Der Oberste Gerichtshof hat am 4.September 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wolfgang F***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten Thomas H*****, Franz K***** und Harald B***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten Wolfgang F*****, Thomas H*****, Franz K***** und Harald B***** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 15. Mai 1997, GZ 6 Vr 596/96-61, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, der Angeklagten Wolfgang F*****, Thomas H*****, Harald B***** und Franz K***** sowie der Verteidiger Dr.Newole, Dr.Mühl, Dr.Neureiter und Dr.Merlicek zu Recht erkannt:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den die Angeklagten Thomas H*****, Franz K***** und Harald B***** betreffenden Freisprüchen (hinsichtlich der Diebstahlsfakten Bekleidungsstücke, Chemiekasten und alkoholische Getränke zu Punkt B I 2, ferner der Fakten B I 3, 5 a, 7 und 8 sowie B II 2 a der Anklageschrift) und demgemäß auch in den Strafaussprüchen dieser drei Angeklagten aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten Wolfgang F***** wird Folge gegeben und die über diesen verhängte Geldstrafe (unter Beibehaltung der Höhe des einzelnen Tagessatzes) auf 120 Tagessätze, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, erhöht.
Hinsichtlich der Angeklagten Thomas H***** und Franz K***** wird die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf den kassatorischen Teil der Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Wolfgang F***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 3 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, Thomas H***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB, Harald B***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten (zu ergänzen: schweren) Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1, 129 Z 1 und 15 StGB sowie Franz K***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB schuldig erkannt. Das Urteil ist in diesen Schuldsprüchen unbekämpft.
Danach hat - soweit für die Berufungsentscheidung von Bedeutung - Wolfgang F***** in Wien
A. teils allein, teils in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen teilweise durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
I. weggenommen, und zwar
5. in Gesellschaft des diesbezüglich nicht verur- teilte Martin B***** in rund fünfzehn Angriffen im November 1994 den Firmen M***** GesmbH und F***** GesmbH rund 2.500 S Bargeld, indem sie bei Zeitungsständern die die Kassen sichernden Metallbänder abrissen,
7. in Gesellschaft des diesbezüglich abgesondert verfolgte Thomas T*****
a) zwischen Ende 1992 und Anfang 1993 den Wiener Verkehrsbetrieben vier Nothämmer im Wert von 1.400 S,
b) Ende 1992/Anfang 1993 den Firmen M***** GesmbH und F***** GesmbH rund 1.000 S Bargeld,
C. mit dem diesbezüglich abgesondert verfolgten Thomas T***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken im Jahre 1993 in sieben Angriffen Fahrzeuge der Marke Mercedes durch Abbrechen des Mercedes-Sternes beschädigt, wodurch den Eigentümern ein Schaden von insgesamt 5.930 S entstand.
Hingegen wurden (soweit für das Rechtsmittelverfahren von Bedeutung) Thomas H*****, Harald B***** und Franz K***** von der weiter wider sie erhobenen Anklage, sie hätten in Wien fremde bewegliche Sachen anderen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
A. weggenommen, und zwar
I. Franz K*****
1. indem er in Kellerabteile durch Aufbrechen mit einer Eisenstange einbrach,
a) zwischen Herbst 1992 und Herbst 1993 in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Christian N***** und des strafunmündigen Peter R***** als Beteiligten der Waltraud A***** Bekleidungsstücke im Wert von rund 3.000 S sowie unbekannten Eigentümern einen Chemiekasten und verschiedene alkoholische Getränke,
Das Jugendschöffengericht führte zu den bekämpften Freisprüchen in der Urteilsbegründung aus, daß "ganz allgemein mit einem Freispruch dort vorzugehen war, wo die Angeklagten sich leugnend verantworteten". Die Taten lägen viele Jahre, teilweise sieben bis acht Jahre zurück. Objektive Beweismittel, die eine Überführung der Täter ermöglicht hätten, wären von Anfang an nicht zur Verfügung gestanden; die Anklagebehörde sei im wesentlichen auf die von den Tätern abgegebenen Geständnisse angewiesen gewesen. Die Geschädigten seien teilweise unbekannt geblieben und hätten sonst überhaupt keine sachdienlichen Angaben machen können. Soweit sich die Angeklagten daher nicht schuldig bekannt hätten, wäre mit einem Freispruch vorzugehen gewesen, da eine Überführung der Täter ohnedies nicht möglich erschien.
Mit Recht macht die Anklagebehörde in ihrer Mängelrüge geltend, daß diese Begründung für einen Freispruch offenbar unzureichend ist, weil die vom Erstgericht aus der nicht geständigen Verantwortung in der Hauptverhandlung gezogene Schlußfolgerung, damit fehle ein Täternachweis, einer logischen Überprüfung nicht standhält. Denn nicht nur ein in der Hauptverhandlung abgelegtes Geständnis vermag einen Schuldspruch zu tragen; das erkennende Gericht hat sich vielmehr mit sämtlichen (wesentlichen) Ergebnissen des Beweisverfahrens im einzelnen - und keineswegs mit einer generalisierenden Pauschalwendung - auseinanderzusetzen, daraus seine Schlüsse zu ziehen und eine den Denkgesetzen entsprechende Begründung für seine Annahmen anzuführen.
Dieser Verpflichtung sind die Tatrichter insofern nicht nachgekommen, als sie im freisprechenden Teil des Urteiles nur auf die leugnende Verantwortung der Angeklagten in der Hauptverhandlung Bezug nahmen, es aber unterließen, auf Grund der vorliegenden Verfahrensergebnisse jene mit den Denkgesetzen in Einklang stehenden Gründe darzutun, die ihrer Auffassung nach eine Überführung der zunächst geständigen Angeklagten entgegenstanden.
Da bei denkrichtiger Wertung aller erheblichen Beweisumstände andere Schlußfolgerungen in bezug auf die Täterschaft der Angeklagten nicht auszuschließen sind, liegt tatsächlich ein formeller Begründungsmangel im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes vor.
Das Urteil war demgemäß im angefochtenen Umfang sowie in den davon tangierten Strafaussprüchen aufzuheben und diesbezüglich die Erneuerung des Verfahrens anzuordnen. Auf Spekulationen darüber, welche Ergebnisse eine Verfahrenserneuerung noch erbringen könnte, ist - entgegen einem Vorbringen im Gerichtstag - im Nichtigkeitsverfahren nicht einzugehen.
Mit ihrer Berufung hinsichtlich der Angeklagten Thomas H***** und Franz K***** war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
Über Wolfgang F***** verhängte das Jugendschöffengericht nach § 129 StGB unter Anwendung der § 5 Z 4 JGG, §§ 28 Abs 1 und 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe in der Höhe von 40 Tagessätzen zu je 80 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Tagen.
b) im Sommer 1993 in Gesellschaft des diesbezüglich verurteilten Harald B***** und des strafunmündigen Peter R***** als Beteiligte der Waltraud A***** ein Paar Schi der Marke Bigfoot im Wert von 1.000 S (richtig: 1.500 S),
2. am 26.Jänner 1993 der Firma C***** GesmbH einen CD-Player im Wert von 5.690 S,
II. Thomas H***** im Juni 1992 in Gesellschaft des strafunmündigen Peter R***** als Beteiligter in der Hauptschule Afritsch-Gasse unbekannten Personen zwei Jacken und drei Paar Sportschuhe im Gesamtwert von 4.500 S,
III. Thomas H***** und Harald B***** in Gesellschaft als Beteiligte im Frühjahr 1993 einer unbekannten Frau eine Handtasche,
B. Harald B***** am 29.Dezember 1993 in Gesellschaft des diesbezüglich verurteilten Franz K***** sowie der abgesondert verfolgten Peter R***** und Alfred K***** einer unbekannten Person verwertbare Gegenstände wegzunehmen versucht, indem sie in eine Bauhütte nach Einschlagen der Fensterscheibe einsteigen wollten,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Nur gegen diesen freisprechenden Teil des Urteiles richtet sich eine auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, welcher Berechtigung zukommt.
Angemerkt sei, daß die Staatsanwaltschaft die hinsichtlich Wolfgang F***** angemeldete, jedoch nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde und die hinsichtlich Harald B***** zu A I 1 des schuldigsprechenden Teils des Urteils ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde zurückgezogen hat.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Wiederholung der diebischen Angriffe; als mildernd das umfassende (zu ergänzen: reumütige) Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel, das lange Zurückliegen der Taten und den Umstand, daß sich Wolfgang F***** seither wohlverhalten hat.
Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft, mit welcher sie unter Hinweis auf das ziel- und planlose Vorgehen, was zu einer wahllosen Begehung von Diebstählen führte, sowie auf die Tatwiederholung die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB bekämpft und die Verhängung einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe beantragt.
Die vom Erstgericht angenommenen Strafzumessungsgründe sind zunächst insoweit zu korrigieren, als der besondere Milderungsgrund des § 34 Z 18 StGB nur dann vorliegt, wenn zwischen der Tat und der Urteilsfällung ein Zeitraum verstrichen ist, welcher der Verjährungsfrist nahekommt (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 34 E 55, Leukauf/Steininger Komm3 § 34 RN 27). Wolfgang F***** hat aber die letzte ihm angelastete Straftat im November 1994 (Urteilsfaktum A I 5) begangen, sodaß von einem längeren Zurückliegen der strafbaren Handlung nicht gesprochen werden kann.
Dessenungeachtet bedarf es aber angesichts der nunmehr geordneten Lebensverhältnisse des Verurteilten, die offenbar auf eine inzwischen erfolgte persönliche Reifung zurückzuführen sind, aus spezialpräventiver Sicht nicht der Verhängung einer Freiheitsstrafe; auch generalpräventive Gesichtspunkte sprechen im Hinblick auf den beschränkten Umfang jener Personen, die von den Straftaten Kenntnis erlangten, nicht gegen die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB.
Jedoch wird die vom Jugendschöffengericht ausgemessene Geldstrafe dem Schuld- und Unrechtsgehalt der gehäuften Taten nicht gerecht, sodaß die Anzahl der Tagessätze (unter Beibehaltung der Höhe des einzelnen Tagessatzes) auf 120 und demnach die Ersatzfreiheitsstrafe auf 60 Tage) zu erhöhen waren.
Dazu war der Oberste Gerichtshof trotz des nur auf Verhängung einer Freiheitsstrafe gerichteten Berufungsbegehrens berechtigt, weil ein solches den Antrag auf Verschärfung der in erster Instanz verhängten Geldstrafe miteinschließt (Mayerhofer StPO4 § 295 E 8).
Über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die gleichzeitig mit dem Urteil gefaßten Beschlüsse des Jugendgerichtshofes Wien auf vorläufige Einstellung des Strafverfahrens gegen Martin B***** gemäß § 9 Abs 1 Z 1 JGG (ON 62) und Thomas B***** gemäß § 9 Abs 1 Z 2 JGG (ON 63) wird das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht zu entscheiden haben (§ 32 Abs 5 JGG). Nur die Nichtanwendung des § 9 JGG kann einen Nichtigkeitsgrund darstellen (§ 32 Abs 1 JGG).
Rückverweise
Keine Verweise gefunden