Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Dezember 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Y***** Haifeng und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Zho***** Zhi Hai und die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten C***** Guang Ming gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 9. August 1996, GZ 30 d Vr 6097/96-136, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr.Hauptmann, der Angeklagten Zho***** Zhi Hai und C***** Guang Ming und der Verteidiger Dr.Halmer und Mag.Mayer zu Recht erkannt:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zho***** Zhi Hai wird verworfen.
Seiner Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über C***** Guang Ming verhängte Zusatzfreiheitsstrafe auf zehn Monate erhöht.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Der chinesische Staatsangehörige Zho***** Zhi Hai wurde der Verbrechen der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB (Schuldspruch A.) und der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (C.I.) sowie des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB schuldig erkannt.
Es liegt ihm zur Last:
A.) in der Nacht zum 20.Jänner 1996 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Angeklagten Y***** Haifeng und vier abgesondert verfolgten Beteiligten vorsätzlich den Zha***** Xuyun teils ohne dessen Einwilligung mit Gewalt, teils nachdem sie dessen Einwilligung durch gefährliche Drohung erlangt hatten, entführt zu haben, um dessen Vater Zha***** Minguang zur Zahlung von Lösegeld zu nötigen, indem Y***** Haifeng dem Zha***** Xuyun zurief, wenn er weglaufe, würde er ihn umbringen, worauf Zho***** Zhi Hai das Entführungsopfer in die Toiletteanlage eines Gastlokales stieß, eine Pistole oder Schreckschußpistole zog, rief: "... Wenn du nicht mitkommst, bringe ich dich hier in der Toilette um!" und dem Genannten zwei Faustschläge gegen den Oberkörper versetzte, Zho***** Zhi Hai den Genannten sodann mit einem durch einen anderen Beteiligten gelenkten PKW nach Baden und von dort wieder nach Wien zurückbrachte, während zwei weitere Beteiligte dem Zha***** Minguang mitteilen ließen, daß sich sein Sohn in ihrer Gewalt befinde, und ihn aufforderten, das Lösegeld zu bezahlen, worauf der Genannte einem der Täter 2.000 US-Dollar übergab;
C.I.) in der Zeit vom 9. bis 12.Februar 1996 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken mit den Angeklagten C***** Guang Ming und H***** Xiao Jiang sowie den abgesondert verfolgten Ho***** Zhi Xiong und W***** Zhuangbo den Kaufmann W***** Donghai durch gefährliche Drohung mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, zu einer Handlung, die ihn am Vermögen schädigen sollte, nämlich zur Zahlung von Schutzgeld, zu nötigen versucht zu haben, indem W***** Zhuangbo dem erpreßten Kaufmann, von welchem zuvor der Ho***** Zhi Xiong mit Unbekannten die Zahlung eines Betrages von 100.000 S gefordert hat, andernfalls sein Geschäftslokal verwüstet und er am Körper verletzt werden würde, einschärfte, er solle nicht zur Polizei gehen, um Anzeige zu erstatten, worauf er am 12.Februar 1996 mit seinem PKW unter Mitnahme der Angeklagten Zho***** Zhi Hai und C***** Guang Ming sowie der abgesondert verfolgten Ho***** Zhi Xiong und H***** Xiao Jiang zum Geschäft des W***** Donghai fuhr, um zumindest 20.000 S einzutreiben;
E.) vorsätzlich eine verfälschte ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz (§ 1 Abs 3 FrG) einer inländischen öffentlichen Urkunde gleichgestellt ist, und zwar einen koreanischen Reisepaß, welcher für Ch***** Gu Lee ausgestellt war, in welchem das Lichtbild des Paßinhabers durch ein anderes Lichtbild ersetzt worden war, vorsätzlich im Rechtsverkehr zum Beweis einer rechtserheblichen Tatsache gebraucht zu haben, indem er sich mit jenem legitimierte, nämlich
1.) in der Zeit von Dezember 1995 bis Jänner 1996 wiederholt vor österreichischen Beamten an der österreichisch-tschechischen und österreichisch-slowakischen Staatsgrenze
2.) am 12.Februar 1996 in Wien vor Polizeibeamten bei seiner Festnahme.
Diese Schuldsprüche des Angeklagten Zho***** Zhi Hai gründen sich auf den Wahrspruch der Geschworenen.
Obwohl der Rechtsmittelantrag der auf die Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zho***** Zhi Hai die Aufhebung des gesamten Urteiles begehrt, enthält sie nur Ausführungen zu seiner Verurteilung wegen der beiden Verbrechen jedoch keine zum weiteren Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenfälschung. Zu letzterem versagt sie sohin mangels prozeßordnungsgemäßer Darstellung.
Zur (ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerde:
Entgegen seinem Vorbringen unter dem ersterwähnten Nichtigkeitsgrund zuwider erübrigte sich bei ihm - anders als beim Mitangeklagten C***** Guang Ming - die Stellung einer Eventualfrage in Richtung des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB zur Hauptfrage betreffend das Verbrechen der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (C.I.). Anhaltspunkte, die eine Beurteilung des vom Beschwerdeführer gegen W***** Donghai gesetzten Verhaltens (mangels eines auf Vermögensschädigung und unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes) lediglich als Vergehen der Nötigung in den Bereich des Möglichen rücken, sind nämlich in der Hauptverhandlung nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer selbst verantwortete sich (laut S 305/III ff) dahin, über den Zweck der gemeinsamen Fahrt zu W***** Donghai nur erfahren zu haben, daß seine Begleiter bei diesem 20.000 S abholen wollten; er gab keineswegs zu, von einem auf gefährliche Drohung oder Gewaltanwendung gegen den Genannten abzielenden Vorhaben seiner Begleiter überhaupt Kenntnis erlangt zu haben. Mit diesen Angaben steht die Verantwortung des Mitangeklagten C***** Guang Ming (S 281/III f) durchaus nicht im Widerspruch. Dieser Angeklagte behauptete zwar, selbst über Bitten eines Freundes bei W***** Spitalskosten "einzutreiben" versucht zu haben; über Befragen durch den Vorsitzenden gab er ferner an, nicht zu glauben, daß der Beschwerdeführer den Grund der Fahrt zum Genannten wußte (S 292/III unten). Auch die weiteren Ergebnisse der Hauptverhandlung, insbesondere die Angaben des Angeklagten Hu X***** Jiang (S 317/III ff), enthalten keine Indizien dafür, daß der Beschwerdeführer den Kaufmann W***** Donghai durch gefährliche Drohung zwar nicht - wie in der Anklageschrift vorgeworfen - zur Schutzgeldzahlung, wohl aber zur Bezahlung einer (vermeintlichen) Schuld zu nötigen vorhatte, somit statt einer (Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz voraussetzenden) Erpressung nur eine Nötigung versucht haben könnte. Die Stellung einer Eventualfrage, welche sich auf diese - von den Geschworenen übrigens auch hinsichtlich des Angeklagten C***** abgelehnte - Sachverhaltsvariante bezog, war somit in Ansehung des Beschwerdeführers nicht geboten.
In der dasselbe Urteilsfaktum (C.I.) betreffenden Tatsachenrüge (§ 345 Abs 1 Z 10 a StPO) weist der Beschwerdeführer der Sache nach lediglich auf die Möglichkeit ihn entlastender Schlußfolgerungen aus dem Unvermögen des Zeugen W***** Donghai, ihn als Täter zu identifizieren (S 382/III f), und aus dem Fehlen einer eindeutigen Bezichtigung durch den Mitangeklagten C***** Guang Ming (S 281/III ff) hin. Damit bekämpft er allerdings die im Wahrspruch getroffenen Feststellungen nur nach Art einer unzulässigen Schuldberufung. Denn einerseits verkennt er, daß die ihm vorgeworfene Mitwirkung am Erpressungsversuch nicht in einem unmittelbaren Kontakt zum als Opfer ausersehenen W***** Donghai bestand (dessen Aussage aber im Zusammenhang mit dem Polizeibericht S 67/I und 111/I über das Verhalten des Beschwerdeführers anläßlich seiner Betretung bei Annäherung an das Geschäft des Opfers gesehen durchaus belastend ist). Andererseits übergeht er, daß der Mitangeklagte C***** Guang Ming keineswegs mit Sicherheit zu beantworten vermochte, ob auch der Beschwerdeführer in den Tatplan eingeweiht war (S 292/III unten).
Mit seiner Instruktionsrüge zur Urteilstat A. macht der Beschwerdeführer geltend, die Rechtsbelehrung zum Begriff der gefährlichen Drohung leide an einer Unvollständigkeit, die zu einem Mißverständnis der Geschworenen Anlaß zu geben geeignet gewesen und daher einer Unrichtigkeit gleichzuhalten sei. Er erblickt diese in der mangelnden Auseinandersetzung mit den "für die gefährliche Drohung wichtigen" Begriffen "Furcht und Unruhe".
Diese Begriffe zählen jedoch nicht zu den gemäß § 321 Abs 2 StPO darzulegenden gesetzlichen Merkmalen der in der diesbezüglichen Hauptfrage (II.) erfaßten strafbaren Handlung, also des Verbrechens nach § 102 StGB. Sie finden vielmehr im - vom Fragenkatalog überhaupt nicht erfaßten - Tatbestand der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB) Erwähnung. Bei der gefährlichen Drohung als eines der Begehungsmittel des § 102 Abs 1 StGB ist auf die Begriffsbestimmung des § 74 Z 5 StGB zurückzugreifen. Darauf wurde in der Rechtsbelehrung (zwar nicht durch Anführung der erwähnten Gesetzesstelle, aber durch eine insbes auf Leukauf-Steininger Komm3 RN 21 gestützte Erläuterung ihres Inhalts) ohnehin - sogar an mehreren Stellen (vgl auch die Ausführungen zu §§ 144 und 105 StGB) - eingegangen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß für ein den Wahrspruch beeinflussendes Mißverständnis der Geschworenen über die demnach vorauszusetzende Eignung der Drohung, gegründete Besorgnisse einzuflößen, kein Anhaltspunkt besteht; waren doch nach der Formulierung der betreffenden Hauptfrage die unter Beteiligung mehrerer geäußerten Morddrohungen vom Ziehen einer Schußwaffe und von Gewalttätikeiten begleitet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zho***** Zhi Hai war daher zu verwerfen.
Zu den Berufungen:
Der Angeklagte C***** Guang Ming wurde schuldig erkannt, außer durch die bereits oben zu C.I. beschriebene Handlung auch dadurch das Verbrechen der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB begangen zu haben, daß er (mit Schädigungsvorsatz und dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung) am 4. und 5.Februar 1996 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken mit drei Unbekannten versucht hat, den P***** Jian Wei zur Zahlung von Schutzgeld zu nötigen, indem C***** Guang Ming am 4.Februar 1996 mit drei Unbekannten in einem Gastlokal des P***** Jian Wei erschien, wobei einer von ihnen den Genannten aufforderte, zumindest 300.000 S zu bezahlen, sonst würde es Probleme geben, sie besäßen Pistolen, worauf sie zur Bekräftigung dieser Forderung ein weiteres Gastlokal des P***** Jian Wei aufsuchten und den dort beschäftigten W***** Jian Ming zusammenschlugen, wobei sie riefen, sein Chef sei der Nächste, und überdies dadurch, daß sich einer von ihnen fernmündlich der Gattin des P***** Jian Wei erklärte, der Genannte würde heute getötet werden, sie solle einen Holzsarg besorgen (C II); weiters wurde ihm das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB zur Last gelegt, weil er am 5.Februar 1996 in Wien in verabredeter Verbindung mit drei Unbekannten vorsätzlich W***** Jian Ming durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten am Körper verletzte, wodurch jener Blutergüsse an der linken Stirnseite, der linken Wange und an der linken Oberlippe sowie eine Rißquetschwunde an der Oberlippe und eine Kratzwunde über der linken Augenbraue erlitt (D).
Das Geschworenengericht verhängte unter Vorhaftanrechnung jeweils Freiheitsstrafen, und zwar über C***** Guang Ming nach § 144 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 und 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.Mai 1996, AZ 9 d E Vr 3011/96 (und unter gleichzeitigem Widerruf einer mit selben Urteil bedingt nachgesehenen zweimonatigen Freiheitsstrafe) sechs Monate als Zusatzstrafe und über den Angeklagten Z***** Zhi Hai nach § 102 Abs 1 StGB zwölf Jahre.
Dabei wertete es bei C***** Guang Ming als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen je zweier Verbrechen (gemeint: die Wiederholung des Verbrechens) und zweier Vergehen, als mildernd das Geständnis, den Umstand, daß die Taten teilweise beim Versuch blieben und die Beteiligung in untergeordneter Weise; bei Z***** Zhi Hai wurde als erschwerend erachtet das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und einem Vergehen, als mildernd der bisherige ordentliche Lebenswandel und der Umstand, daß die Delikte teils nur beim Versuch blieben.
Der Strafausspruch betreffend C***** Guang Ming wird von der Staatsanwaltschaft, jener des Z***** Zhi Hai von diesem bekämpft.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.
Die Strafzumessungsgründe wurden zwar im wesentlichen richtig aufgezählt, doch wurde dem Milderungsgrund des Geständnisses des Angeklagten C***** zu viel, dem Erschwerungsgrund der Deliktsmehrheit bzw -wiederholung jedoch zu wenig Bedeutung zugemessen, sodaß unter Berücksichtigung der personalen Täterschuld die Strafe angemessen zu erhöhen war.
Die Berufung des Angeklagten Z***** Zhi Hai vermag nicht darzutun, daß das Geschworenengericht einen Milderungsgrund übersehen oder einen Erschwerungsgrund zu Unrecht gewertet hätte. Das Vorbringen, der Angeklagte wäre nur "Statist" und in untergeordneter Rolle tätig geworden, widerspricht dem Inhalt des Schuldspruchs, vor allem jenem zu Faktum A. Die über ihn verhängte Freiheitsstrafe entspricht daher durchaus dem Unrechtsgehalt seiner Taten und auch seiner Schuld, sodaß sie einer Reduktion nicht zugänglich ist. Dieser Berufung war sohin ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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