Der Oberste Gerichtshof hat am 24.August 1995 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut und Dr.E.Adamovic als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Eckert als Schriftführer in der bei dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 23 b Vr 3849/95 anhängigen Strafsache gegen Anatoli P***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der Neutralitätsgefährdung nach § 320 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Anatoli P***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 7.Juli 1995, AZ 23 Bs 263/95, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Durch den angefochtenen Beschluß wurde Anatoli P***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
Zu AZ 23 b Vr 3849/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ist (ua) gegen den russischen Staatsangehörigen Anatoli P***** eine Voruntersuchung wegen der Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 2, 129 StGB, der Neutralitätsgefährdung nach § 320 StGB und (seit 3.August 1995 auch) der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (Seite 3 o2 verso des Antrags- und Verfügungsbogens) ferner wegen der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB, der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und der Vergehen nach § 17 AußHG und § 7 KriegsmatG anhängig. Der Beschuldigte wurde (nach vorübergehender Verwahrungshaft vom 6. bis 9. März 1995) auf Grund untersuchungsrichterlichen Haftbefehls vom 14. März 1995 (erneut) festgenommen (429/I). Mit Beschluß vom 17.März 1995 wurde über ihn aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- (Verabredungs-) und der Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO) die Untersuchungshaft verhängt. Gegen den (am 27.März 1995 gefaßten) Beschluß auf deren Fortsetzung (ON 36/II) erhob Anatoli P***** Beschwerde, welcher mit Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 12.April 1995, AZ 23 Bs 138/95 (ON 50 a/II) nicht Folge gegeben wurde.
Mit untersuchungsrichterlichem Beschluß vom 12.Juni 1995 (ON 133/V) wurde die über den Beschuldigten verhängte Untersuchungshaft gegen Anwendung gelinderer Mittel nach § 180 Abs 5 Z 1, 3, 4, 5 und 7 StPO aufgehoben, wobei die Höhe der dem Beschuldigten auferlegten (von ihm bisher nicht geleisteten) Kaution mit 4 Mio S bestimmt wurde.
Der dagegen erhobenen Beschwerde des - mangels Kautionserlages nach wie vor inhaftierten - Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Wien mit (nunmehr angefochtener) Entscheidung vom 7.Juli 1995, AZ 23 Bs 263/95 (ON 144/VI) im wesentlichen mit der Begründung nicht Folge, daß sich einerseits nach den bisher angefallenen Untersuchungsergebnissen der Verdacht der Beteiligung des Beschuldigten P***** an dem - enge Zusammenhänge mit illegalen Waffenverschiebungen in Kriegsgebiete auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien indizierenden - Diebstahl eines Kraftfahrzeuges (samt Exportmanipulationen erleichterndem Urkundenmaterial) verdichtet habe (mag auch der Wert des Diebsgutes 500.000 S nicht übersteigen), und andererseits die ausgesprochene Kautionssumme von 4 Mio S nach Lage des Falles nicht überhöht sei, weil Anatoli P*****, der sich selbst als "erster russischer Millionär" bezeichnete, bis zu seiner Verhaftung ohne faßbar geordnete Erwerbsverhältnisse im Zusammenhang mit Grunderwerb und Darlehensgewährungen 10 Mio S übersteigende Geldbeträge aufgebracht habe.
Mit seiner (rechtzeitig) gegen diese Beschwerdeentscheidung erhobenen Grundrechtsbeschwerde macht der Beschuldigte geltend, die Aufrechterhaltung der über ihn verhängten Untersuchungshaft stünde "zum Zweck der Maßnahme" ebenso außer Verhältnis, wie die bisherige Haftdauer zu der zu erwartenden Strafe. Ferner ermangle es an einem die Fortsetzung der Untersuchungshaft rechtfertigenden Tatverdacht und lägen zum Haftgrund der Fluchtgefahr sämtliche in § 180 Abs 3 erster Satz StPO normierten Ausschlußvoraussetzungen vor.
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Nach dem derzeitigen Stand der - umfangreichen und infolge internationaler Verflechtungen außergewöhnlich schwierigen - Voruntersuchung spricht eine Reihe von Beweisergebnissen dafür, daß sich Anatoli P***** im Rahmen seiner ersichtlich weit vernetzten geschäftlichen Aktivitäten von Österreich aus (unter anderem auch) mit dem grenzüberschreitenden Großvertrieb von Waffen und Munition befaßt, wobei eine partielle Geschäftsabwicklung unter Verwendung manipulierter Ausfuhrbewilligungen (Verfälschung der hier zusammen mit einem versperrt abgestellten Kombikraftwagen entzogenen Urkunden) als Tatkonzept indiziert ist (ua ON 17 in ON 25/I, ON 50 a/II). Davon ausgehend trifft es aber im Sinne der bekämpften Beschwerdeentscheidung zu, daß die Verfügung über Urkunden, die den Berechtigten im Zusammenhang mit einem Fahrzeugdiebstahl abhanden kamen, in Verbindung mit den - schon nach den bisher sichergestellten Geschäftsunterlagen ersichtlich - systematisch groß angelegten Waffenvertriebsaktivitäten des Beschuldigten den in der Beschwerde in Abrede gestellten dringenden Tatverdacht im vollen Umfang der eingeleiteten Voruntersuchung - § 128 Abs 2 StGB ausgenommen - rechtfertigt. Die erörterten objektiven Belastungsmomente stehen überdies mit den Anatoli P***** betreffenden Angaben des Mitbeschuldigten Mag.Walter W***** und dem bisher erhobenen finanziellen Hintergrund des Beschwerdeführers im Einklang (ON 100 und Seite 173/V, ON 142/VI). Daß sich aus der Darstellung des Beschuldigten Mag.W***** auch ein - in den bisherigen Verfolgungsanträgen unberücksichtigt gebliebener - Hinweis auf strafrechtlich relevante Ausschaltung von Geschäftskonkurrenz durch gefährliche Drohung ergibt (Seite 134/V), sei ergänzend hinzugefügt. Unter Bedachtnahme auf das Gewicht jener Delikte, die nach den untersuchungsgegenständlichen Tathandlungen vorliegend in Betracht kommen - die Beschwerde übersieht dabei, daß auch der Tatbestand der Neutralitätsgefährdung nach § 320 StGB ein mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohtes Verbrechen zum Gegenstand hat - kann auch davon nicht die Rede sein - daß die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft zur Bedeutung der Sache und ihre bisherige Dauer bereits jetzt zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis stünde. Dies umso weniger als sich aus den bei P***** sichergestellten Geschäftsunterlagen auch dringenden Tatverdacht in Richtung betrügerischer Krida begründende Anhaltspunkte ergeben (ON 140/VI).
Was schließlich den Haftgrund der Fluchtgefahr anlangt, so wird er - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - im konkreten Fall nicht nach Maßgabe der Bestimmung des § 180 Abs 3 erster Satz StPO ausgeschlossen. Wirtschaftliche Gebarungsmodalitäten, die durch eine sinnfällig aufklärungsbedürftige Diskrepanz zwischen offengelegter und nach dem bisher ermittelten Transaktionsvolumen indizierter finanzieller Leistungskraft gekennzeichnet sind, lassen die reklamierte Beurteilung als geordnete Lebensverhältnisse nicht zu (ua ON 110/V).
Im derzeitigen Verfahrensstadium bedeutet daher die - nur im Fall des Nichterlages der bestimmten Kaution aktuelle - Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft nicht die geltend gemachte Grundrechtsverletzung, weshalb die Beschwerde - ohne den beantragten Kostenausspruch (§ 8 GRBG) - abzuweisen war.
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