Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des am 16.Juni 1962 geborenen Wilhelm I*****, vertreten durch Dr.Harald W.Jesser und DDr.Manfred Erschen, Rechtsanwälte in Leoben, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 10.Juli 1997, GZ 2 R 336/97d, 337/97a 12, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 4.Juni 1997, GZ 6 P 112/97w 7, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung:
Der durch frei gewählte Rechtsanwälte vertretene Betroffene, ein Zimmermeister und Sägewerks- sowie E Werksbesitzer, regte an, Johann L***** für ihn zum Sachwalter zu bestellen, weil er alkoholkrank sei und verhindern wolle, von „Geschäftspartnern“ bedrängt Verträge abzuschließen, insbesondere aber Liegenschaften zu veräußern.
Das Erstgericht bestellte nach der Erstanhörung Johann L***** (im folgenden auch nur Sachwalter) mit Beschluß vom 4.Juni 1997 ON 4 zum Verfahrenssachwalter (§ 238 Abs 1 AußStrG) und mit Beschluß vom 19.Juni 1997 ON 7 zum einstweiligen Sachwalter zur Besorgung dringender Angelegenheiten (§ 238 Abs 2 AußStrG), und zwar zur Vertretung des Betroffenen bei Abschluß von „Verträgen und Rechtsgeschäften jeglicher Art“ mit Ausnahme von Geschäften zur Beschaffung von Gütern des privaten täglichen Bedarfs. Am 19.Juni 1997 habe der Rechtsvertreter des Betroffenen das Gericht aufgefordert, von Amts wegen einzuschreiten, weil der Betroffene offenbar am Vortag in verstörtem Zustand seinen einstweiligen Sachwalter um Unterstützung bei der Ungültigerklärung einer von ihm unterfertigten Urkunde, deren Inhalt der Betroffene aber nicht kenne, ersucht habe. Die Angelegenheit sei trotzdem nicht bereinigt, weil der mögliche Vertragspartner nicht habe erreicht werden können. Da der Rechtsvertreter des Betroffenen weiters mitgeteilt habe, daß der Betroffene offensichtlich nicht mehr orientiert sei und möglicherweise ihn verpflichtende Handlungen setze, sei Johann L*****auch als einstweiliger Sachwalter zu bestellen, um drohende wirtschaftliche Nachteile hintanzuhalten.
Der Betroffene machte in seinem „Einspruch“ gegen den Beschluß ON 4 auch die Befangenheit des Sachwalters mit der Begründung geltend, dieser habe einige hunderttausend Schillinge bereits in sein E Werk investiert und wolle dieses zu günstigen Bedingungen auch gegebenenfalls käuflich erwerben. Darin liege eine Befangenheit bzw auch eine Unvereinbarkeit mit der Einsetzung als Sachwalter.
Das Rekursgericht hob den Beschluß ON 4 ersatzlos auf, bestätigte hingegen den Beschluß ON 7 und erachtete insoweit den ordentlichen Revisionsrekurs als nicht zulässig. Rechtlich vertrat die zweite Instanz, soweit hier relevant, die Auffassung, der Betroffene habe nicht nur selbst zugestanden, „beim Schriftlichen“ komme ihm „ein bisserl was untereinander“, auch „der von seinen Vertretern geschilderte Vorfall mit der Unterschriftsleistung“ zeige, daß der Betroffene zumindest fallweise durch Dritte leicht zu beeinflussen sei und zu Verfügungen über sein nicht unbeträchtliches Vermögen gebracht werden könne. Zu seinem eigenen Besten und „zur Abwehr womöglich schwerwiegender finanzieller Nachteile“ erweise sich die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters als notwendig. Der Sachwalter, der nur für die Dauer des Verfahrens bestellt worden sei, unterliege ohnehin einer strengen gerichtlichen Kontrolle und werde keinesfalls zum Nachteil des Betroffenen tätig werden können.
Der außerordentliche Revisionsrekurs des - bei der Verfassung dieses Rechtsmittels nicht durch seine frei gewählten Rechtsanwälte vertretenen - Betroffenen ist zulässig und berechtigt.
Der Betroffene vertritt die Auffassung, der vorläufige Sachwalter sei „schwer“ befangen. So beabsichtige der Sachwalter, den E Werksbetrieb des Betroffenen zu kaufen bzw sich diesen „anzueignen“. Er habe bereits einen „grundbücherlich eingetragenen“ Vertrag betreffend die Reparatur des E Werks und auch schon Reparaturen durchgeführt, die schon längst fertiggestellt sein sollten. Der Anschluß an das Netz der STEWEAG sei von ihm noch immer nicht durchgeführt, was täglich einen finanziellen Verlust bedeute. Außerdem bekomme der Betroffene laut „Notariatsvertrag“ einen viel günstigeren Kredit von Herrn Ökonomierat ... (ohne Wertsicherungsklausel) als vom Sachwalter.
§ 238 AußStrG sieht die Bestellung von Sachwaltern in zwei völlig unterschiedlichen Fällen vor: Als Rechtsbeistand für das Verfahren hat das Gericht dem Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen einen einstweiligen Sachwalter nach § 238 Abs 1 AußStrG zu bestellen; das Gericht hat aber nach § 238 Abs 2 AußStrG dem Betroffenen, wenn es sein Wohl erfordert, auch zur Besorgung „sonstiger“ dringender Angelegenheiten - das sind andere als das in § 238 Abs 1 AußStrG genannte Sachwalterschaftsverfahren (4 Ob 2235/96x) - für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen. Da § 238 Abs 2 AußStrG nur auf § 248 verweist, ist § 249 AußStrG nicht anzuwenden, so daß das Rechtsmittelverfahren einseitig ist (2 Ob 540, 541/95 = SZ 68/95). Der Beschluß nach § 238 Abs 2 AußStrG wird sofort mit der Zustellung wirksam (SZ 64/111 ua; Schlemmer in Schwimann 2 § 273 ABGB Rz 12 mwN) und schränkt die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen im Wirkungskreis des einstweiligen Sachwalters ein (EvBl 1991/34 = EFSlg 63.056; 4 Ob 573/95; Gamerith , Drei Jahre Sachwalterrecht in NZ 1988, 61 ff, 69). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen es das Wohl des Betroffenen erfordert, ihm für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zur Besorgung sonstiger dringender Angelegenheiten zu bestellen, ist im Gesetz nicht näher geregelt ( Gamerith aaO 69; Gitschthaler , Verfahrenssachwalter und einstweiliger Sachwalter in ÖJZ 1990, 762 ff, 767 mwN aus der Rspr in FN 45). Nach dem Gesetzeswortlaut sind ausschließlich die Interessen des Betroffenen zu wahren. Daß die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für das Wohl des Betroffenen dringend erforderlich ist, wenn dieser für ihn nachteilige Rechtsgeschäfte abschließen will, liegt auf der Hand.
Bei der Auswahl der Person des einstweiligen Sachwalters ist § 281 ABGB anzuwenden (SZ 68/95; Maurer/Tschugguel , Das österreichische Sachwalterrecht in der Praxis 2 , 78; Gitschthaler
Demnach müssen die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben werden. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht bei Richtigkeit des Vorbringens des Betroffenen und der Gefahr einer Interessenkollision eine andere Person zum einstweiligen Sachwalter für den Betroffenen zu bestellen haben.
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