Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Dr.Hans Peter Bobek und Werner Fendrich als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Beatrix K*****, kaufmännische Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Elisabeth F*****, Inhaberin der Schuhboutique "A*****", ***** vertreten durch Mag.Erhard dAron, Wirtschaftskammer Wien, Sektion Handel, Wien 4, Schwarzenbergplatz 14, dieser vertreten durch Dr.Wolfgang Aigner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 5.723,34 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.Juli 1996, GZ 9 Ra 214/96y-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26.Jänner 1996, GZ 28 Cga 240/95h-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit S 2.436,48 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 406,08 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß bei der Berechnung der Urlaubsabfindung gemäß § 10 Abs 1 zweiter Satz UrlG im Falle der Arbeitnehmerkündigung noch innerhalb von sechs Monaten ab Beginn des Beschäftigungsverhältnisses ungeachtet des in § 2 Abs 2 UrlG idF der Beschäftigungssicherungsnovelle, BGBl 502/1993, anteiligens Entstehens des Urlaubsanspruches nur eine einfache Aliquotierung zu erfolgen hat (§ 48 ASGG).
Den Revisionsausführungen ist entgegenzuhalten:
Während nach der Stammfassung des Urlaubsgesetzes der Anspruch auf Urlaub im ersten Arbeitsjahr nach Zurücklegung einer ununterbrochenen Dienstzeit von sechs Monaten (Wartezeit), sonst mit Beginn des Arbeitsjahres entstand, wurde die Anspruchsentstehung durch die Beschäftigungssicherungsnovelle 1993, BGBl 502 Art VII Z 1 so geändert, daß der Anspruch auf Urlaub in den ersten sechs Monaten des ersten Arbeitsjahres im Verhältnis zu der im Arbeitsjahr zurückgelegten Dienstzeit und nach sechs Monaten in voller Höhe entsteht. Ab dem zweiten Urlaubsjahr entsteht der Gesamturlaubsanspruch mit Beginn des Arbeitsjahres (Kuderna UrlG2, 63). Der Gesetzgeber hat zwar in § 9 Abs 1 Z 5 UrlG den Fall der "Arbeitnehmerkündigung, wenn bereits mehr als die Hälfte des Urlaubsjahres verstrichen ist" aus der Z 5 (durch Art VII Z 2) herausgenommen und in der neu hinzugefügten Z 6 diesen Anspruch auf Urlaubsentschädigung auf den Fall der Arbeitnehmerkündigung ab dem zweiten Arbeitsjahr eingeschränkt (Art VII Z 3); er hat jedoch die Änderung des Entstehens des Urlaubsanspruches in § 10 UrlG für den Fall der Urlaubsabfindung im ersten Arbeitsjahr nicht berücksichtigt.
In der Regierungsvorlage (1194 Beil sten Prot NR 18. GP, 14) wird ausgeführt "Die Änderung der Urlaubsregelung berührt nicht die sonstigen Grundsätze des Urlaubsrechts. Durch die Aliquotierung des Urlaubsanspruchs im ersten Arbeitsjahr bei Selbstkündigung des Arbeitnehmers soll verhindert werden, daß wegen der vom Arbeitnehmer herbeigeführten Auflösung des Arbeitsverhältnisses kurzfristige Beschäftigungszeiten zu unangemessen langen Urlaubsansprüchen führen. Die Höhe der Abfindung (§ 10 UrlG) richtet sich nach dem aliquoten Urlaubsanspruch, wie er sich aus § 2 Abs 2 des Entwurfes ergibt; eine zweifache Aliquotierung findet nicht statt. Durch § 9 Abs 1 Z 5 ist sichergestellt, daß auch die Saisonbeschäftigten mit den übrigen Arbeitnehmern gleichgestellt sind, dh, daß sie nach Ablauf von sechs Monaten die volle Urlaubsentschädigung erhalten."
§ 10 Abs 1 zweiter Satz UrlG verweist bei der Berechnung der Urlaubsabfindung in Zweiundfünfzigstel auf das Urlaubsentgelt gemäß § 6 UrlG, ohne daß damit schon die Frage entschieden wäre, ob der Berechnung der Urlaubsabfindung der konkrete anteilige Urlaubsanspruch oder der gesamte Urlaubsanspruch für das erste Arbeitsjahr zugrundezulegen ist. Würde der Berechnung der Urlaubsabfindung der anteilige Urlaubsanspruch nach der Neufassung des § 2 Abs 2 UrlG zugrundegelegt, träte eine doppelte Aliquotierung ein. Während zunächst die Urlaubsabfindung vor der Beschäftigungssicherungsnovelle durchwegs eine anteilige, dh nach der Zahl der Wochen des betreffenden Urlaubsjahres bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgende Berechnung vorsah, wirkte sich das sprunghafte Anwachsen des Urlaubsanspruches zu Beginn des siebenten Monats des ersten Urlaubsjahres dahin aus, daß der Anspruch auf Urlaubsabfindung bis zu sechs Monaten höchstens auf ein Viertel des Urlaubsentgeltes und danach ab der Hälfte das Urlaubsentgelt weiter bis zur Höhe des vollen Anspruches anstiege. Ein solcher diskontinuierlicher Verlauf stört das vielfach wünschenswerte gleichmäßige und gleichwertige Strömen von Leistung und Gegenleistung im Dauerschuldverhältnis (Adamovic, Zur Sittenwidrigkeit von Entgeltvereinbarungen ZAS 1991, 153, 157 mwN). Es wäre schlechthin unverständlich, daß die schon in der Stammfassung des Urlaubsgesetzes vorgesehene Aliquotierung der Urlaubsabfindung nach Maßgabe der Dauer des jeweiligen Urlaubsjahres durch die Neufassung des § 2 Abs 2 UrlG in der Weise verändert würde, daß der Arbeitnehmer bei einer Selbstkündigung innerhalb der ersten sechs Monate und Ausübung seines Gestaltungsrechtes benachteiligt würde, indem er nur höchstens die Hälfte der Hälfte des Urlaubsentgeltes bekäme. Kündigte hingegen der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis zum Ende der 27. Arbeitswoche (und danach), so errechnete sich die Urlaubsabfindung mit 26 und mehr Zweiundfünfzigstel. Ein solches sprunghaftes Anwachsen der Urlaubsabfindung im Falle der Kündigung des Arbeitnehmers vor Ablauf der ersten sechs Monate des ersten Arbeitsjahres kann nicht rechtens sein und führte zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Kündigungsbeschränkung (vgl zum Verlust einer anteiligen
Sonderzahlung ecolex 1992, 797 = infas 1992 A 156 = DRdA 1993/12, 117
[Grillberger] = ZAS 1994/5, 60 [Micheler]; iglS DRdA 1993/19, 208 =
ZAS 1993/18, 218 ua). Mag die Ordnungsaufgabe des Rechtes zwar Grenzen für das Entstehen von Ansprüchen erfordern (Adamovic aaO 157), so ist es doch Aufgabe einer an der Sachgerechtigkeit orientierten teleologischen Auslegung, solche sprunghafte Veränderungen der Rechtsfolgen im Zeitablauf nach Möglichkeit durch eine teleologische Reduktion insoweit zu verhindern, daß das dem Gesetzgeber unterlaufene Versehen (F.Bydlinski-Rummel ABGB2 Rz 25 d zu § 6) dahin berichtigt wird, daß der Berechnung der Urlaubsabfindung unverändert der gesamte Urlaubsentgeltanspruch (abzüglich verbrauchter Teilurlaube) zugrundezulegen ist, auch wenn die Entstehung des Urlaubsanspruches im ersten Halbjahr des ersten Arbeitsjahres zu Teilansprüchen führte. Nur dadurch werden den Materialien der Beschäftigungssicherungsnovelle gemäß "die sonstigen Grundsätze des Urlaubsrechtes nicht berührt" und wird eine "doppelte Aliquotierung vermieden". Es ist also die Aliquotierungsregelung in § 10 Abs 1 zweiter Satz UrlG dahin teleologisch zu reduzieren, daß eine doppelte Aliquotierung nicht stattzufinden hat, da unter Urlaubsentgelt im Sinne des § 10 Abs 1 UrlG unabhängig von der Regelung des Entstehens des Urlaubsanspruches in § 2 Abs 2 UrlG nur das für das ganze Urlaubsjahr gebührende Urlaubsentgelt zu verstehen ist. Somit ist zur Vermeidung grober Wertungswidersprüche der Wortlaut des § 10 Abs 1 zweiter Satz UrlG iVm § 6 UrlG dahin aufzufassen, daß der Berechnung der Urlaubsabfindung im ersten Halbjahr des ersten Arbeitsjahres das Urlaubsentgelt des gesamten Urlaubsjahres (abzüglich verbrauchter Urlaubsteile) zugrundezulegen ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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