD vorgelegten Reiserechnungen nicht ankommen könne.
Nach der Vorschrift des § 185 Abs 1 lit a des Kärntner Dienstrechtsgesetzes 1994, LGBl 1971, welche die für Bundesbeamte geltende Bestimmung des § 1 Abs 1 lit a der Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV) übernahm, haben nämlich Beamte nach Maßgabe des IV.Teiles des Kärntner Dienstrechtsgesetzes 1994 Anspruch auf den Ersatz des Mehraufwandes, der ihnen durch eine Dienstreise erwächst. Aus dem Wesen der Reisegebühren als Ersatz des Mehraufwandes ergibt sich aber, daß ein Beamter, der von dritter Seite Reisegebühren (Ersatz von Reisekosten) erhalten hat, nicht auch noch gegenüber seinem Dienstgeber Ansprüche auf Reisegebühren geltend machen kann (Galee/Traumüller, Reisegebührenvorschrift, Anm 17; Germ/Zach, Die Reisegebührenvorschrift, Anm 10 je zu § 1). Dies erhellt auch aus der - dem § 1 Abs 3 RGV entsprechenden - Regelung des § 185 Abs 3 des Kärntner Dienstrechtsgesetzes 1994, derzufolge ein Beamter auch dann Anspruch auf Ersatz des Mehraufwandes hat, wenn dieser nicht vom Land getragen wird; in diesen Fällen darf der Beamte nur die nach dem IV.Teil dieses Gesetzes entfallenden Gebühren verrechnen.
Demnach hat ein Beamter selbst nur dann Anspruch auf Reisegebühren in dem vom Kärntner Dienstrechtsgesetz bzw von der Reisegebührenvorschrift vorgesehenen Ausmaß, wenn ein Dritter (etwa auch in einem höheren Ausmaß) den Mehraufwand des Beamten trägt. Dies hat aber zur Folge, daß dem Beamten eine unmittelbare Verrechnung von Reisegebühren mit einer anderen Stelle als seiner Dienststelle untersagt ist, sofern ihm der Dienstgeber solches nicht gestattet (vgl Thienel-Menhart, Reisegebüh- renrecht, Anm zu § 1 Abs 3 RGV).
Nach den wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes hat der Angeklagte die für die Auszahlung der Reisegebühren zuständigen Verfügungsberechtigten des Amtes der Kärntner Landesregierung durch die Verschweigung der tatsächlich erfolgten oder jedenfalls zu erwartenden Kostentragung durch den ÖBRD bei Legung seiner Reiserechnungen vorsätzlich in Irrtum geführt. Dabei war es unerheblich, ob er dem ÖBRD bereits vorher den Ersatz seiner Reisekosten in Rechnung gestellt und ihn von diesem erhalten hatte, oder ob er erst nach Legung der Reiserechnungen an seinen Dienstgeber an diese Organisation herangetreten war, weil eben die den Schaden herbeiführende kausale Irreführung bereits im Verschweigen der - vom ÖBRD prinzipiell beschlossenen und in jedem Fall zu erwartenden - Kostentragung durch den ÖBRD gelegen war. Hätte nämlich der Angeklagte diesen Umstand gegenüber seinem Dienstgeber pflichtgemäß offengelegt, so wären ihm die Gebühren - unabhängig davon, ob das Amt der Kärntner Landesregierung die Auszahlung nach bereits erfolgtem Ersatz durch den ÖBRD verweigert oder selbst bei dieser Organisation um den Ersatz eingekommen wäre - unter keinen Umständen doppelt ausgezahlt worden.
So gesehen hat der Angeklagte daher nicht nur den äußeren Tatbestand des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB, sondern nach den tragfähigen Urteilskon- statierungen über die Höhe der vom Land Kärnten zu Unrecht bezogenen Reisegebühren auch die Qualifikation nach § 147 Abs 2 StGB in objektiver Hinsicht erfüllt.
Dennoch kann eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst nicht ergehen, weil es an mängelfreien - nach den Verfahrensergebnissen durchaus indizierten - Feststellungen zur inneren Tatseite fehlt, die im Nichtigkeitsverfahren wegen der strikten Bindung an die festgestellten Sachverhaltsgrundlagen nicht nachgeholt werden können.
Zutreffend zeigt die Staatsanwaltschaft in ihrer Mängelrüge (Z 5) auch auf, daß die Urteilskonstatierungen, wonach der Angeklagte einerseits mit Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz gegenüber Beamten des Landes Kärnten handelte (US 7 und 12), andererseits aber nicht ausgeschlossen werden könne, daß der Angeklagte die Doppelverrechnung im Bewußtsein eines tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsanspruches gegenüber dem ÖBRD für persönlichen und sachlichen Mehraufwand bei Erstellung der Lawinenstatistik vornahm (US 12), mit sich selbst in unlösbarem Widerspruch stehen (wobei diese als Feststellung zu wertenden Schlußfolgerung auch an einer Unvoll- ständigkeit leiden, weil die dagegen sprechenden Verfahrens- ergebnisse, wie sie auf Urteilsseite 10 zur Widerlegung der diesbezüglichen Verantwortung des Angeklagten verwendet wurden, an dieser Stelle unerörtert und ungewürdigt geblieben sind).
Im übrigen hat das Erstgericht - wie bereits erwähnt - infolge rechtsirrtümlicher Verneinung eines tatbildlichen Handelns über die Reisen nach Naturns und Kranjska Gora hinaus (US 15) nur undeutliche Feststellungen zur inneren Tatseite des Angeklagten bezüglich der weiteren sechzehn Dienstreisen getroffen (vgl den Ausdruck "zumindest" auf US 7 und 11). Mängelfreie Konstatierungen würden aber auch eine andere Beurteilung der Frage des in der Anklage inkriminierten gewerbsmäßigen Handelns (US 12) ermöglichen.
Aus den dargelegten Gründen war sonach - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der General- prokuratur, jedoch entgegen der vom Angeklagten erstatteten Gegenäußerung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsan- waltschaft - der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285 e StPO).
Im zweiten Rechtsgang wird das Schöffengericht daher - insbesonders unter Berücksichtigung der aufgezeigten Urteilsfehler - alle bedeutsamen Verfahrensergebnisse eingehend zu würdigen (vgl § 258 Abs 2 StPO), die daraus gewonnene Tatsachengrundlage auch formell einwandfrei zu begründen und die daran geknüpften aktuellen Rechtsfragen zu klären haben.
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